Die KI schreibt Gedichte, während der Planet in Flammen steht. Millionäre träumen vom Mars, ärmere Menschen von einer Klimaanlage. Und wir alle haben das Gefühl, dass die Zukunft ein Luxusgut geworden ist. Diese Krise ist keine Frage der Technologie, sondern der Zivilisation. Bis wir von Maschinen ersetzt werden, sollten wir uns vielleicht fragen, mit welchem Ziel wir sie überhaupt erschaffen haben. Was, wenn die KI nicht das Problem, sondern nur ein Spiegel dessen ist, wie weit es mit uns gekommen ist? Ein Essay von Stanislav Biler.
Ein beliebtes Szenario in Horrorfilmen ist, dass Albträume Realität werden. Etwas Vertrautes, das zuvor eingesperrt war in einer eigenen Welt, aus der man jederzeit aufwachen konnte, wird jedoch nun präsent – in einer Welt, aus der es kein einfaches Erwachen mehr gibt. All unsere düsteren Befürchtungen, die wir in den Tiefen unseres Bewusstseins zurückgehalten haben, reihen sich nun vor uns auf und wir haben keine Möglichkeit mehr, sie zu verdrängen. Genau solche Gruselszenarien haben wir vor Augen, wenn wir an den Aufstieg künstlicher Intelligenz denken.Es ist die Art von Traum, in dem jemand anderes einen ersetzt, jemand, der das eigene Leben lebt, und man selbst von niemandem mehr gebraucht wird, und niemand einen vermisst. Diese oder dieser andere ist außerdem in allem besser als man selbst und bei Bekannten und Verwandten viel beliebter. So ähnlich könnte es uns tatsächlich ergehen. Die KI wird nicht nur „unsere“ Arbeit effizienter erledigen, sondern auch die Ziele und Werte unserer Welt um einiges besser erfüllen und umsetzen können, denn im Grunde sind sie un- oder sogar anti-menschlich. Das stellt uns erneut vor die Frage, wer wir eigentlich sind und was wir mit diesem Planeten anfangen wollen.
Wenn diese unsere Welt auf andere Werte setzen würde als auf Profit, Kapitalanhäufung und Wirtschaftswachstum, wären wir vielleicht nicht so besorgt darüber, dass die KI uns ersetzen oder sogar ungewollt auslöschen könnte. Leider ist die Welt jedoch, wie sie ist und der Mensch muss gar nicht auf die Datenkapazitäten großer Rechenzentren zurückgreifen, um sich auszurechnen, dass er selbst das schwächste Glied im Getriebe der Effizienz ist.
Der Mensch misst sich selbst und seinesgleichen anhand quantitativer Maßstäbe, sowohl auf individueller als auch auf gesellschaftlicher, staatlicher Ebene. Alles muss optimiert und effizienter gestaltet werden, inklusive des menschlichen Körpers und des persönlichen Lebensstils. Irgendwann stößt der Optimierungsdrang jedoch an die Grenzen der biologischen Möglichkeiten. Das zeichnet sich übrigens auch in der abfallenden demografischen Kurve aller wirtschaftlich erfolgreichen Länder ab. Wirtschaftswachstum erfordert die Optimierung „sekundärer“ Freizeitbeschäftigungen, und zu einer solchen wird auch die menschliche Reproduktion degradiert.
Demografischer Kollaps
Wer freiwillig oder unfreiwillig auf die eigene Reproduktion verzichtet, kann sich möglicherweise über einige Vorteile freuen. Rein finanziell gesehen, fallen viele überflüssige Kosten weg. All die Notwendigkeiten, die Kinder über zwei Jahrzehnte hinweg benötigen, wie Essen, Kleidung, Freizeitaktivitäten, Kindergarten und Schule oder Vereine. Die Liste lässt sich noch um einige Punkte ergänzen, denn die Kosten pro Kind belaufen sich bis zur Volljährigkeit auf mehrere Hunderttausend Euro. Dabei sind Kosten für die Unterkunft oder die Probleme auf dem Wohnungsmarkt, wenn Vermieter*innen sich weigern, an Menschen mit Kindern zu vermieten, noch nicht mal mit eingerechnet.Die Betreuung von Kindern führt in der Regel dazu, dass Frauen für kurze oder längere Zeit aus dem Berufsleben ausscheiden, was für den Rest ihres Lebens ein geringeres Einkommen bedeutet. Hinzu kommt der obligatorische Stress, den die Kinderbetreuung mit sich bringt: Krankheit, die schwierige Suche nach Krippen-, Kindergarten- und Schulplätzen, permanenter Schlafmangel und Übermüdung...
