Abreißen, Umbauen oder doch denkmalgerecht sanieren? Über den schwierigen Umgang mit dem Baukultur-Erbe der 1960er-Jahre.
Die deutsche Nachkriegsmoderne, bisher eher ein Steckenpferd von Architekturenthusiasten, steht im Fokus der öffentlichen Wahrnehmung. Vor allem über den Umgang mit den gewaltigen Wohnsiedlungen, betonlastigen Kulturbauten und autogerechten Innenstädten der 1960er-Jahre wird heftig diskutiert, und das nicht nur unter Denkmalschützern und Stadtplanern, sondern auch in der Lokalpresse oder in Bürgervertretungen: Ist die radikale Form, der Wille zur Verdichtung der Innenstädte, die Nutzung von Stahl, Glas und Beton etwas Visionäres? Das Abbild einer zukunftszugewandten Zeit, und somit unbedingt erhaltenswert? Oder muss und darf rigoros umgestaltet und sogar abgerissen werden, um die in der deutschen Öffentlichkeit oft aufgrund ihrer Dimensionen und ihrer rasterhaften, monotonen Fassaden als „menschenfeindlich“ postulierten Bauten kleinteiliger und somit menschenfreundlicher zu machen?
In dieser Zeit visionär-radikaler Entwürfe in Ost und West entstanden Gebäude, die heute als Ikonen der modernen Baukultur gelten, wie in Ostberlin Hermann Henselmanns Haus des Lehrers (1964) oder Josef Kaisers Kino International (1963). In West-Berlin stechen Egon Eiermanns Neue Gedächtniskirche (1961), Hans Scharouns Philharmonie (1963) und Mies van der Rohes Neue Nationalgalerie (1968) hervor.
Ludwig Leo, Christian Boes, Umlauftank 2 der Versuchsanstalt für Wasser- und Schiffsbau | Foto: Thomas Bruns, 2011, Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie
Allerdings trifft die Entscheidung zum Abriss nicht nur Großsiedlungen mit mangelhafter Bauqualität. In Berlin wurde zum Beispiel die Großgaststätte Ahornblatt mit der legendären Schalenkonstruktion von Ulrich Müther (1971-73) trotz Denkmalschutz im Jahr 2000 abgerissen. Ähnlich erging es dem Schimmelpfenghaus von Sobotka/Müller (1960) am Zoo. Beide fielen Neubauprojekten zum Opfer. Andere Gebäude dieser Zeit werden mal mehr, mal weniger gelungen überformt. Ein Beispiel ist die Neugestaltung der Kaufhoffassade am Berliner Alexanderplatz durch Jan Kleihues, der die charakteristische Aluminium-Wabenfassade von 1967 im Jahr 2006 durch Naturstein ersetzte und dafür ebenso viel Beifall wie Ablehnung erntete.
Beispiele für Sanierung und Umgestaltung
Als ein gelungenes Beispiel gilt dagegen die denkmalgerechte Sanierung des Staatsratsgebäudes der DDR (1962-64) durch HG Merz (2003-05) und die Sanierung der Deutschen Oper (2011-14) in Berlin. Eine derart umfangreiche Instandsetzung nach neuesten energetischen Standards hätte diese komplexen Gebäude auch ruinieren können. Die Kosten waren allerdings so hoch, dass nicht viele Bauten auf diese Weise denkmalgerecht instand gesetzt werden können.
Die Bilder in diesem Artikel waren Teil der Ausstellung mit Katalog „Radikal Modern – Planen und Bauen im Berlin der 1960-er Jahre“, die vom 29. Mai bis 26. Oktober 2015 in der Berlinischen Galerie stattfand.