Die Wünsche von Kindern erfüllen, deren Familien kaum Geld für Geschenke haben: Das ist der Sinn des Spendenbaums der Gemeinde Haar. Zur Weihnachtszeit, der Zeit des Gebens, macht er neben den Beschenkten auch die Schenkenden glücklich. Sina Bahr war mit dabei.
Als im Rathaus Haar, einer Gemeinde im Landkreis München, eine Tanne aufgestellt und festlich geschmückt wird, ist es gerade mal Mitte November. Zu früh für einen Weihnachtsbaum? Hier nicht. Denn neben Kugeln und Lichterketten hängen an diesem Baum rote, eingerollte Zettel, auf denen Geschenkwünsche von Kindern stehen. Diese Wünsche werden von Bürger*innen der Gemeinde Haar vom Baum gepflückt und anschließend erfüllt.
Was wohl auf diesem Zettel steht? Nur wer einen Wunsch erfüllen will, darf ihn pflücken und öffnen. | Foto © Sina Bahr
Der Spendenbaum in Haar: Gutes tun zur Weihnachtszeit
Darum ist Anke Sitter in diesem Jahr besonders früh dran. Schon am ersten Tag der Aktion betritt sie das Rathausfoyer und hat Glück: Der Baum ist noch voller Papierröllchen. Die Nachbarschaftshilfe für Senior*innen organisiere eine ähnliche Aktion, erzählt sie. Daran nehme sie jedes Jahr Teil. „Ich möchte beides machen, weil ich finde, sowohl Senioren als auch Kinder haben ein schönes Geschenk zu Weihnachten verdient.“
Ihre Freude ist groß: Zum ersten Mal schafft es Anke Sitter rechtzeitig ins Rathaus, bevor alle Wunschzettel weg sind. | Foto © Sina Bahr
Wie die Kinderwünsche zur Gemeinde gelangen, erklärt Claudia Bitzer. Das Sozialamt schreibt Haarer Familien an, die Sozialleistungen beziehen und somit berechtigt sind, an der Aktion teilzunehmen. Ihre Kinder dürfen einen Wunschzettel ausfüllen und im Rathaus abgeben. „Es wurden 180 Familien angeschrieben, das sind ungefähr 360 berechtigte Kinder“, sagt Bitzer. Fast 200 Zettel kamen zurück.
Kinderwünsche aller Art
Einen dieser Zettel darf Anke Sitter nun öffnen – und erfährt neben dem Geschenkwunsch auch Alter und Geschlecht. „Wie schön, ein Mädchen!“, freut sie sich. Da sie selbst vier Söhne hat, hat sie insgeheim gehofft, dieses Jahr ein Mädchen beschenken zu dürfen. Der Wunsch der Elfjährigen: drei Bücher der Manga-Serie „Demon Slayer“.
Die Kinder schreiben nicht nur ihre Weihnachtswünsche auf den Zettel, auch Alter und Ge-schlecht werden angegeben. | Foto © Sina Bahr
Die Manga-Bücher von Anke Sitters Zettel sind kein Problem. Einen Buchwunsch findet Sitter sogar besonders schön. Das Geschenk kann sie nämlich direkt im Haarer Buchladen besorgen. Lokale Geschäfte, sagt sie, gelte es zu unterstützen. Seit 2006 lebt sie in der Gemeinde und sei „Haarerin durch und durch“. Beim Betreten des kleinen Buchladens grüßt sie die Mitarbeitenden mit einem breiten Lächeln. Und noch glücklicher ist sie, als sie kurz darauf die drei Bücher in den Händen hält. Wie sie die verpacken wird, weiß sie schon genau. „Ich werde hübsches, rosa Weihnachtspapier kaufen und ein paar Zuckerstangen und einen Tannenzweig dranmachen.“

Anke Sitter freut sich, dass sie ihren Geschenkkauf direkt in der lokalen Buchhandlung erledigen kann. | Foto © Sina Bahr
„Ich möchte gerne Freude schenken“
Wie das Mädchen auf ihr Geschenk reagiert, wird Sitter nicht miterleben. Denn zur Bescherung sind nur die Familien ins Rathausfoyer eingeladen. „Ein Nachmittag im Dezember, es ist dunkel, die Lichter am Christbaum brennen, es läuft Musik und dann liegen da über hundert Geschenke, schön verpackt – das hat schon was“, sagt Bitzer. Sie erzählt von „strahlenden Kinderaugen“ und dass manche Kinder sogar Süßigkeiten oder gebastelte Karten zum Dank mitbrächten. Viele Familien würden anschließend noch eine Weile im Rathaus bleiben, sich unterhalten und den Nachmittag ausklingen lassen.Dass Anke Sitter nicht dabei sein kann, stört sie nicht. Sie hat nur ein Anliegen: „Ich möchte gerne Freude schenken.“ Sie könne sich vorstellen, wie groß die Enttäuschung ist, wenn Kinder zu Weihnachten nicht das bekommen, was sie sich wünschen, während sie bei Freund*innen und im Fernsehen ständig große Stapel an Geschenken sehen. Einen Teil dazu beizutragen, dass auch diesen Kindern ihre Herzenswünsche erfüllt werden, so Sitter, „ist für mich das Schönste, was man machen kann.“

Und was wünscht sich Anke Sitter zu Weihnachten? Nichts, sagt sie, außer einer schönen Zeit mit ihrer Familie. | Foto © Sina Bahr
Dezember 2024