Gesunde Ernährung  Über den Tellerrand schauen

Ernährungsberaterin Anetta Vaculíková, Leiterin des Programms Skutočne zdravá škola (Wirklich gesunde Schule)
Ernährungsberaterin Anetta Vaculíková, Leiterin des Programms Skutočne zdravá škola (Wirklich gesunde Schule) Foto: © Gabriela Teplická

Ob wir nun Tiere oder Tierprodukte essen wollen oder nicht: Es ist gut zu wissen, woher unsere Lebensmittel stammen und welche Auswirkungen ihre Produktion auf unsere Umwelt und ihr Verzehr auf unsere Gesundheit haben. Eine nachhaltige Ernährung muss gar nicht teuer sein.

Hängt die Klimakrise mit unserem Appetit auf Schnitzel zusammen? Natürlich! Es mag auf den ersten Blick nicht so offensichtlich erscheinen, aber auch das, was wir essen, hat einen großen Einfluss auf die Erwärmung des Planeten. Und so ist die Sorge um den Klimawandel immer häufiger einer der Gründe, warum sich umweltbewusste junge Menschen dafür entscheiden, vegetarisch oder vegan zu leben.

Andere Gründe sind die eigene Gesundheit, ihre Liebe zu Tieren oder ethische Prinzipien. „Ich war schon während meiner Schulzeit in den 1990er Jahren Vegetarierin. Ich hielt das damals zwei Jahre durch und es war eine Art Rebellion gegen meine Eltern. Außerdem habe ich Tiere schon immer geliebt und es erschien mir unethisch, sie zu essen. Während des Studiums traten meine Ideale etwas in den Hintergrund und ich begann, wieder Fleisch zu essen. Nach mehr als 25 Jahren ernähre ich mich jetzt wieder vegetarisch, jedoch aus anderen Gründen. Heute ist es aber viel einfacher", sagt die Analystin Jana Bednárová und betont, dass Vegetarier heute viel mehr Möglichkeiten hätten, sich gesund zu ernähren.

Rücksichtsloser Handel

František Cimerman isst seit einigen Jahren kein Fleisch mehr. Da er im Zentrum für Umwelt- und Ethikbildung Živica arbeitet, sind seine Gründe dafür vielschichtig, sowohl ökologisch, als auch ethisch. „Was mich stört, ist die rücksichtslose, kommerzielle Art der Fleischproduktion und die massiven ökologischen Auswirkungen dieser Produktion, die ich als nicht nachhaltig empfinde. Um es kurz zu machen: Ich persönlich glaube nicht, dass Fleisch essen schlecht oder gesundheitsschädlich ist, schlecht ist aber die Art und Weise, wie wir es beziehen und wie viel wir in einer hochentwickelten Gesellschaft davon essen“, erklärt František.

Tatsächlich war Fleisch auf dem Teller noch vor wenigen Jahrzehnten eher die Ausnahme. Viele von uns kennen das zum Beispiel auch aus alten Filmen, in denen das Schnitzelklopfen eine typische Sonntagsangelegenheit war und ein Beweis dafür, dass es demjenigen, der sie klopfte, gut ging, weil er sich Fleisch leisten konnte. Heute isst ein großer Teil der Gesellschaft wesentlich häufiger Fleisch. Und gerade die Art und Weise, wie es für uns gezüchtet und verarbeitet wird, ist einer der Gründe für die Klimakrise.

„Die Abholzung der Wälder, die Inanspruchnahme landwirtschaftlicher Flächen für die Viehzucht, die Menge an pflanzlicher Nahrung, die für die Produktion von einem Kilogramm Fleisch benötigt wird, der enorme Verbrauch von Trinkwasser und die Produktion von Abwasser und Exkrementen, die das Grundwasser verschmutzen, die enormen Mengen an Treibhausgasen, der Transport von Fleisch und lebenden Tieren über große Entfernungen, die Zerstörung der Artenvielfalt an Land und in den Ozeanen“, fasst František Cimerman zusammen und fügt hinzu, dass auch der ethische Aspekt nicht zu vernachlässigen ist. „Das unendliche Leid und die drastische Tötung von Millionen von Tieren jeden Tag sind alles Faktoren, die Menschen dazu bringen, Vegetarier zu werden. Meiner Meinung nach sind das Menschen, die über ihren Tellerrand schauen und nicht nur auf ihren zufriedenen Magen. Ich muss jedoch hinzufügen, dass ich es für besser halte, wenn ein Landwirt Fleisch isst, das er selbst produziert hat, als das vegetarische Mode-Food, diese exotischen Lebensmittel, die jetzt aus allen Ecken der Welt importiert und von Menschen unter oft sklavenähnlichen Bedingungen hergestellt werden.“

Gesunde Ernährung?

Die von uns befragten Personen, die auf Fleisch verzichten, sagen, dass sie sich gesundheitlich sehr gut fühlen. Jana ist davon überzeugt, dass Vegetarismus die gesündeste Form der Ernährung ist und spürt das auch an ihrer körperlichen Verfassung.

