Ausgesprochen ... integriert  Was geht, Bello?

Was geht, Bello?
Was geht, Bello? © mauritius images / Westend61 / Ekaterina Yakunina

Heute geht es hier um Hunde. Um kleine, flauschige, süße und um große, schwere, laute. Sineb El Masrar schreibt auf, was sie von ihnen hält, und erklärt, warum viele muslimische Einwandererfamilien keine eigenen Haustiere haben.

„Hilfe bäh!“
„Ah, geh weg!“
„Ohhhh nein!“
Diese und andere hilflose Ausrufe gepaart mit nervös in der Luft herumwedelnden Händen und dabei rasch die Straßen- oder Raumseite wechseln, sind regelmäßig auftretende Reaktionen von Freunden, Bekannten oder Fremden beim Erblicken von lebendigen Haustieren. Allen voran Hunden. Sie führen die Rangliste der Haustiere, gefolgt von Katzen, die nervöse Handlungen provozieren. Egal ob klein, flauschig und süß oder groß, schwer und laut. Zusammengezogene Oberkörper und zerknirschte Gesichter habe ich in fast allen Lebenslagen schon erlebt. Besonders auffällig war das lange bei Menschen, die frisch nach Deutschland eingewandert sind oder in der zweiten Generation hier leben. Besonders, wenn das Herkunftsland den mehrheitlich muslimischen Teil der Welt betrifft. Hierzulande sind das Menschen aus der Türkei, dem Nahen Osten, Maghreb oder Indonesien.

Die ängstlichen Reaktionen fallen besonders intensiv bei Hunden aus. Der tägliche Gang auf die Straße mutiert für einige zum Spießrutenlauf. Dabei unterscheiden sich die Reaktionen und ihr Hintergrund im Haus oder auf der Straße durchaus. Auf der Straße hat es mit negativen Erfahrungen zu tun. Wie zum Beispiel ein Angriff. Ich selbst wurde als Kleinkind von dem Jagdhund unseres Nachbarn angesprungen, der größer war als ich. Der Hund einer Freundin war ebenfalls groß und hatte neben Mundgeruch vor allem eine sehr verspielte Art an sich, was dazu führte, dass er immer durch meine Beine huschte und mich dabei ein Stück mitgerissen hat. Haustiere waren Teil meines Umfelds.

Ich selbst besaß keine Haustiere. So ging es vielen der ersten muslimischen Einwandererfamilien. Einige wenige besaßen eine Katze, aber die Regel war es nicht. Von einem Hund ganz zu Schweigen. Das hat vor allem religiöse Gründe. Katzen sind im Haus erlaubt, Hunde sind im Haus hingegen aus hygienischen Gründen verboten. Wer weiß, wie oft Mensch am Tag mit einer Fusselrolle Katzenfell abrollt, muss sich über diese Argumentation schon arg wundern. Aber das tut man bei so manchen religiösen Argumenten. Das Reinheitsargument bezieht sich auf das Gebet, welches Muslime daheim verrichten.

Hunde sind also nicht per se verboten. Wer ein Haus mit Garten hat oder einen Hof mit Hundehütte, wird nicht davon abgehalten. Sowohl in den muslimischen Herkunftsländern als auch hierzulande haben sich einige über die hinkende Argumentation Gedanken gemacht und hierfür auch Lösungen gefunden. Wie zum Beispiel einen separaten Raum hundefrei zu halten. Die Gebetsstelle sauber zu halten, ist in diesen Zeiten kein Problem, auch ohne Haus mit Garten.

Die erwachsene zweite und dritte muslimische Einwanderungsgeneration hat derweil weniger ein Problem mit Haustieren und läuft selbstbewusst mit ihrem Hund durch die Straße. Selbst so manche ältere Dame mit Kopftuch erblickt man heute mit Hund, und eine neue Normalität findet Einzug in den Tierliebealltag. Denn selbst wenn die Hunde groß und das Gebell laut ist, meist wollen sie nur spielen. Also zur Abwechslung weniger „Bäh! Hilfe! Geh weg!“ und mehr „Hallo Du! Was geht, Bello?“

 

„AUSGESPROCHEN …“

In unserer Kolumnenreihe „Ausgesprochen …“ schreiben im Wechsel Sineb El Masrar, Susi Bumms und Maximilian Buddenbohm. El Masrar schreibt über Einwanderung und die Multi‑Kulti‑Gesellschaft in Deutschland: Was fällt ihr auf, was ist fremd, wo ergeben sich interessante Einsichten?