Ausgesprochen ... integriert  Ehetipps für ein deutsch-türkisches Abkommen

Gastarbeiter aus der Türkei sitzen nach ihrer Schicht auf einer Bank auf dem Gelände der Zeche Neu-Monopol in Bergkamen im Kreis Unna.
Gastarbeiter aus der Türkei sitzen nach ihrer Schicht auf einer Bank auf dem Gelände der Zeche Neu-Monopol in Bergkamen im Kreis Unna. Aufnahmedatum: 30.11.1999 Foto (Detail): picture-alliance / dpa | Schulte

Deutschland ist ein Einwanderungsland und das seit mehr als 60 Jahren. Unsere neue Kolumnistin Sineb El Masrar fragt sich anlässlich des 60. Jahrestags zum Anwerbeabkommen, wie sich die Beziehungen zwischen Deutschen, Türken und Deutsch‑Türken so entwickelt haben.
 

Nach Corona ist vor dem deutsch‑türkischen Anwerbeabkommen. Kurz: Es ist mal wieder Jubiläumszeit. Dieser besondere Vertrag jährt sich aktuell zum 60. Mal. Würde es sich um eine Eheschließung handeln, würden beide Seiten aktuell Diamanthochzeit feiern. Wenn wir bedenken, wie viele Deutsche und Türken gemeinsam tief in irgendwelchen dunklen, verstaubten Kohleschächten malocht haben und wie vielem Druck diese Beziehung seit mehr als einem halben Jahrhundert ausgesetzt ist, trifft es das Bild von „Unter Druck entstehen Diamanten“ meines Erachtens ganz gut. Denn auch wenn wir hierzulande dazu neigen, nur die Schattenseiten dieser Beziehung zu sehen, gibt es auf privater, wirtschaftlicher und kultureller Ebene einiges zu entdecken. Als Optimistin gehe ich gern auf Schatzsuche. Versuchen Sie das auch mal.

Ich bin ein großer Fan dieser Anwerbeabkommen und plädierte bereits 2010 nicht ohne Grund dafür, diese Beschlüsse zu feiern. Wir kämen aus dem fröhlichen Feiern gar nicht mehr heraus, denn es stehen bereits die nächsten Jubiläen vor der Tür. 2023 könnte das zum Beispiel eine deutsch‑marokkanisch‑koreanische Fete werden. Wie diese wohl aussehen könnte? Welches europäische Land hat diese Kombination schon zu bieten? 2024 wird es dann wieder bi‑kulturell, nämlich deutsch‑portugiesisch. 2025 gedenken wir der deutsch-tunesischen Beziehungen vielleicht mit einem Weißwurst‑Harissa‑Wettessen? Freiwillige also vor! Und 2028 tanzen wir ganz klischeehaft zum Balkan‑Pop, denn auch mit dem ehemaligen Jugoslawien wurde ein Anwerbeabkommen geschlossen. Und bevor sich unsere europäischen Nachbarn aus Italien, Spanien und Griechenland vor den Kopf gestoßen fühlen: Natürlich stoßen wir mit Ouzo an, tanzen den Flamenco und essen Pasta und Pizza, bis wir aus den Nähten platzen.

Geheimtipps für eine Erfolgsgeschichte

Um im Ehebild zu bleiben, ist festzustellen, dass Deutschland ziemlich polygam unterwegs war unter Kanzler Adenauer. Schließlich waren es die biederen 1950er‑Jahre, als Deutschland mit dem katholischen Italien vor den Anwerbealtar trat. Die beiden Turteltauben feiern in vier Jahren Gnadenhochzeit mit all ihren Enkelkindern, die hierzulande und in Italien leben oder pendeln. Wer sich also fragt, was das Geheimrezept lang anhaltender Ehen ist, außer natürlich vor dem Partner das Zeitliche zu segnen, könnte vielleicht auf die Idee kommen, beim Partner nicht so genau hinzusehen, wenn nebenbei mit anderen geschmust wird. Aber da beim Thema Polyamorie die Meinungen sehr weit auseinandergehen, zitiere ich lieber fix den „alten Fritz“ (König Friedrich II. von Preußen): Soll jeder nach seiner Façon glücklich werden!

Dass ich die deutsche Einwanderungsgeschichte als Erfolgsgeschichte betrachte, hat maßgeblich damit zu tun, dass ich die Erfolge mehr gewichte. Sie zeigen die motivierenden Seiten dieser Migrationsbewegungen. Aber dies soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass es Missstände gibt. Diese haben viel mit Kränkung, Überforderung und Missachtung zu tun, denen vor allem die Kinder von Einwander*innen und Geflüchteten ausgesetzt waren und teilweise heute noch sind. Hinzu kommen all die seelischen Narben, die ihnen durch ihre eigenen Familien zugefügt worden sind. Um die Wunden heilen zu lassen, müssen wir reden und einander zuhören. Es eint uns mehr als uns trennt und wenn wir das begriffen haben, können wir auch ausgelassen miteinander feiern!  
 

„Ausgesprochen …“

In unserer Kolumnenreihe „Ausgesprochen …“ schreiben im wöchentlichen Wechsel Sineb El Masrar, Susi Bumms, Maximilian Buddenbohm und Margarita Tsomou. Sineb El Masrar schreibt über Einwanderung und die Multi‑Kulti‑Gesellschaft in Deutschland: Was fällt ihr auf, was ist fremd, wo ergeben sich interessante Einsichten?