„Seit ich kein Fleisch mehr esse, sind die Allergien, die ich früher hatte, völlig verschwunden. Ich fühle mich auch mental viel besser. Das Kochen vegetarischer Gerichte ist für mich sogar ein neues Hobby geworden, ich gehe gerne in Fachgeschäften einkaufen und suche nach Rezepten“, erklärt sie. „Ich lebe bereits seit vier Jahren fast ausschließlich vegetarisch. Ich treibe Sport, führe ein aktives Leben, ernähre mich abwechslungsreich und versuche, Stress zu vermeiden. Bisher sind keine gesundheitlichen Probleme in Verbindung mit dem Vegetarismus aufgetreten und verschiedene präventivmedizinische Tests haben mir sogar optimale oder sehr gute Ergebnisse bestätigt. Allerdings bekomme ich schneller Hunger, esse also öfter und größere Portionen, und es fällt mir auch schwerer, Muskelmasse aufzubauen“, ergänzt František seine Erfahrung, betont aber, dass dies eine rein subjektive Erfahrung ist, die auch mit seinem Stoffwechsel zusammenhängt.

Experten weisen jedoch darauf hin, den Verzicht auf Fleisch in der Ernährung mit Bedacht vorzunehmen. Die aus der tierischen Ernährung stammenden Nährstoffe müssen angemessen ersetzt werden. „Eine vegetarische Ernährung kann sowohl helfen als auch schaden. Es hängt alles vom Bewusstsein derjenigen Person ab. Wenn es jemandem gelingt, einen abwechslungsreichen und ausgewogenen Speiseplan zu erstellen, in dem pflanzliche Proteine ausreichend vertreten sind, kann eine vegetarische Ernährung abwechslungsreich und vielfältig sein – was ein Pluspunkt ist. Leider ist es in den meisten Fällen so, dass, wenn jemand beschließt, kein Fleisch mehr zu essen, er es durch viel gebratenes Gemüse und Milchprodukte wie gebratenen Käse, gebratene Pilze, panierten Blumenkohl und so weiter ersetzt. Manche ersetzen das Fleisch auch durch süße Lebensmittel wie Pfannkuchen, Hefeklöße oder Obstsnacks“, erklärt Janica Malek Lacová, Ernährungsberaterin bei Jem iné (Ich esse anders).

„Bei einer vegetarischen Ernährung muss man auf die Eiweißzufuhr achten, damit man nicht zu viele Kohlenhydrate auf dem Speiseplan hat. Solange die vegetarische Ernährung ausgewogen ist, hat sie eine sehr positive Wirkung auf die Gesundheit. Die Ernährung ist viel abwechslungsreicher und die Aufnahme von Ballaststoffen, Vitaminen und Mineralien wird erhöht. Der Nachteil ist, dass einige Nährstoffe, wie Omega 3, Vitamin A, D, B 12, Zink und oft auch Eisen, aus pflanzlichen Quellen allein schwerer zu gewinnen sind. Es ist jedoch sicherlich sehr vorteilhaft, den Fleischkonsum einzuschränken und sich hauptsächlich auf Qualitätsprodukte von Tieren zu konzentrieren, die auf humane Art und Weise gezüchtet werden, in Freilandhaltung leben und natürlich aufwachsen“, fügt Eva Blaho, Ernährungsberaterin, Heilpraktikerin, Expertin und Dozentin des Projekts Skutočne zdravá škola (Wirklich gesunde Schule) hinzu.

Jede Menge Optionen

Jana erwähnte, dass es ihr heute viel leichter falle, sich vegetarisch zu ernähren als vor 25 Jahren, als sie es zum ersten Mal versuchte. Tatsache ist, dass das Thema gesunde und ethische Ernährung im öffentlichen Diskurs immer präsenter wird und wir auch dementsprechend viele Möglichkeiten haben. Selbst in den großen Supermarktketten finden wir Lebensmittel, die aus ethischem Anbau stammen oder angeblich gesünder sind. Janica begann 2008 mit ihrem Projekt Jem iné, und unter anderem ihr haben wir es zu verdanken, dass die slowakische Gesellschaft heute besser über Lebensmittel Bescheid weiß.

„Wenn wir uns heute entscheiden, Vegetarier zu sein, haben wir kein Problem, einen guten Speiseplan zusammenzustellen. Wir müssen uns nur wirklich damit beschäftigen und dürfen die Vielfalt und Ausgewogenheit unserer Ernährung nicht unterschätzen. In jeder Kleinstadt gibt es heute Bio-Lebensmittel oder einen eigenen Markt, und es entstehen immer mehr kleine Bauernhöfe, auf denen man saisonales Obst und Gemüse kaufen kann. Auch in den üblichen Lebensmitteln findet man eine Vielzahl verschiedener Getreide und Hülsenfrüchte", sagt Janica Malek Lacová und fügt hinzu, dass Ernährungsberatung und -erziehung ein Schritt zu einer insgesamt gesünderen Gesellschaft ist.

