Ist Deutschland auf Hitze vorbereitet? Jein. Wie Städte Pläne gegen Hitze schmieden – und mit unterschiedlichsten Bedingungen konfrontiert werden. Ein Blick nach Stuttgart, Essen, Kassel und Leipzig.
Der Boden glüht, die Luft flirrt über dem Asphalt, der Schweiß klebt im Nacken. Eine Siesta hinter verdunkelten Fenstern wäre eine gute Idee – oder ein Sprung ins kühle Nass. Nur kein Spaziergang durch die Innenstadt, wo Schattenplätze so rar sind wie Oasen in der Wüste. Während unsere Großeltern für Temperaturen über 30 Grad in den Süden Europas reisen mussten, können wir heute getrost zu Hause bleiben. Denn durch den Klimawandel ist Hitze in Deutschland auf dem Vormarsch.Laut einem Bericht der World Weather Attribution gab es in Deutschland zwischen Mai 2024 und Mai 2025 50 Hitzetage – 24 davon lassen sich dem Klimawandel zuschreiben. Und Hitze hat Konsequenzen: Menschen werden gereizter, häusliche Gewalt nimmt zu, Konzentration nimmt ab. Für ältere Menschen, Kranke und Kinder kann Hitze zudem lebensgefährlich sein. Etwa 3.000 Menschen starben 2024 laut einer Studie des Umweltbundesamtes in Deutschland infolge hoher Temperaturen.
Besonders stark von Hitze betroffen sind Städte. Grund dafür sind urbane Hitzeinseln, die die Lufttemperatur im Vergleich zu umliegenden ländlichen Regionen um mehr als 5 °C erhöhen können. Die Ursachen sind vielfältig. So speichern beispielsweise Asphalt und Beton tagsüber Wärme und geben sie nachts an die Umgebung ab. Zudem haben Städte oft weniger Grünflächen, die Sonnenstrahlen aufnehmen können.
In Deutschland leben 71 Prozent der Menschen in Städten. Und obwohl Hitzeinseln überall zum Problem werden können, müssen die Städte mit ganz unterschiedlichen Gegebenheiten zurechtkommen. Die Beispiele Stuttgart, Essen, Kassel und Leipzig zeigen, wie geografische Unterschiede und die Nachwirkungen deutscher Geschichte uns aufheizen – und runterkühlen können.
Stuttgart – Die Kessellage
Die baden-württembergische Landeshauptstadt muss also gegensteuern – und versucht dies auch. Bereits im Jahr 1997 verabschiedete der Gemeinderat ein Klimaschutzkonzept. Im Laufe der Jahre kamen Pläne rund um Hitzeschutz dazu, etwa Maßnahmen der Entsiegelung: Beton und Asphalt sollen entfernt und durch Grünflächen ersetzt werden. Eine Analyse von Correctiv besagt, dass von 2018 bis 2024 ein Quadratkilometer Grünfläche in Stuttgart hinzukommen ist, allerdings wurde auch ein Quadratkilometer neu versiegelt. Im Vergleich zu den Städten Leipzig (+6 Quadratkilometer Versiegelung) und Hamburg (+14 Quadratkilometer Versiegelung) ist das eine recht gute Bilanz. Vor allem in der stark bebauten Innenstadt Stuttgarts wurde entsiegelt, versiegelt hat man dagegen eher in den wohlhabenderen Außenbezirken.
Studienergebnisse aus US-amerikanischen Städten zeigen andere Verhältnisse: Arme Menschen leben dort tendenziell in stark bebauten und versiegelten Vierteln ohne Grün, während in wohlhabenderen Quartieren eher Grünflächen vorhanden sind. Stuttgart, eine Stadt, die oft mit Industrie und Autos in Verbindung gebracht wird, überrascht also.
Essen – Soziale Ungleichheit
Den Essener Norden schmückt allerdings das Leuchtturmprojekt „Grüne Mitte“ – ein modernes Viertel, errichtet auf einem ehemaligen Güterbahnhof. Aus dem gigantischen Bahnhofsareal entstand ein locker bebautes Quartier mit Gründächern, einem vier Hektar großen Park und langen Wasserbecken, die fast ganzjährig mit Regenwasser gefüllt werden. Diese „blaue“ Infrastruktur ist besonders wertvoll. So sind Grünflächen bis zu 0,94 Grad kühler als die umliegenden städtischen Flächen, Gewässer haben sogar ein Kühlungspotenzial von 2,5 Grad.
