Aktuelle Musik aus Deutschland  Popcast #11/2025

Popcast #10/2025 Simon Popp edition © Rebecca Kraemer

Mit Musik von: 

Hidden Cameras | EvilEvil/Motor Music
Simon Popp | Squama Recordings
Lawn Chair
Die P | Machplatz
Perera Elsewhere | Friends of Friends Music
Autorin und Sprecherin (Deutsch): Angie Portmann

© Die P/Mach Platz
 
All my peace is gone
Perera Elsewhere, „Fountain“

The Hidden Cameras © Max Zerrahn

The Hidden Cameras, deren einziges ständiges Mitglied, der Kanadier Joel Gibb, schon vor einer ganzen Weile von Toronto nach Berlin übergesiedelt ist, haben mit Bronto eine konsequente, nokturne Vision von Disco umgesetzt. Vergessen sind die früheren Ausflüge in Indiepop, Goth und sogar Folk – stets getragen von pluckernden Sequenzern findet diese neueste Inkarnation der Hidden Cameras in einem queerem Club-Hopping-Kontinuum in der Bugwelle von Arthur Russell, Pet Shop Boys und Hercules and Love Affair statt. Hedonismus-Revival als Housemittel gegen düstere Zeiten. Es wird nicht lange wirken, aber für eine Weile ist es einfach perfekt!

Lawn Chair © Frederike Wetzels

Sie haben bereits zwei knallbunte EPs herausgebracht, produziert von Leuten wie Olaf Opal (The Notwist) und Chris Cody (Beach House), nur die feinsten Festivals in Deutschland bespielt (Immergut, Fusion) und sind dann mit den Sleaford Mods durch England getourt: Lawn Chair haben ihr optimistisch betiteltes Debutalbum You Want It! You Got It! gut vorbereitet. Es hält dann auch, was versprochen wurde. Catchy, treibend und mit beinahe beängstigender Perfektion manifestiert das Quintett, angeführt von Frontfrau Claudia Schlutius, ihre Wut über Spätkapitalismus, die Reste des Patriarchats oder toxische Männlichkeit. Alternativer Rock für die Gegenwart.

Perera Elsewhere © Gene Glover

Experimenteller Rap, minimalistischer Grime und Avant-Pop, und eine scheinbar mühelose Vermischung dieser verschiedenen Einflüsse sind Markenzeichen der in Berlin ansässigen Londonerin Sasha Perera aka Perera Elsewhere. Unterstützt von handverlesenen Kollaborator*innen, wie etwa der genialen Rapperin Andy S aus Elfenbeinküste, zeigt sie sich auf Just Wanna Live Some, ihrem vierten Album, selbstbewusst, abgeklärt und reflektiert. Im Albumtitel verbirgt sich dann auch direkt die traurige Wahrheit – für zu viele Menschen ist die Befriedigung der unteren Stufen der Bedürfnispyramide wieder zur Lebensaufgabe geworden, der Hustle ist existentiell. Doch die 12 kurzen Tracks sind mehr als ein Manifest für urbane Überlebenskünstler*innen: Perera Elsewheres nervöse Melancholie hat die subversive Energie eines neuen Anfangs, eine utopische Hoffnung, deren optimistische Kraft zwischen den Zeilen lesbar ist.
 

Die P © David Reineke

Deutschlands Rap Queen, die Bonner Rapperin Die P hat in den vergangenen vier Jahren schlappe fünf Alben herausgebracht, zwei davon allein in diesem Jahr. Bei dieser Frequenz müsste man meinen, wird sich irgendwann eine gewisse Müdigkeit zeigen. Aber bei ihr ist es anders. Das jetzt erschienene Album Magazin wirkt wie der Kulminationspunkt ihrer ganzen Arbeit der letzten Jahre. Sie klingt noch frischer als zu Zeiten ihres Debuts, die ungestüme Energie ihrer Reime und der typische Oldschool-Flair haben sich auf Top-Niveau gehalten und sind in einen Zustand absoluter Zeitlosigkeit gereift. Respekt.
 

Simon Popp © Rebecca Kraemer

Bei seinem neuen, dritten Album unternimmt der Münchener Komponist und Schlagwerker Simon Popp mit Flurin Mück and Sebastian Wolfgruber, ebenfalls beide am Schlagzeug, eine meditative Exploration von Rhythmik, Repetition, Melodie und Sound. Auf dem Rücken der jahrtausendealten Tradition des Trommelns, Singens, Bewegens, künstlerischen Ausdrucks und menschlicher Verbundenheit ist Trio ein spielerischer Akt der Improvisation. Traditionelle Schlagzeuge sind eher die Ausnahme in den zauberhaft anmutenden Arrangements, innerhalb derer weiter rhythmischer Schleifen winzige Melodiefragmente entstehen und nur kurz um den Groove kreisen, nur um spurlos wieder zu verschwinden. Wie schon auf dem fantastischen Vorgänger Blizz vermag es Popp, sich jeder Kategorie zu entziehen und so dreht das Trio frei seine Runden, irgendwo zwischen Jazz, tonalen Experimenten und afrikanischen und europäischen Traditionen aus den letzten zehntausend Jahren.
© Simon Popp and Squama Recordings

Das könnte auch von Interesse sein