Ausgesprochen...bildlich  Giftige Wolke

Nach langer Pause kommen diesen Sommer die Festivals zurück. An den überwiegend männlich besetzten Line-Ups hat sich allerdings immer noch nicht viel getan. Für Susi Bumms schwebt über diesen männlich dominierten Bühnen eine metaphorische Giftwolke.
 

Eine beliebte Freizeitbeschäftigung im Sommer ist der Besuch eines Musikfestivals. Eine weitere Freizeitbeschäftigung, die in diesem Rahmen weniger Spaß macht, ist das Zählen, welche Geschlechter da eigentlich auf den Bühnen und hinter den Instrumenten stehen.

Das ist nicht neu. Während aus Vinyls CDs wurden, aus CDs Downloadcodes und aus Downloadcodes Streamingplattformen ist eines gleich geblieben: hinter den Instrumenten und Mikrofonen steht vorrangig eine Geschlechtergruppe.

Vor 15 Jahren war ich das erste Mal in einer Band und mir wurde gesagt, dass sich das mit den wenigen Frauen an den Instrumenten ja gerade ändere. Das wird heute immer noch gesagt.
Ein ikonischer Moment, an den ich manchmal denke, ist dieser hier:

Der Tamponwurf | Illustration: © Susi Bumms Es ist 1992, Donita Sparks, Sängerin der all-female Grunge Band L7 wirft, wütend über die nicht funktionierende Technik, einen benutzten Tampon von der Bühne des Reading Festivals in England.

Ikonisch und vor allem: verdammt lange her.

Wie kann es sein, dass, obwohl Frauen und non-binäre Personen in der Vergangenheit so mutig waren, nicht zu gefallen und sich so viel Raum genommen haben, dieser heute dennoch zu klein ist?

Gatekeeper zum Stairway | Illustration: © Susi Bumms In Zahlen bedeutet das: Musikerinnen haben 2021 laut Künstlersozialkasse rund 21% weniger verdient als Musiker.

Wir können jetzt nicht 500 weitere Tamponwürfe abwarten, bis Musikerinnen und non-binäre Personen an prominenter Stelle headlinen. Und das müssen wir hoffentlich auch nicht: Feminismus muss auch ohne involvierte Vagina gehen.

Giftige Wolke | Illustration: © Susi Bumms Über Festivals, auf denen fast nur (cis)-Männer auf den Bühnen stehen, schwebt für mich eine diffuse giftige Wolke, die die Freude trübt. Während man Spaß hat, die Musik mag, weiß man: auf dem Weg in das Line-Up gibt es eine strukturelle Benachteiligung. Auf diese Wolke weisen wir hin, bis sie von allen gesehen wird. Deswegen zählt man die Geschlechter und deswegen schreibe ich diese Kolumne.
 

Juni 2022