„Viele Jahre lang haben wir dem keine Beachtung geschenkt, weil wir es für selbstverständlich hielten. Denn was kann denn daran schon so schwierig sein, sich gut zu ernähren. Leider bietet uns der Markt heute eine Menge Lebensmittel mit wirklich schlechter Qualität. Es ist schwierig, sich da zurechtzufinden. Ich bin seit mehreren Jahren als Beraterin und Dozentin im Bereich Ernährung tätig. Gemeinsam mit meinen Kolleginnen Jarka Kreškóciová und Maria Markeová habe ich den Verein Nebojuj, edukuj (Nicht kämpfen, sondern bilden) gegründet, der Ernährungsberatung nicht nur für Erwachsene, sondern insbesondere für Kinder anbietet. Wir sind der Meinung, dass es notwendig ist, die ganze Familie zu erziehen. Jeder Elternteil ist Vorbild für sein Kind, das ist völlig unbestreitbar. Das Projekt Zeleninkové šialenstvo (Gemüse-Wahnsinn) ist in der ganzen Slowakei bereits wahnsinnig erfolgreich. Derzeit nehmen mehr als 120 Schulen im ganzen Land an dem Programm teil, wir schulen regelmäßig das Personal der Schulkantinen und arbeiten auch intensiv mit den Eltern zusammen, um ihnen zu zeigen, wie wichtig die Prävention von Fettleibigkeit bei Kindern ist“, fügt sie hinzu.

Gesunde Ernährung für alle

Auch Anetta Vaculíková, Leiterin des Programms Skutočne zdravá škola (Wirklich gesunde Schule), sah in den mehr als zehn Jahren, in denen sie sich mit Ernährungserziehung befasst, eine große Veränderung bei diesem Thema. Des Weiteren ist sie überzeugt davon, dass der Schlüssel zur Veränderung im Verständnis der Beziehung zwischen den Lebensmitteln, die wir essen, und ihren Auswirkungen auf unsere Gesundheit und die Umwelt liegt.

„Ich erinnere mich noch an die Zeit, in der das Wort Buchweizen fremd für uns klang, dabei ist es eine der traditionellsten Getreidearten. Heute lernen wir es wieder kennen, und wir erleben eine Rückbesinnung auf diese Idee der Vielfalt und Diversität von Getreiden, Hülsenfrüchten oder Obst und Gemüse auf dem Teller. Aber so oder so ist nur wenigen Menschen bewusst, wie viel Macht wir in unseren Händen haben, wenn es um die Wahl unserer Lebensmittel geht. Lebensmittel beeinflussen nicht nur unsere körperliche oder geistige Gesundheit, sondern eben auch die Welt, in der wir leben. Die Pandemie hat zwar dazu beigetragen, das Bewusstsein für eine gesunde Lebensweise zu schärfen, aber jeder von uns muss selbst entscheiden, welchen Weg er wählt und ob er seine Ernährung gezielt zur Vorbeugung von Krankheiten gestalten will. Während der ganzen Jahre, die wir nun im Bildungsbereich tätig sind, konnten wir jedoch ein steigendes Interesse feststellen, und das zeigt sich an der zunehmenden Zahl von Workshops, Webinaren, den vielen Schulen, die sich für unser Programm angemeldet haben, und auch Meldungen in den Medien und ähnliches, die wir umsetzen können", sagt Anetta Vaculíková, Autorin mehrerer Veröffentlichungen über Ernährung und hochwertige nachhaltige Lebensmittel.

Früher galt Unterernährung, Abmagerung, als Zeichen von Krankheit und Entbehrung. Heute ist es genau andersherum. Armut und Fettleibigkeit gehen Hand in Hand. In der Tat sind gesunde Lebensmittel oft teurer als ungesunde. Anetta Vaculíková ist jedoch davon überzeugt, dass sich heute jeder gesund ernähren kann. Das Projekt Wirklich gesunde Schule bringt dies bereits Kindern bei. Es ist kostenlos für alle Schulen und Kindergärten, die daran interessiert sind, das Thema Qualität und nachhaltige Ernährung umfassend anzugehen und dabei Kantinen, Lehrkräfte, Kinder, Eltern und die gesamte Gemeinschaft in die Bildung einzubeziehen und so einen Beitrag zur Erreichung der UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung zu leisten.

„Ich denke, es geht um die Prioritäten und die Werte, für die wir eintreten. In den Geschäften sehe ich oft überquellende Körbe mit allen möglichen Halbfertigprodukten, Fertigprodukten und Snacks, die wir wirklich nicht zum Leben brauchen. Die Menschen kaufen auch viele billige Fleischprodukte und exotische Zutaten. Das heißt nicht, dass wir keine Bananen oder keinen Schinken kaufen sollten, aber es ist wichtig, sich darüber klar zu werden, woher diese Lebensmittel kommen und ob wir sie wirklich täglich essen müssen. Saisonale Lebensmittel und Grundnahrungsmittel sind oft sogar billiger. Ganz zu schweigen davon, wie viele Lebensmittel unnötigerweise im Müll landen, weil wir sie ‚nur für den Fall der Fälle‘ gekauft haben oder weil sie im Angebot waren. Und das ist hinaus geschmissenes Geld und eine Katastrophe für die Umwelt“, schließt Anetta Vaculíková, Leiterin und Dozentin des Programms Wirklich gesunde Schule.

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