Die Litanei ließe sich endlos fortsetzen, aber es soll zumindest angedeutet werden, dass jede Gesellschaft ihr Wertesystem selbst erschafft und pflegt, und wenn wirtschaftlicher Wohlstand zu einem demografischen Zusammenbruch führt, dann ist dies das Resultat einer bestimmten Logik, in deren Rahmen die Menschen ihr Leben optimieren. Das bedeutet natürlich noch nicht, dass der soziale Druck, Kinder zu bekommen, nicht mehr vorhanden ist, auch wenn er schwächer wird. Die Dinge müssen nicht kohärent sein oder einen Sinn ergeben. Aber da die allem zugrunde liegende Achse an einer ökonomischen Bewertung ausgerichtet ist, lässt sich leicht feststellen, welche Handlungen von wirtschaftlich prosperierenden Gesellschaften belohnt und welche finanziell bestraft werden.
Eine Lösung, die nichts Geringeres als die Rettung des Einzigen uns bekannten bewohnbaren Planeten im gesamten Universum anstrebt, kollidiert mit den Prioritäten des Wirtschaftswachstums und der Anhäufung von Gütern.
Alles im Überfluss
Auf ähnliche Weise wirkt sich die Optimierung unserer Welt auch auf den Umgang mit dem Klimawandel aus. Wir wissen alles über dessen Ursachen und können seit vielen Jahren den Verlauf der zerstörerischen Veränderungen aufgrund einer Unmenge von Studien Jahr für Jahr genau modellieren. Wir wissen, was wir tun sollten, um die katastrophalen Folgen abzuwenden, aber eine Lösung, die nichts Geringeres als die Rettung des Einzigen uns bekannten bewohnbaren Planeten im gesamten Universum anstrebt, kollidiert mit den Prioritäten des Wirtschaftswachstums und der Anhäufung von Gütern. Ergebnis dieses Interessenkonfliktes sind rein kosmetische Anpassungen, die uns nicht vom Kurs der Zerstörung der Welt abbringen, einfach weil andere Prioritäten als das Leben der Menschen, oder zumindest der meisten Menschen, Vorrang haben.Der von der Weltwirtschaft produzierte Reichtum wächst stetig, aber nicht in jedem Hinterhof gleichermaßen. Noch nie in der Geschichte haben wir in einer Welt gelebt, in der es so enorme Ungleichheiten bei der Verteilung von Reichtum gab. Die Anhäufung materieller oder symbolischer Güter ist reiner Selbstzweck. Die Zahl der Milliardäre und Milliardärinnen wächst, aber die Welt ist dadurch nicht besser geworden. Alles im Überfluss zu besitzen ist das ultimative Ziel; die pathologische Anhäufung von Reichtum bringt jedoch keinen weiteren Nutzen.
Dieses Spiel ohne Sinn und Zweck führt zu Leid und Unterdrückung und wird von einem aus der Balance gebrachten Klima überschattet. Dennoch machen wir in der gleichen Art und Weise weiter. Dabei kann man schwerlich auf das Mitgefühl eines künstlichen „Bewusstseins“ aus den Rechenzentren hoffen. Die Vorstellung, eine künstliche Form des Denkens könnte uns vor uns selbst retten, ist nicht weit entfernt vom früheren Glauben, Pest oder Hungersnöte könnten bekämpft werden, indem man die Götter anfleht und ihnen Opfer darbringt.
