Wie wunderbar, wenn man eine Geschichte nicht nur lesen, sondern auch auf der Leinwand miterleben kann! Hier ist eine kleine Auswahl von Filmen, die sich auf bedeutende und bekannte deutschsprachige Romane stützen. Lieber Seiten umblättern oder lieber schauen? Ganz einfach: sich für beides Zeit nehmen.
Die Blechtrommel (1979)
Rund um die Blechtrommel sind diverse Superlative zu vermelden: Der 1959 erschienene Roman des späteren Nobelpreisträgers Günter Grass gilt als Jahrhundertwerk und zählt zu den meistgelesenen Werken der deutschen Nachkriegsliteratur – nicht nur im deutschen Sprachraum. Kein Wunder also, dass der renommierte Regisseur Volker Schlöndorff für seine Verfilmung einen Reigen großer Stars des deutschen und internationalen Kinos gewinnen konnte: Mario Adorf, Angela Winkler, David Bennent, Katharina Thalbach, Daniel Olbrychski, Charles Aznavour … Der fast zweieinhalbstündige Film war direkt erfolgreich: Noch im Erscheinungsjahr 1979 erhielt die Geschichte um den Außenseiter Oskar Matzerath, der als Dreijähriger beschließt, nicht mehr zu wachsen und scharfsinnig das Danziger Kleinbürgertum unter dem NS-Regime beobachtet, wobei ihm seine Blechtrommel Kraft verleiht, die begehrte Goldene Palme der Filmfestspiele von Cannes als bester Film. 1980 folgte der Oscar in der Kategorie Bester fremdsprachiger Film. Damit war Die Blechtrommel der erste deutsche Film, der sich mit dieser Auszeichnung schmücken konnte.Das Parfum – die Geschichte eines Mörders (2006)
1985 eroberte Das Parfum den Buchmarkt – es war der erste und bisher einzige Roman des Autors Patrick Süßkind und changiert zwischen den Genres Entwicklungs-, Bildungs-, und Künstlerroman. Dass auch ein Thriller in dem Werk steckt, zeigt der Untertitel „Die Geschichte eines Mörders”. Die Filmrechte seines vielfach übersetzten Welterfolgs verkaufte der scheue Schriftsteller an den befreundeten Produzenten Bernd Eichinger. Der legte die Regiearbeit in die Hände von Tom Tykwer, wohlbekannt durch seinen Actionthriller Lola rennt (1998). Die Hauptrolle des genialischen Parfumeurgesellen und Serienmörders Jean-Baptiste Grenouille, der wegen seiner obsessiven Suche nach dem perfekten Duft junge Mädchen grausam umbrachte, übernahm der britische Schauspieler Ben Wishaw – Startschuss für seine internationale Leinwand-Karriere. Die Filmkritik mäkelte an der üppig inszenierten Schauergeschichte herum, das Publikum urteilte anders: Schon zwei Jahre nach Entstehung hatten etwa 5,6 Millionen Menschen das Werk gesehen. Damit gehört Das Parfum zu den erfolgreichsten deutschen Filmen in deutschen Kinos.Die Vermessung der Welt (2012)
Der deutsch-österreichische Schriftsteller Daniel Kehlmann hatte schon einige Romane veröffentlicht, als er 2003 mit Die Vermessung der Welt einen, ja, Welterfolg landet. Neun Jahre später brachte Detlev Buck – Regisseur, Produzent, Drehbuchautor und Schauspieler – die Lebensgeschichten des genialen Ausnahme-Mathematikers Carl Friedrich Gauß und des umtriebigen und allseitig interessierten Forschungsreisenden Alexander von Humboldt auf die Leinwand, und zwar in 3D. In einer Mischung aus Fakten und Fiktion folgt der Film dem adligen Naturforscher Humboldt, verkörpert von Albrecht Schuch, in die große weite Welt und steckt mit dem konservativen Wissenschaftler Gauß, gespielt von Florian David Fitz, das überschaubare Areal zwischen Braunschweig und Göttingen ab. Mit der Auszeichnung Österreichischer Filmpreis wurden sowohl das Kostümbild wie das Maskenbild gewürdigt. Daniel Kehlmann hat sich eine Mitwirkung an der Verfilmung seines Romans nicht nehmen lassen: Gemeinsam mit Regisseur Buck verfasste er das Drehbuch. Und er lieh seine Stimme dem Erzähler aus dem Off, der das beschreibt, was nicht gezeigt wird.Die Wand (2012)