Allerdings ist es nicht immer einfach, Bäume zu pflanzen oder Gewässer anzulegen. Auf Freiflächen konkurrieren neue Grünanlagen mit Wohnraum und Gewerbegebieten. In dicht bebauten Vierteln können aufgrund von Kabeln, Straßen und Abwasserrohren oft keine Bäume gepflanzt werden. Und: Um Orte messbar zu kühlen, reicht es nicht, einzelne Fassaden zu bepflanzen; es braucht einen flächendeckenden Plan. Laut der Stadt Essen soll dies der „Masterplan Stadtgrün“ leisten. Es bleibt spannend, wie sich Essen in den nächsten Jahren entwickelt.
Kassel – Die autogerechte Stadt
Man entschied sich für Letzteres und machte aus Kassel eine „autogerechte Stadt“: Verkehrsplaner sicherten den Autofahrern ein freies Fahrterlebnis und schleusten Fußgänger*innen an Kreuzungen durch Unterführungen. Dafür sollte es Fußgängerzonen und ausgewiesene Grünflächen geben. Die Idee war, Wohnen, Arbeiten, Erholen und Verkehr „funktionsgetrennt“ zu separieren.
Diese Pläne aus der Nachkriegszeit prägen die Stadt bis heute. Breite Straßenschneisen verursachen Lärm und Luftverschmutzung und begünstigen durch Bodenversiegelung die Entstehung von Hitzeinseln. Und obwohl es in Kassel viele Gärten und Parks gibt, sind diese nicht gleichmäßig verteilt. In manchen Vierteln sind Erholungsräume im Grünen rar. Die Stadt hat diesen Zustand erkannt, und versucht mit der Initiative „Smart City Kassel“ gegenzusteuern. Im Rahmen des Projekts „Hausbäume für Kassel“ werden zudem klimaangepasste Baumarten verschenkt.
Ob sich das „autogerechte“ Kassel jedoch schnell in eine klimagerechte Stadt wandeln lässt, bleibt abzuwarten.
Leipzig – Die wachsende Stadt
Ein sich immer wieder zeigendes Problem: Eine Stadt wird als grün beschrieben, dennoch heizt sie sich im Sommer auf. Ähnlich wie in Kassel sind auch in Leipzig große Parks vorhanden. Die Bäume und Grünflächen sind allerdings zu konzentriert, um sich positiv auf alle Viertel auszuwirken. Aus dem Grund ist bei den meisten Statistiken auch eine genauere Betrachtung der Gegebenheiten wichtig.
So ist Leipzig seit vielen Jahren eine der am stärksten wachsenden Städte Deutschlands. Firmen siedeln sich an, Menschen ziehen zu, dadurch entsteht Bedarf an weiteren Wohngebieten und Gewerbeflächen. Die Hitzeanpassung wird so zur Herausforderung, da Grünflächen mit neuen Bauprojekten konkurrieren. Laut Correctiv stieg der Anteil betonierter und asphaltierter Flächen in Leipzig im Zeitraum zwischen 2018 und 2024 um sechs Quadratkilometer.
Und was macht Leipzig? Ein vom Stadtrat beschlossener Hitzeaktionsplan sieht unter anderem eine App zur Warnung vor Hitze, Informationskampagnen zum richtigen Verhalten bei Hitze, den Ausbau des öffentlichen Trinkwasserangebots sowie eine Karte mit eingezeichneten kühlen Orten vor. Außerdem soll eine Strategie mit dem Ziel einer Netto-Null-Versiegelung bis 2030 entwickelt werden. Das bedeutet, dass so viel entsiegelt wie versiegelt werden soll.
Aktuell ist Leipzig von einer Netto-Null-Versiegelung allerdings noch weit entfernt. Dazu kommt, dass die Stadt Prognosen zufolge weiterwachsen soll. In Zeiten der Klimaerhitzung: eine Herausforderung.
Juni 2025