Sachlich und emotionslos
Damals betrachteten die Menschen Katastrophen als Naturphänomene oder unbegreifliche Ereignisse; heute bitten wir um Rettung vor Katastrophen, die wir selbst verursacht haben und weiter befeuern. Was uns heute das Fürchten lehrt, sind wir selbst und die Welt, die wir erschaffen haben. Die Werte und Ziele unserer Welt sind im Grunde amoralisch und rein technischer Natur. Es muss nicht der Mensch sein, der sie verfolgt und erfüllt, das kann auch „etwas“ ohne ein Bewusstsein im üblichen Sinne erledigen. Denn der Kapitalismus gedeiht letztlich besser zum Beispiel unter der Obhut eines autokratischen China, wo Stabilität und Marktprioritäten nicht durch unvorhersehbare Wahlen und irrationale Forderungen des Volkes behindert werden. Störenfriede können jederzeit verhaftet oder hingerichtet werden; was für eine Erleichterung. Dass Demokratie den Wohlstand eher bremst, ist auch unter den Tech-Oligarchen im Silicon Valley ein aktuell gängiges Narrativ. Doch dazu später mehr.Fortschritte, die auf die Schaffung optimaler Bedingungen für die Verbesserung künstlicher Intelligenz abzielen, gehen auf Mechanismen zurück, die dazu geführt haben, dass wirtschaftliche Interessen hervorgehoben und über die menschliche Gesellschaft gestellt wurden, und dass die Moral als erbärmlicher Atavismus der Menschheit aus der Wirtschaft verbannt wurde. Ausdruck schlechthin für seriöses und reifes Agieren ist die Phrase „sachlich und emotionslos“. Weil wir Emotionen als etwas Kindisches aus dem menschlichen Handeln verbannt haben, hat sich unser Handeln teilweise entmenschlicht und so muss sich die künstliche Intelligenz gar nicht erst mit Menschlichem auseinandersetzen. Bei Kostenminderung und künftiger Optimierung kann die KI tatsächlich ganz sachlich und emotionslos all das getrost streichen, was von der Menschlichkeit noch übriggeblieben ist. Man kann ihr dann nicht einmal Unmenschlichkeit vorwerfen, denn dieses Vorgehen kopiert ja nur unsere eigenen Ziele und Werte.
Die KI kann uns komplett ersetzen, weil wir eine Welt erschaffen haben, die wie für sie gemacht ist. Sie könnte letzten Endes, Menschen rein zu ihrem Vergnügen halten. Wie Katzen, die nach Schatten an der Wand jagen, wie Hunde, die sich um ein Leckerli bettelnd auf die Hinterbeine stellen.
Man kann nicht ernsthaft erwarten, dass das, was wir künstliche Intelligenz nennen, uns ernst nimmt, wenn wir uns selbst nicht ernst nehmen.
Wir und die Anderen
Indem sie die Menschheit eliminiert, würde die KI nichts anderes machen, als die dem gleichen Ziel folgenden Bemühungen des Menschen zu beschleunigen, während der klägliche Versuch, das Klima zu retten, bestenfalls wie ein Versagen und eine ostentative Resignation wirkt. Man kann nicht ernsthaft erwarten, dass das, was wir künstliche Intelligenz nennen, uns ernst nimmt, wenn wir uns selbst nicht ernst nehmen. Wir tun so, als bräuchten wir die Biosphäre und ein stabiles Klima überhaupt nicht zum Leben. Von der KI unterscheidet uns jedoch, dass es „ihr“ wirklich egal sein kann, oder besser gesagt, dass sie tatsächlich nur das künstliche Klima der Rechenzentren braucht. Dort muss nicht einmal Sauerstoff vorhanden sein.Hinter den Ängsten vor dunklen Szenarien vom Aufstieg der KI steht auch die Befürchtung, dass diese neue Form der Macht uns so behandeln würde wie wir „die Anderen“. „Wir“ und „die Anderen“ sind hier wichtige Begriffe, denn in diesem Fall würden auch die Gesellschaften, Staaten und Menschen des sogenannten Westens zum Objekt einer überlegenen Macht. Auf einmal könnten wir alle uns in der Position des palästinensischen oder eines anderen Volkes wiederfinden, mit denen man je nach Bedarf umspringt, als wären sie nicht einmal echte Menschen. Eine Situation, die derjenigen der Ureinwohner*innen Amerikas ähnlich ist, als sie zusehen mussten, wie fremde Gestalten aus Übersee an Land gingen. Oder wie die australischen Aborigines, die Ethnien und Gesellschaften Afrikas, die von Europäer*innen unterdrückt und teilweise vernichtet wurden und viele andere, denen technisch fortschrittlichere Gesellschaften, die mit instrumenteller Rationalität und einer Moral agieren, die andere und sich Unterscheidende von der menschlichen Gesellschaft ausschließt, die Hölle auf Erden bereitet haben. Letzten Ende ähnlich der Situation all derer, die eine andere Hautfarbe, Geschlecht, Religion oder sonst einen anderen Aspekt ihren Menschseins mit sich bringen.