Die Wand ist der dritte und gleichzeitig der erfolgreichste Roman der österreichischen Schriftstellerin Marlen Haushofer. Darin berichtet eine Ich-Erzählerin, wie sie Laufe eines Wochenendausflugs mit Verwandten durch eine plötzlich aufgetauchte unsichtbare Wand von jeglicher Zivilisation abgeschnitten wird. Allein mit einem Hund, einer trächtigen Kuh und mehreren Katzen muss sie über die Runden kommen – bis plötzlich ein Mann auftaucht und Kalb und Hund erschießt. Das zivilisations- und patriarchatskritische Werk galt wegen seiner ungewöhnlichen Szenerie lange als nicht verfilmbar. Der österreichische Regisseur Julian Pölsler traute sich dennoch – und benötigte sieben Jahre für die endgültige Fertigstellung des Drehbuchs. Gedreht wurde zwischen Februar 2010 und Januar 2011, ein Jahr später fand auf der Berlinale die Uraufführung statt. Dort gewann der Film den Preis der Ökumenischen Jury. Ihre sehr besondere Hauptrolle bewirkte, dass die deutsche Schauspielerin Martina Gedeck für diverse Filmpreise nominiert wurde. Obwohl nicht als Tierdarsteller ausgebildet, überzeugte der Hund des Regisseurs Pölsler, Luchs von Kyffhäuserbach, in der Rolle des Hundes.Tschick (2016)
2010 veröffentlichte der Schriftsteller Wolfgang Herrndorf seinen Jugendroman Tschick – sofort regnete es dafür Literaturpreise aller Art in Deutschland und anderen Ländern. Die besondere Freundschaft zwischen dem wohlstandsverwahrlosten Maik und dem aus Russland gebürtigen Spätaussiedlerjungen Andrej, genannt Tschick, die auf einem höchst abenteuerlichen Roadtrip mit geklautem Auto von Berlin Richtung Osteuropa ihren Anfang nimmt, weckte direkt das Interesse der Filmwelt. Es dauerte aber einige Zeit, bis der renommierte und oft preisgekrönte Regisseur, Drehbuchautor und Produzent Fatih Akin den Zuschlag bekam – eingetrübt wurde diese Phase auch durch die Krebserkrankung und den Suizid von Wolfgang Herrndorf im Jahr 2013. Gar nicht so leicht war es, jemanden für die Rolle des Tschick zu finden. Man bemühte die mongolische Botschaft, einer der Mitarbeiter zeigte den Casting-Aufruf seinem Sohn – so kam Anand Batbileg Chuluunbatatar zu seiner ersten Filmhauptrolle. Den Part des Maik übernahm Tristan Göbel, der schon ein Rollen-Portfolio hatte. Was Lob und Auszeichnungen anging, stand der Film dem Roman in nichts nach, er hielt sich acht Wochen auf Platz 1 der Arthouse-Charts.Transit (2018)
Als Kommunistin und Jüdin musste die 1900 geborene Schriftstellerin Anna Seghers nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Deutschland um ihr Leben fürchten. Über verschiedene Stationen gelang ihr die Flucht ins Exil nach Mexiko. Dort schrieb sie ihren autobiografisch grundierten Roman Transit, dessen deutsche Ausgabe 1947 erschien. Bis heute gilt Transit als einer der bedeutendsten Exilromane – und war als Filmstoff mehrmals begehrt. Zuletzt hat sich der vielfach ausgezeichnete Regisseur und Drehbuchautor Christian Petzold der Geschichte angenommen. Sie erzählt von dem Deutschen Georg, der während des Zweiten Weltkriegs vor den Nazis nach Frankreich flieht, unverhofft an Transitvisa gerät, sich in Marie, die Frau eines verstorbenen Schriftstellers verliebt, aber trotz Ausreisemöglichkeit in der Hafenstadt Marseille verbleibt. Petzold hatte sich entschieden, seine an Anna Seghers lediglich orientierte Version in die Gegenwart zu verlegen – auch weil er fand, dass die Situation europäischer Exilsuchender in den 1940er-Jahren derjenigen ähnelte, die sich heute zur Flucht gezwungen sehen. Zum ersten Mal arbeitete der Regisseur mit Franz Rogowski (Georg) und Paula Beer (Marie) zusammen – es sollte nicht das letzte Mal gewesen sein.22 Bahnen (2025)
Drei Monate nur benötigte Caroline Wahl, um ihr Romandebüt 22 Bahnen zu verfassen. Mit ebensolcher Schnelligkeit ging die 2023 veröffentlichte Geschichte um die Mathematikstudentin Tilda, die sich um ihre jüngere Halbschwester kümmern muss, weil die Mutter alkoholkrank ist und der Vater die Familie verlassen hat, verkaufstechnisch durch die Decke. Bis heute steht das Buch auf der Spiegel-Bestsellerliste, ihm wurden diverse Preise zuerkannt. Die Autorin selbst sorgt durch mediale Präsenz dafür, dass sie und ihre Werke stetig im Gespräch sind – da war die filmische Umsetzung der gefühlvollen Erzählung über zwei Kleinstadt-Mädchen, die ob ihres prekären Alltags und der gefährlich kranken Mutter Trost im Bahnenschwimmen suchen und finden, quasi vorprogrammiert. Die Regisseurin Mia Maariel Meyer machte sich zunächst mit Dokumentarfilmen und Reportagen einen Namen, bevor sie 2015 ihr Spielfilmdebüt Treppe aufwärts präsentierte. Für die Verfilmung des Wahl-Bestsellers konnte sie die Schweizer Schauspielerin Luna Wedler gewinnen. Die Filmkritik ist sich einig, dass sie die ältere Schwester Tilda ganz herausragend verkörpert.September 2025