Survival-Kit Studium  „Ich habe mich während meines Studiums politisiert”

Johanna vor Dschungelhintergrund - Collage
Johanna studierte Theater und Medien an der Universität Bayreuth Foto (Detail): © Privat

Johanna studierte Theater und Medien an der Universität Bayreuth. In unserem Survival-Kit-Studium erzählt sie, wann sie beinahe ihr Studium abgebrochen hätte und wie das Studium ihr geholfen hat, einen Zugang zu vielen gesellschaftlichen und politischen Themen zu finden.

Informationen

Name: Johanna
Alter: 23
Studiengang: Theater und Medien im Hauptfach, Anglistik im Nebenfach (Bachelor)
Universität: Universität Bayreuth

Das größte Klischee über Deinen Studiengang – und was davon gestimmt hat?

Ein Klischee über meinen Studiengang ist, dass wir als Gruppe wie ein eigener kleiner Kosmos funktionieren und viel zusammen unternehmen. Oder dass wir sehr künstlerisch und kreativ sind. Das stimmt auf jeden Fall. In dem Studiengang gibt es nicht nur viele kreative Köpfe, die Student*innen beschäftigen sich mit alternativen Lebensformen und sind vielleicht etwas offener. Viele sind queer, setzen sich mit ihrem Körper auseinander – und haben vielleicht nicht so ein großes Problem mit Nacktheit. Letztes Semester wurde zum Beispiel ein acht Stunden langes Stück produziert, in dem es hauptsächlich darum ging, ob Nacktheit in den Theaterraum gebracht werden kann.

Wie sieht Dein Alltag aus?

Bei mir war das sehr unterschiedlich. Im ersten Semester hatte ich viel zu tun, aber jeder Tag war anders. Manchmal ging es erst um 14 Uhr los, manchmal war ich aber von 9 bis 21 Uhr an der Uni. In den höheren Semestern ist das allerdings weniger geworden, weil ich nicht mehr so viele Veranstaltungen hatte. Dafür habe ich mehr nachbereiten müssen – manchmal auch an den Wochenenden. In den Semesterferien war ich vor allem mit Hausarbeiten beschäftigt. Es war sehr zeitintensiv, unter Anderem da praktische Arbeiten häufig länger dauerten als gedacht. Dafür hat vieles Spaß gemacht.

Auf was hättest Du nicht verzichten können?

Die praktische Arbeit. Ich glaube, ohne die hätte ich das Studium abgebrochen. Das liegt nicht daran, dass die theoretischen Inhalte mich nicht interessierten. Die ersten beiden Semester waren schwer für mich. Ich musste mich erst in der Uni zurechtfinden, meine Fächer verstehen, Hausarbeiten schreiben und war unzufrieden mit meinen Seminaren. Doch im dritten Semester kam der Praxisanteil hinzu. Dadurch konnte ich mit vielen Leuten aus meinem Studiengang in Kontakt treten. Das war sehr wichtig für mich und hat vieles einfacher gemacht, da ich dann Kurse mit anderen gemeinsam belegen konnte. Außerdem war es total gut, einen Ausgleich zur theoretischen Arbeit zu haben.

Was hat Dich am meisten geärgert?

Manchmal hätte ich mir gewünscht, die Organisation im Studiengang wäre ein bisschen durchdachter gewesen. Ich hatte teilweise drei Klausuren an einem Tag, das war einfach sehr viel. Mich hat geärgert, dass die Professor*innen teilweise lange gebraucht haben, um Klausuren zu korrigieren, dass ich so viele Hausarbeiten schreiben musste, auch wenn das gute Übung war, und dass ich vorher gar keinen Überblick darüber hatte, welche Schwerpunkte innerhalb des Studiengangs anderen Universitäten setzen. Das habe ich erst nach und nach während des Studiums herausgefunden. Diese Informationen hätte ich gerne früher gehabt.

Meine Bachelorarbeit war eine feministische Analyse des Songs „WAP” von Cardi B und Megan Thee Stallion.

Was war oft Deine Rettung?

