Zu früh kaputt

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Stefan Schridde wehrt sich mit seiner Initiative „Murks? Nein Danke!“ gegen die absichtliche Verkürzung der Lebensdauer von technischen Geräten durch die Hersteller. Foto: © privat

Kaum ist die Garantie abgelaufen, bewegt sich der Mixer nicht mehr. Und der Drucker gibt von heute auf morgen den Geist auf, irreparabel. Um den Umsatz zu steigern, verringern manche Hersteller die Lebensdauer ihrer Produkte. Stefan Schridde von der bürgerschaftlichen Initiative Murks? Nein Danke! will sich dagegen wehren.

„Nachdem der zuvor gut funktionierende Tintenstrahldrucker einen Fehler mit dem Druckkopf anzeigte, war das Ergebnis des Kundendienstes: wirtschaftlich nicht vertretbarer Reparaturaufwand“, schreibt Steffen. „Wir haben den Druckkopf ausgewechselt, geholfen hat es nicht. Da dieses Modell nicht mehr aufgelegt wird, haben wir uns einen Gebrauchten zugelegt – mit dem gleichen Ergebnis: Druckkopf kaputt nach einem Jahr.“

Steffens Leid mit seinem Drucker ist auf der Webseite von Murks? Nein Danke! zu lesen. Dort finden sich auch Geschichten von Handrührgeräten, Kopfhörern, Akkus, Kühlschränken, Telefonen und Hochdruckreinigern. Sie alle haben eins gemeinsam: meist kurz nach Ablauf der Garantie funktionierten sie nicht mehr richtig, generierten Fehlermeldungen oder gaben gleich komplett den Geist auf.

„Geplante Obsoleszenz“ heißt dieses Phänomen in der Fachsprache. Die Lebensdauer der Produkte wird dabei absichtlich künstlich eingeschränkt – und eine Reparatur ist laut Hersteller nicht möglich oder lohnt sich nicht. Stefan Schridde will sich das nicht gefallen lassen und hat deshalb vor zwei Jahren die Initiative Murks? Nein Danke! gegründet. Der „Murks“ soll in all seinen Variationen sichtbar gemacht werden. Der Betriebswirt will, zusammen mit der Web-Community und seinen Mitstreitern, über negative und positive Beispiele aufklären. Jeder kann die Geschichte seiner kaputten Geräte auf der Webseite hinterlassen und potentielle Käufer warnen – oder auch eine Anleitung zur Reparatur teilen.

Wer in Berlin wohnt, kann sich den Murks anschauen gehen und an Diskussionsrunden zum Thema teilnehmen. Im Dezember letzten Jahres eröffnete die Initiative in Berlin das Murks.Center, ein Informationszentrum und Veranstaltungsort für Freunde der Nachhaltigkeit und Produktqualität: „Hier erfahren Sie, wie Sie Murks erkennen und vermeiden können“, wirbt die Initiative. Und im Murkseum können die „Kaputtinnovationen“, wie Schridde sie nennt, bestaunt werden. Eine Dauerausstellung zeigt das Innenleben von Waschmaschinen, aufgesägte Milchschäumer und defekte Staubsauger. „Wir zeigen hier die Methoden der Hersteller, Produkte auf Kurzlebigkeit hin zu entwickeln. Und wir erläutern gesellschaftliche und wirtschaftliche Hintergründe und zeigen Alternativen auf“, so Schridde.

Böse Absicht oder Sollbruchstelle?

Die Schwierigkeit ist dabei, die Absicht nachzuweisen. Natürlich gibt dies kein Hersteller zu. Ist es wirklich Teil der Produktstrategie, dass der Drucker urplötzlich nicht mehr funktioniert? Die Hersteller kontern mit Gründen wie Sollbruchstellen, Verschleiß und Alterung oder mit unsachgemäßer Bedienung. Die Kunden ärgern sich und fühlen sich machtlos, wenn nicht sogar mitschuldig am Schaden.

„Wir müssen aufhören zu glauben, der Kunde sei der Sündenbock – das ist ein Teil der Herstellerstrategie“, warnt Schridde. „Letztendlich geht es darum, Produkte so auf den Markt zu bringen, dass sie nur noch als Einwegprodukte gesehen werden: Sie sind nicht mehr reparierbar, Ersatzteile sind nicht verfügbar, sie sind schlecht gebaut, sodass wir letztlich zum Neukauf genötigt werden.“ Die meisten Schwachstellen sind für die Konsumenten nicht erkennbar, „da sind wir im Nachteil gegenüber dem Hersteller und dem Handel“, so Schridde. Trotzdem empfiehlt er: Augen auf beim Kauf! „Wir sollten uns zwei Dinge genauer anschauen: Nämlich die Frage der Reparierbarkeit, ob zum Beispiel ein Gehäuse schon so verbaut ist, dass es nicht geöffnet werden kann. Und die Verfügbarkeit der Ersatzteile: Kann mir der Verkäufer diese für die nächsten fünf Jahre zusichern?“

„Solange jeder Einzelne denkt, er sei ein Pechvogel, dies sei ein Sonderfall oder Montagsproduktion, können sich die Hersteller darauf ausruhen“, so der Murks-Bekämpfer. Die Kunden dürften minderwertige Waren nicht länger tolerieren, denn sinkender Absatz ist das Einzige, was den Herstellern wirklich weh tut. „Hier geht es darum, alle Kräfte zusammenzutun und in den Geschäfte deutlich zu sagen: Wir sind nicht verantwortlich für die schlechte Qualität in euren Regalen, die haben wir nicht bestellt!“

Foto: © Murks? Nein Danke! | murks-nein-danke.de
Geplante Obsoleszenz: Der Zahnradzähler einer Laser-Tonerkartusche. Das Potenzial von 5000 gedruckten Seiten wurde damit auf 1500 reduziert. Foto: © Murks? Nein Danke! | murks-nein-danke.de

Ein Problem mit Tradition

Das Problem ist nicht neu. 1924 legte das Phoebuskartell fest, dass eine Glühbirne nicht länger als 1000 Stunden brennen darf. Doch je mehr Elektronik in den Geräten steckt, desto schwerer wird es für den Normalverbraucher, seinen Kauf zu durchschauen oder später selbst zu reparieren. Und die Folgen für die Umwelt sind natürlich verheerend.

Die Webseite von Murks? Nein Danke! ist letztlich auch eine Art Selbsthilfegruppe. Wer sein Gerät reparieren konnte oder anderen helfen will, schreibt dies zur Murks-Meldung dazu und gibt das Wissen weiter. Auch die Geschichte von Steffen mit dem kaputten Druckkopf nahm ein gutes Ende: „Nach Recherchen im Internet bin ich darauf gestoßen, dass Drucker mit einem internen Zähler ausgestattet sind, der nach Erreichen der voreingestellten Seitenzahl einen Fehlercode generiert“, schreibt er. Und präsentiert auch gleich die Lösung des Problems: „Durch das simple Tippen einer bestimmten Tastenkombination wird der Zähler auf Null gesetzt und das Gerät läuft wie neu!“

Christine Bertschi

Copyright: jádu / Goethe-Institut Prag
März 2015
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