Ex-DDR-Agentin, minderjährige Prostituierte, Möchtergern-Influencerin – wenige Schauspielerinnen haben so früh in ihrer Karriere so vielseitige Rollen gespielt wie Jella Haase. Mit der Netflix-Serie Kleo erlangt sie nun internationale Bekanntheit.
Schmollender Teenager, chaotischer Störenfried, sensible Liebhaberin: Jella Haases Fähigkeit, in verschiedenste Rollen zu schlüpfen, ist bemerkenswert. Diese Vielseitigkeit zeigt sie sowohl in Arthouse-Filmen wie Berlin Alexanderplatz und Combat Girls als auch in Mainstream-Komödien wie Die Goldfische und Das perfekte Geheimnis. Diese leichtfüßige, chameleonartige Qualität zieht sich wie ein roter Faden durch ihre Karriere. In einem Interview mit dem Fräulein-Magazin beschreibt sie ihren Modegeschmack als „eine Mischung aus gewagt und zart“ – ein Stil, der auch auf ihre Schauspielweise zutrifft.Ohne Schauspielausbildung zum European Shooting Star
Dass Jella Haase eine geborene Schauspielerin ist, zeigte sich bereits in frühen Jahren: Als Kind spielte sie Theater, liebte es, auf der Bühne zu stehen. Bis heute hat sich daran nichts geändert. Wenn sie über ihr Handwerk spricht, fallen immer wieder die Begriffe Spieltrieb, Spielfreude und Spaß. Merkmale, die ihre Begeisterung für das Experimentieren und die Verwandlung zum Ausdruck bringen. Vielleicht sind es gerade diese Eigenschaften, die sie – ganz ohne Schauspielausbildung – an die berühmte Berliner Volksbühne gebracht haben. Doch nicht nur das Theater ist ihre Bühne, auch in Filmen trat sie bereits früh auf, was ihr schnell Auszeichnungen einbrachte, darunter den Preis als European Shooting Star auf der Berlinale 2016.Fack Ju Göhte: Outsourcing Chantal
Jella Haases bekannteste Rolle ist Chantal, die freche wie exzentrische Schülerin aus der erfolgreichen Filmreihe Fack Ju Göhte. Die politisch inkorrekte Schulkomödie aus dem Jahr 2013 ging als der fünfterfolgreichste Nachkriegsfilm in die deutsche Kino-Geschichte ein – nicht zuletzt dank Haases komischer Nebenrolle. Mit Chantal verkörpert sie eine liebenswürdig proletenhafte Figur, die schnell zu einer beliebten Kultfigur wurde. 2024 erhielt „Chanti“ in dem Spin-off Chantal im Märchenland schließlich einen eigenen Film, in dem die Märchenwelt eine feministische Lesart bekommen hat. Der Film hatte in deutschen Kinos den erfolgreichsten Eröffnungstag des Jahres und übertraf sogar den Marktanteil von Barbie. Zuvor hatte Haase mit dem Film Lieber Thomas viel Aufmerksamkeit erhalten. Für ihre Rolle als Katharina Thalbach, die Schauspielerin und Freundin des DDR-Dichters und Dissidenten Thomas Brasch, erhielt sie den Deutschen Filmpreis als Beste Nebendarstellerin.Von Kleo zur Päpstin
Deutsche Geschichte spielt auch eine wichtige Rolle in dem wilden Genre-Mix Kleo: Die Netflix-Serie spielt kurz nach dem Fall der Berliner Mauer. In diesem Setting begibt sich die von Haase gespielte ehemalige Spionin Kleo auf einen Rachefeldzug gegen die Menschen, die sie verraten haben. Einmal mehr eine eigenwillige Figur, die Haase sogar mit ihrer vorherigen Filmrolle in Verbindung bringt: „Chantal und Kleo sind beide sehr eigen und haben gemeinsam, dass sie unangepasst sind. Ihnen sind gesellschaftliche Konventionen egal. Das ist bei beiden Figuren befreiend“, erzählt sie in einem Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.Konstanz spielt auch in der Zusammenarbeit mit Regisseurinnen eine Rolle: Nach der queeren Coming-of-Age-Geschichte Cocoon und dem Drama Looping hat die gebürtige Berlinerin gerade ihren dritten Film mit der Regisseurin Leonie Krippendorf abgeschlossen: Gepellte Haut erscheint 2026. Davor ist sie noch in der Verfilmung von Joachim Meyerhoffs gleichnamigen Roman Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke zu sehen.Außerdem übernimmt Haase die Titelrolle in der Neuverfilmung von Die Päpstin, die als ARD-Serie erscheint.
Jella Haase privat: Berliner Schnauze mit Haltung
Über ihr Privatleben hält sich Haase bedeckt. Verraten hat sie allerdings, dass sie Vegetarierin ist, jährlich Fastenwanderungen unternimmt und beim Reisen immer zu viel einpackt. Gelegentlich blitzt in ihrem Auftreten ihre Berliner Schnauze auf – eine direkte Art, die auch in ihrer unverblümten politischen Haltung zum Ausdruck kommt, wie zuletzt bei der Verleihung des Bambi 2024.Nachdem sie den Preis als Beste Schauspielerin für Chantal und das Märchenland erhält, schließt sie sich Margot Friedländers Appell an, Mensch zu sein, und ruft alle dazu auf, ihren „moralischen Kompass, in Zeiten in denen rechter Populismus das Netz und die Köpfe fluten, nicht zu verlieren.“
Januar 2025