Besser schlafen
Wenn 12 mal 1000 mehr als 12.000 ergibt: Das Projekt Mein Grundeinkommen verlost ein Jahr mit weniger Sorgen – 1000 Euro im Monat, 12 Monate lang, bedingungslos. Jeder kann an der Verlosung teilnehmen.
Das Bedingungslose Grundeinkommen gewinnt immer mehr Anhänger. Die Idee dieses sozialpolitischen Konzeptes ist, dass jeder Bürger vom Staat eine finanzielle Zuwendung erhält – ohne dass er oder sie dafür eine Gegenleistung erbringen müsste. Es gibt bereits einige begrenzte Experimente, zum Beispiel in den Niederlanden oder in Finnland. In Deutschland ist man davon noch weit entfernt. Michael Bohmeyer wollte nicht warten bis die Politik so weit ist.
Seine Initiative Mein Grundeinkommen hat per Crowdfunding mittlerweile 81 Grundeinkommen gesammelt, 70 davon wurden schonverlost: je 1000 Euro im Monat, ein Jahr lang, bedingungslos. Eine erste wissenschaftliche Auswertung liefert den Anhängern der Idee Argumente, um für die Einführung eines flächendeckenden Grundeinkommens zu werben.
Das einjährige Grundeinkommen steigere eher die Produktivität, als dass es zu weniger Arbeit oder gar zu Faulheit führen würde, heißt es in der Studie der Goethe-Universität Frankfurt am Main aus dem September 2016. Anstelle der finanziellen Motivation träten persönliche Interessen, soziales Verantwortungsbewusstsein und Selbstverwirklichung. Deren Resultate sind mehr wert als 12.000 Euro und nicht nur auf ein Jahr begrenzt.
Vom Baby bis zur Rentnerin ist alles dabei
Was würdest du tun, wenn für dein Einkommen gesorgt wäre? Mehr Zeit mit Freunden und Familie verbringen, sich weiterbilden und eigene Ideen verwirklichen, soziale Projekte unterstützen und mehr Bioprodukte kaufen oder einfach mit weniger Geldsorgen weiterleben. Diese und ähnliche Antworten findet man immer wieder auf den über 300.000 Profilen der Unterstützer von Mein Grundeinkommen. Sie haben sich auf dem Portal registriert, um an den regelmäßigen Verlosungen teilzunehmen, manche von ihnen haben gespendet, 70 von ihnen hatten bis jetzt das Glück, ein Grundeinkommen zu gewinnen und damit alte Träume und neue Ziele zu verwirklichen.
Die Gewinner berichten über ein Jahr voller Freiheit, Sicherheit, Selbstbestimmtheit, Selbstverwirklichung, Entlastung, Eigenverantwortung, mutiger Entscheidungen, voller Entspannung und harter Arbeit. Was genau sie mit dem Geld machen, ist ganz unterschiedlich. „So wie auch die Menschen unterschiedlich sind, bei uns ist ja vom Baby bis zur Rentnerin alles dabei“, erzählt Michael Bohmeyer „Aber es zeigen sich ähnliche Ergebnisse bei allen: Viele verbringen mehr Zeit mit ihrer Familie, können einfach besser schlafen, sind entspannter.“
Fragen stellen und Geschichten erzählen
Denn endlich kann das dritte Kinderzimmer renoviert werden, die ganze Familie kann mal wieder zusammen in den Urlaub fahren, der Kredit wird abbezahlt oder es ist genug Zeit und Geld für die berufliche Neuorientierung da. Trotzdem, bestätigt Michael, würden die wenigsten aufhören zu arbeiten. „Die meisten machen das gleiche wie vorher. Nur einer hat bis jetzt seinen Job gekündigt. Der hat vorher im Callcenter gearbeitet und durch den Gewinn den Mut bekommen, ein Pädagogikstudium zu beginnen.“ Michael versucht mit so vielen Gewinnern wie möglich in Kontakt zu bleiben und online über ihre Erfahrungen zu berichten. „Viele bilden sich weiter, einige Gewinner haben sich selbstständig gemacht. Ein Langzeitarbeitsloser hat in dieser Zeit einen Job gefunden, weil er nicht mehr aus der Not heraus suchen musste.“
Natürlich ist diese einjährige Auszahlung von 1000 Euro monatlich schwer zu vergleichen mit einem Grundeinkommen, das jedem lebenslang bedingungslos zustehen würde. Eine finanzielle Mindestabsicherung von einem Jahr wird die wenigsten Menschen dazu verleiten, ihren festen Job zu kündigen. Doch der Anspruch von Mein Grundeinkommen sei auch nicht, die richtige Antwort darauf zu geben, wie eine Gesellschaft mit einem bedingungslosen Grundeinkommen aussieht, sagt Michael Bohmeyer. Stattdessen möchte er Fragen stellen und Geschichten erzählen, und vor allem die Idee verbreiten und auch Kritiker von ihr überzeugen.