Meine Freund*innen. Viele von ihnen wohnen außerhalb von Bayreuth und die Möglichkeit zu haben, übers Wochenende zu ihnen zu fahren und etwas räumlichen Abstand zur Uni zu haben, war gut. Bayreuth ist gleichzeitig meine Heimatstadt und manchmal rauszukommen, war ziemlich hilfreich. Andererseits tat es gut, mal einen Abend im Bett zu liegen, mein Handy auszumachen und eine Serie zu schauen, oder auch einfach rauszugehen.

Was hast Du am letzten Tag des Monats gegessen, wann war Sparen angesagt?

Da ich aus Bayreuth komme, bin ich zum Studieren wieder zu meinen Eltern gezogen. Ich hatte durch meine Eltern das große Privileg, keine Geldsorgen zu haben, auch weil das Studium und die Stadt nicht so teuer sind. Andere Ausgaben habe ich über mein Gehalt, das ich als studentische Hilfskraft verdient habe, ausgeglichen.

Welche Frage hörst Du auf Familienfeiern jedes Mal?

Die Frage: „Was machst du danach?” Ich hatte nicht das Gefühl, es ging da um einen späteren Beruf, sondern häufiger um einen anschließenden Masterstudiengang, weil viele davon ausgehen, dass man mit so einem Abschluss keine Arbeit finden kann und die Erwartung haben, dass man auf jeden Fall einen Master machen müsste. Auch junge Leute fragen mich das oft.

Auf was bist du stolz?

Ich bin stolz auf meine persönliche Weiterentwicklung. Ich fühle mich sicherer, wenn ich diskutiere und habe das Gefühl, ich kann fundierte Antworten geben. Ich habe einen Zugang zu vielen gesellschaftlichen und sozialen Themen gefunden und kann mich viel besser dazu äußern. Ich bin stolz darauf, mich während des Studiums politisiert zu haben. Ansonsten bin ich auch stolz auf meine Bachelor-Arbeit, eine feministische Analyse des Songs „WAP” von Cardi B und Megan Thee Stallion. Das war echt viel Arbeit und ich bin sehr glücklich mit dem Ergebnis.

Was war der teuerste Preis für eine gute Note?

Stress. Dass ich wenig oder schlecht geschlafen habe. Zur Zeit meines Abschlussprojekts bin ich teilweise um halb fünf aufgewacht und konnte nicht mehr einschlafen. Da war das Gefühl: Wie soll ich das überhaupt schaffen? Ich war häufig überfordert, ausgelaugt und müde. Ein Preis war wohl außerdem, dass ich vieles von dem, was ich gelernt habe, schon wieder vergessen habe, weil ich so viel nur kurzfristig auswendig gelernt habe.

Uni heißt auch: Lernen fürs Leben. Was hat dir dein Studienfach für deinen weiteren Weg mitgegeben?

Einen besseren Zugang zu politischen Themen und eine Festigung meiner politischen Einstellung. Außerdem die Einsicht, dass ich viele Sachen kann, die mich anfangs überfordert haben. Zum Beispiel habe ich gedacht, dass ich wissenschaftliches Schreiben nicht kann – jetzt beherrsche ich es. Ich habe viele tolle Menschen kennengelernt und die Motivation bekommen, mich mit Themen auseinanderzusetzen, die neu für mich sind. Ich fange jetzt meinen Master in Gender Studies und Medienwissenschaft in Bochum an und hätte früher nie gedacht, dass mich Medienwissenschaft so interessiert. Und zuletzt habe ich gemerkt, dass ich dringend wo anders hinziehen möchte.
 

Suvival-Kit Studium

Wo in Deutschland kann man gut studieren? Wie lässt es sich als Student*in gut leben? Und wie übersteht man die erste Fachschaftsparty und die Fragen auf Familienfeiern?
Studierende unterschiedlicher Fachrichtungen erzählen von ihren Erlebnissen an den Unis in Deutschland, ihrem Alltag – und was sie manchmal zur Verzweiflung bringt.