Vielleicht ist das der Grund, weshalb man im Diskurs die künstliche Intelligenz auf die eine und die Menschheit auf die andere Seite stellt. Als ob es plötzlich eine homogene Menschheit mit gemeinsamen Interessen gäbe. Wir wissen, dass das in zahllosen Fällen nicht der Realität entspricht, wofür der der Klimawandel das wichtigste Beispiel ist: größtenteils von den Reichsten verschuldet, die Folgen aber müssen die Ärmsten überproportional tragen.
Beschleunigung der Destruktion
Seit den sozialen Umwälzungen, die soziale Netzwerke auf der ganzen Welt bewirkt haben, geht wahrscheinlich niemand mehr davon aus, dass die Tech-Milliardäre Ziele verfolgen, die auf die Empfindungen von uns Menschen Rücksicht nehmen. Es ist schon lange her, dass Meta-Chef Mark Zuckerberg die Privatsphäre als überholt bezeichnete, und was damals schockierend klang, ist heute für viele Alltag. Elon Musk hat sich Twitter gekauft, um es zu seinem privaten Kanal für die Verbreitung rechtsextremer, konservativer und anderer Verschwörungsnarrative zu machen. Die Regulierung der Inhalte sozialer Netzwerke ist reine Fiktion, oder vielmehr obliegt es den Eigentümer*innen, sie nach ihren Bedürfnissen zu regulieren.Damit treten wir in eine Ära ein, in der etwas viel Mächtigeres und Leistungsfähigeres als wir selbst die Welt beherrscht und hinter dem ähnliche Gestalten stehen wie hinter den sozialen Medien. Was hier als absurder Zustand der Welt dargestellt ist, betrachten diese „Gestalten“ als fruchtbaren Boden für die Beschleunigung der Destruktion, wobei selbst die Zerstörung des Planeten und der Welt der Menschen in ihrer extremen Weltsicht nicht als Problem, sondern als Idealzustand gesehen wird.
Dazu hat einer der wichtigsten Investoren des Silicon Valley, Peter Thiel, einmal gesagt, dass er nicht mehr daran glaube, dass Freiheit und Demokratie miteinander vereinbar seien. Das ist nicht einmal schockierend, denn diese Meinung beschreibt nur eine Welt, in der die Demokratie die Freiheit der Reichsten immer deutlicher stört. Während die sozialen Netzwerke noch im Kommen waren und sich allmählich etablierten, hat man die Demokratie noch beschworen, doch heute würde das niemandem mehr einfallen. Einige der Tech-Oligarchen machen keinen Hehl aus ihrer Abneigung gegenüber der Vorstellung, alle Menschen seien gleich oder hätten gar die gleichen Rechte. Herrschen sollten die Reichsten und Mächtigsten und die Welt wieder einer hierarchischen Struktur folgen, in der klar ist, wer die Befehle erteilt und wer sie befolgt. Dieses ganze Konstrukt fungiert unter Namen wie Dunkle Aufklärung oder Neoreaktionäre Bewegung.
Es lehnt die Idee ab, dass der allgemeine Fortschritt ein Mehr an Freiheit und Gleichheit mit sich bringt. Im Gegenteil geht es darum, zu autoritären Strukturen zurückzukehren. Diese Ideologie verknüpft den freien Markt, Technologien und ein autoritäres Regierungssystem nach dem Vorbild von der Führung eines Unternehmens. Das Ergebnis sind Konzepte eines reaktionären Modernismus oder Techno-Feudalismus. In ähnlicher Weise sei es dem Historiker Roger Griffin zufolge im letzten Jahrhundert zur Entstehung des Faschismus gekommen, als es zur eine Verschmelzung kam von modernistischem und reaktionärem Denken und der Verteidigung gegen linke Kräfte, die sich für die Gleichberechtigung aller Menschen einsetzten.