Hinter deren Einwände gegen ein bedingungsloses Grundeinkommen stünden oft ganz menschliche Ängste, die ernst genommen werden müssen. „Es hat viel mit Besitzstandswahrung zu tun“, glaubt Michael, „mit der Angst loszulassen und den Menschen zu vertrauen. Unsere Gesellschaft suggeriert uns, dass es fahrlässig wäre, ein Grundeinkommen auszuzahlen.“
Faul sind nur die anderen
Denn das würde bedeuten, den Menschen einen Vertrauensvorschuss zu geben, ihnen die nötige Eigenverantwortung zuzuschreiben und keine Gegenleistung zu erwarten. Aber wer putzt dann eigentlich die Klos? Die weitverbreitete Angst der Skeptiker, dass (alle anderen) Menschen dann nicht mehr arbeiten und stattdessen auf der faulen Haut liegen würden, (während ich als einziges weiter schuften gehe), lässt sich nicht belegen. Auch 90 Prozent der Lottogewinner gingen weiter arbeiten, sagt Michael.
Die meisten Menschen, mit denen er sich darüber unterhält, würden nach eigener Aussage auch mit einem Grundeinkommen weiterhin arbeiten gehen, selbst die, die Toiletten reinigen und den Müll abholen. Diese hätten dann aber die Chance, einen deutlich höheren Lohn einzufordern. „Wenn ich mir überlege, dass viele Leute aus der Not heraus arbeiten und einen Job machen, den sie gar nicht wollen, dann frage ich mich, ob ich in so einer Gesellschaft überhaupt leben möchte?“ Michael ist überzeugt, dass auch unsere Demokratie von einem Grundeinkommen profitieren würde, sie wehrhafter machen und Machtverhältnisse ausgleichen würde.
Sein eigenes Grundeinkommen bezieht Michael von einer erfolgreichen Internetfirma, die er vor zehn Jahren gegründet hatte und aus der er als aktiver Mitarbeiter ausgestiegen ist. Seither erhält er eine monatliche Gewinnbeteiligung von etwa 1000 Euro. Das hat sein Leben verändert. Er lebe gesünder, einfach weil er weniger Stress verspüre. „Ich habe es vorher nicht gemerkt, ich kannte mein Leben ja nicht anders, aber da war immer diese Grundangespanntheit, dieses Gefühl nicht genug zu tun. Es ist nicht die Arbeit, die Stress verursacht, sondern das Gefühl, dass man nicht genug macht.“
Nehmen und dann Geben
Deshalb sind auch die Gehälter für die Mitarbeiter bei Mein Grundeinkommen kein Lohn für die geleistete Arbeit, sondern die Voraussetzung für ihre gute Arbeit. Denn für die haben sie den Kopf frei, wenn sie keine finanziellen Sorgen plagen. Sie werden nach dem Bedarfsprinzip ausgezahlt und durch Spenden finanziert, wie auch die übrige Vereinsarbeit.
Mittlerweile bekommt der Verein monatlich über 100.000 Euro von den sogenannten Crowdhörnchen, die jeden Monat einen festen Betrag spenden und dabei auch selbst entscheiden können, wie viel davon für die Grundeinkommen oder Vereinsarbeit verwendet wird. Hinzu kommen zahlreiche einmalige Spenden, oft mit Beträgen zwischen einem und fünf Euro.
„Überrascht hat mich wirklich, dass es mehr Menschen gibt, die Geld geben, als Menschen, die es nehmen wollen.“ Dass dadurch mehr als ein Grundeinkommen zusammenkommt, hätte Michael Bohmeyer nicht erwartet, als er das Projekt 2014 startete. „Das ist wahrscheinlich auch ein Grund, warum es kein bedingungsloses Grundeinkommen gibt: weil immer eine Scham besteht, Geld zu nehmen.“
Die Möglichkeit, ganz schamlos ein einjähriges Grundeinkommen zu gewinnen, gibt es regelmäßig auf mein-grundeinkommen.de. Hier geht’s zur Anmeldung.