Leben

Lety. Schweinefarm oder Gedenkstätte?

Foto: © Sabir Agalarov
Auf dem Gebiet des damaligen Protektorates Böhmen und Mähren gab es zwei Internierungslager, aus denen außer Juden auch 90 Prozent der tschechoslowakischen Romabevölkerung in Vernichtungslager deportiert wurden. Eines dieser Lager war das in Lety bei Písek. Wo es einst stand, befindet sich heute eine Schweinefarm, eine ökonomisch überaus erfolgreiche noch dazu. Die Kosten für den Umzug ihres Betriebes beziffern die Besitzer auf bis zu eine Milliarde Kronen (rund 37 Millionen Euro).

Die Debatte rund um die Schweinezucht in Lety nährt sich bereits seit vielen Jahren aus mangelndem Geschichtsverständnis und dient populistischen Politikern als Anlass zu rassistischen Kommentaren. Dabei forderte der Roma-Holokaust tausende Menschenleben und auf dem Gebiet der heutigen Staaten Tschechien und Slowakei wurde er von einheimischen Kollaborateuren zusammen mit den nationalsozialistischen Besatzern durchgeführt. Von damals rund 6500 Roma und mindestens 3000 Sinti überlebten die Verfolgung nur 583. Der deutsche Botschafter in der Tschechischen Republik Dr. Arndt Freiherr Freytag von Loringhoven besuchte das Museum für Romakultur in Brno (Brünn) und sprach dabei unter anderem auch mit Nachkommen der Roma, die den Holokaust wie durch ein Wunder überlebt haben, über die Todeslager.

Sabir Agalarov
Übersetzung: Patrick Hamouz

Copyright: jádu | Goethe-Institut Prag
Mai 2015

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