Einmal Detektiv spielen
Eine Stadt mit einem Reiseführer zu erkunden kann manchmal ganz schön langweilig sein. Aber nicht in Liberec. Dort verwandeln sich die Touristen in Detektive und die Sightseeingtour wird dank ihres Mobiltelefons zum Ratespiel.
Wer ist der Mörder? Die Antwort auf diese Frage interessiert die Touristen meist mehr, als die Namen der Erbauer einer Kirche oder des Rathauses der Stadt. Das ist auch in Liberec nicht anders. Deshalb haben sich fünf Studenten des Studiengangs Touristik der dortigen Technischen Universität zusammengetan und das Detektivspiel Liberecké hry ( Die Spiele von Liberec) für Touristen entwickelt. Alles, was die Touristen für die Erkundung von Liberec brauchen, ist eine App und ein Programm zum Lesen von QR-Codes.
Die Testversion dieses ersten Detektivspiels hieß Zločin ve městě pod Ještědem (Das Verbrechen in der Stadt unter dem Jested). Im vorigen Sommer konnten die jungen Liberecer zum ersten Mal an dem Spiel teilnehmen. Während insgesamt drei Monaten nahmen hunderte Spieler teil, 40 von ihnen beendeten das Spiel erfolgreich.
Seit Januar gibt es das neue Spiel Lhář: milenec? soused? zahradník? (Lügner: Liebhaber? Nachbar? Gärtner?). „Interessierte brauchen ein Smartphone oder ein Tablet mit dem Betriebssystem Android und einer Kamera auf der Rückseite. Zuerst müssen sie sich unsere Applikation von der Seite Google Play herunterladen. Damit finden sie sich am Terminal des öffentlichen Nahverkehrs in der Fügnerovastraße in Liberec ein. Dort finden sie den ersten von elf Codes. Nach dem Einscannen des Codes erscheint die Einführung in das Spiel und das erste Rätsel. Wenn sie das Rätsel gelöst haben, schickt sie die Applikation an den nächsten Ort,“ erklärt Jan Bina, einer der fünf Autoren des Projekts. Normalerweise lässt sich die Tour in etwa zweieinhalb Stunden bewältigen.Wenn man eine Fragestellung aber nicht richtig löst, wird man von der App automatisch an einen Ort geschickt, der weiter vom Ziel entfernt liegt. Ein Detektiv, für den auch Logikrätsel ein Kinderspiel sind, läuft also nicht so viel wie jemand, der versucht die richtige Antwort durch Raten zu ermitteln
Dieses Konzept ist in Tschechien einzigartig, und auch in den Nachbarländern fanden die Autoren des Spiels nichts Vergleichbares. „Letztes Jahr bestand der Großteil der Spieler aus Teilnehmern Anfang zwanzig. Genau sie sind die Zielgruppe unseres Projekts. Liberec ist eine schöne Stadt und wir fanden es schade, dass die jungen Leute nicht viel über unsere Sehenswürdigkeiten wissen,“ führt Radek Dobrý, ein weiteres Teammitglied, in einer Pressemitteilung aus. Außer ihm gehören noch Nikola Bílková, Bára Němcová und Bára Vodňanská zum Team.
Das Projekt entstand in der Hochschule
Auswärtige Besucher müssen sich bisher noch etwas umständlich die Lage der einzelnen QR-Code-Stationen auf der Landkarte oder im Internet zusammensuchen. „In Zunkunft soll es eine direkte Verbindung mit einer Landkarte geben. Wir bemühen uns, das Spiel kontinuierlich zu verbessern,“ erläutert Honza Bína und gibt noch einen praktischen Hinweis: „ Alle QR-Codes unseres Spiels kann man auch auf der Landkarte im Tourismuszentrum finden. Wenn ein QR-Code auf der Route beschädigt oder unzugänglich ist, kann man ihn dort ablesen.“ Bei Problemen mit den eingeschränkten Öffnungszeiten könne man mit der ständigen Unterstützung auf Facebook rechnen.
Seit Jahresbeginn haben über hundert Spielteilnehmer in der Rolle eines Polizeikommissars den Kriminalfall Ještěd um den Mord an Bedřich Šebesta untersucht. „Die hohe Teilnehmerzahl hat uns postitiv überrascht. Wir würden gerne auf tausend Teilnehmer pro Jahr kommen,“ sagt Jan Bína. Von der Benutzeranzahl hängt nämlich auch die weitere finanzielle Förderung des Projektes ab. Die Idee dazu entstand im Rahmen einer Semesterarbeit der damaligen Hochschulstudenten. Seitdem wurde die Finanzierung des Projekts von der Stadt Liberec und der tschechischen Zentrale für Tourismus unterstützt. Das Detektivspiel, das junge Leute vom Computer weg in das historische Zentrum einer Stadt holt und mit Hilfe von IT-Technologie Rätsel lösen lässt, findet auch andernorts Anklang. „Wir verhandeln über ein ähnliches Projekt in einer weiteren Stadt in Tschechien. Vorerst verraten wir aber nicht, um welche es sich handelt,“ bestätigt Jan Bína.
Nächstes mal wird es ein Raub
Aber auch so widmen Nikola, Jan, Radek und die beiden Báras dem Projekt sehr viel Zeit. „Jede Woche laufen wir die Strecke ab und kontrollieren die Anbringung der QR-Codes. Am Anfang haben wir sie nur an städtische Gebäude geklebt, jetzt werden sie auch an Privatbesitz angebracht,“ spricht Honza für die Anderen. „Außerdem erneuern wir alle drei Monate sämtliche Fragen des Wettbewerbs. Wenn man also Lhář schon einmal gespielt hat, kann man es nach ein paar Monaten wiederholen und wird sich wegen der neuen Fragen in der App nicht langweilen.“ Der Kern der Geschichte und die Position der QR-Codes bleiben aber die gleiche. Die Fünf bereiten auch schon das nächste Spiel vor, dieses Mal geht es angeblich um einen großen Raub.
Übersetzung: Hanna Sedláček