Pöbeln für den guten Zweck
Für Aufsehen erregte in diesem Zusammenhang die Band Deichkind, deren Musikvideo „Leider geil“ auf Anfang März auf YouTube gesperrt worden. „Ob Plattenfirma, YouTube oder Gema. Egal, wer dafür verantwortlich ist. Wir wollen, dass unsere Videos zu sehen sind. Regelt euren Scheiß jetzt endlich mal und macht eure Hausaufgaben. Ihr seid Evolutionsbremsen und nervt uns alle gewaltig ...“, pöbelten die Rapper ins Internet.
In kürzester Zeit wurde das Statement mit mehr als 20.000 „Likes“ belohnt, weiterverteilt und kommentiert. Der Protest zeigte Wirkung: "Leider geil" ist mittlerweile wieder auf YouTube zu sehen. Auch andere Musiker haben sich schon zum Thema YouTube-Sperrung geäußert. Etwa Jan Delay, der Ende vergangenen Jahres selbst von Sperrungen betroffen, forderte, „dass man endlich wieder deutsche Major-Videos auf YouTube gucken kann!“
Delay und Deichkind wissen, dass solche Forderungen gut ankommen. Spätestens seit den ACTA-Protesten dürfte bekannt sein, dass wohl die meisten Internetnutzer für eine freie Verfügbarkeit von Inhalten im Netz sind. Die Künstler hoffen wahrscheinlich durch ihre Forderungen, ihre Beliebtheit zu steigern und hinterher durch den Verkauf von Konzertkarten, Merchandising-Artikel und auch CDs mehr verdienen, als ihnen durch die freie Verfügbarkeit ihrer Lieder auf YouTube verloren geht. Denn wahre Fans, so der Gedanke, sind auch bereit, die Musiker für ihre Arbeit zu bezahlen. Wenn Videos und MP3s einer Band umsonst verfügbar wären, würde sie gerade dadurch neue Fans hinzugewinnen.
Delay ruderte allerdings nach seiner Äußerung wieder zurück. Er habe die Leute nicht dazu aufrufen wollen, sich Musik illegal zu saugen, sie sollten sich dabei nur nicht erwischen lassen. Dass sein eigenes Label auch für ihn Kopierer abgemahnt hatte, habe er nicht gewusst. „Delays Verhalten ist symptomatisch für viele Künstler, die es sich aufgrund finanzieller Abhängigkeit auch nicht mit ihren Labels verscherzen wollen“, sagt Bruno Kramm, Mitglied der Piratenpartei, Musiker und Anti-ACTA-Aktivist.
Lukrativ wird es erst ab einem bestimmten Grad des Erfolgs
Die Gema, die für einen Großteil der Sperrungen bei YouTube verantwortlich ist, vertritt die Urheberrechte von Autoren und Komponisten. Es sind nicht immer die Künstler selbst, die Musikstücke schreiben oder komponieren. Die Verwertungsgesellschaft schüttet Geld an Autoren und Komponisten aus oder auch an Musikverlage, die wiederum Verträge mit einigen Urhebern geschlossen haben. Geld bekommt die Gema unter anderem für jede hergestellte CD, jedes digital verkaufte Lied, jede Nutzung eines Titels in Werbespots und so weiter- wenn sie denn die Urheber der gespielten Titel vertritt. Anschließend schüttet die Gema das eingesammelte Geld nach einem komplizierten Schlüssel wieder an ihre Mitglieder - die Komponisten, Texter und Musikverleger – aus.
„Doch lukrativ wird es für die Musiker erst ab einem bestimmten Grad des Erfolgs“, sagt Bruno Kramm. Denn der Verwertungsschlüssel der Gema sorge dafür, dass die Gelder eher Musikern zugute kämen, die ohnehin schon bekannt sind. Grund dafür sei, dass die Gema maßgeblich von solchen Mitgliedern bestimmt werde, die selbst als Musiker erfolgreich seien und daher von den derzeitigen Richtlinien profitieren.
Umso ärgerlicher sei es, dass kleinere Künstler immer erst nachweisen müssten, dass sie nicht in der Gema sind, sagt Christian Hufgard von den Musikpiraten. Sein Verein hat sich zum Ziel gesetzt, es Musikern zu erleichtern, Gema-unabhängig zu arbeiten. „Die Gema vertritt alle Künstler, die sich nicht dagegen wehren“, so Hufgard. Dies sei ein nicht zu unterschätzender bürokratischer Aufwand. Ohne Nachweis kassiere die Gema teilweise auch bei Künstlern ab, die tatsächlich gar nicht bei ihr unter Vertrag seien.
Die Musikpiraten haben bereits 500 Musiker ohne Gema-Vertrag zusammengetrommelt. Sie glauben, auf 70.000 Musiker zu kommen. Könnte der Verein nachweisen, so der Gedanke, dass die Mehrheit der professionellen und semi-professionellen Musiker in Deutschland gar nicht in der Gema sei, würde das dem derzeitigen Vorgehen der Gema die Legitimationsgrundlage entziehen.