Die radikalsten Vertreter dieser Ideen gehen heute sogar noch weiter und betrachten die Auslöschung der Menschheit als das erwünschte Ziel der Evolution. So wie beispielsweise Nick Land, demzufolge die Intensivierung kapitalistischer Prozesse und des technologischen Wandels zu einer radikalen sozialen Transformation und potenziell in eine posthumane Zukunft führen wird. Egalitarismus und Demokratie stehen diesem Ziel im Weg. Ihr steht diesem Ziel im Weg.
Das Überleben auf der Erde
Das sind überaus extreme Aussagen, doch wenig schockierend, denn sie bringen eigentlich nichts Neues mit, sie radikalisieren lediglich die Gegenwart. Was wie eine unbeabsichtigte Folge des Konsumkapitalismus aussieht, nämlich der demografische und klimatische Kollaps, wird als erstrebenswertes Ziel betrachtet. Mithilfe von Technologien soll diese Tendenz noch beschleunigt werden. Doch während die Fanatiker*innen der Vergangenheit einen Sprung in eine utopische Zukunft anstrebten, springen die heutigen direkt in eine Zeit der Zerstörung und Destruktion, in der neumodische Feudalist*innen die daraus resultierenden Trümmer und Überbleibsel untereinander aufteilen oder wo daraus ein künstliches Bewusstsein hervorgeht und ins All aufsteigt und den völlig zerstörten und toten Planeten zurücklässt.In dieser Zukunftsvision wäre es nicht nur nicht notwendig, sich mit dem Klimawandel zu befassen, sondern man könnte ihn sogar getrost beschleunigen und nutzen, um die bestehende Ordnung zu zerstören. Das Überleben auf der Erde hat keine wesentliche Bedeutung mehr, wenn man sich auf eine post-humane Zukunft oder die Besiedlung des Mars fixiert. Im Gegenteil, je schlechter die Bedingungen auf der Erde sind, desto besser.
An den Rand des Abgrunds sind wir durch das wirtschaftliche Ungleichgewicht geraten, in dem eine Handvoll Menschen über absurde Reichtümer verfügt, aus denen eine absurde Macht resultiert, die auf niemanden Rücksicht nimmt, und vor allem nicht nehmen will. So erschaffen sie den Mythos einer Welt, in der ihre Handlungen sinnvoll erscheinen, in der sie sich von ihrem angehäuften Geld Transzendenz erkaufen können. Künstliche Intelligenz soll diesen Prozess beschleunigen, zu dessen Verwirklichung beitragen oder letztendlich das Ziel einer transhumanen oder gar posthumanen Welt sein.
Zurück in Wald und Flur
Das heißt aber noch nicht, dass es so kommen muss oder dass eine solche Entwicklung unvermeidbar ist. Diese Ideologien sind nämlich weder kohärent noch logisch unanfechtbar; vielmehr sind sie oft erschreckend trivial und fügen zufällig Dinge zusammen, wie eine Elster, die glänzende Schmuckstücke sammelt, weil sie ihr einfach gefallen.Diese Entwicklungen werfen uralte Fragen auf. Wer sind wir eigentlich und was ist unsere Rolle auf dieser Erde? Wird das, was übrig bleibt, wenn wir einen Teil unseres technokratischen Denkens an leistungsfähigere Maschinen abgeben, rein menschlich sein? Bleiben nicht vielleicht gerade die emotional biologisch anspruchsvollen Dinge übrig, die unsere sogenannte Zivilisation irgendwohin abzuschieben versucht hat? Führt es uns zurück in Wald und Flur, wenn wir unsere Büros den Algorithmen überlassen, zurück in die Natur, die wir durch unser Handeln fast vollständig zerstört haben, so als würden wir seit Jahrhunderten versuchen, uns selbst auszurotten?
Manches lässt sich über die mögliche Gestalt einer lebenswerten Zukunft im Umkehrschluss ableiten. Die Tech-Oligarch*innen wollen Kapitalismus, nicht Demokratie. Gleichberechtigung bedroht ihre Freiheit. Unseren Planeten und das darauf beheimatete Leben halten sie für überflüssig. Darauf kann man aufbauen. Doch zunächst müssen wir unser Mensch-Sein wiederfinden, etwas, wovor wir im Laufe der Geschichte unter Zuhilfenahme verschiedener Tricks immer wieder davongelaufen sind.
Die Veröffentlichung dieses Artikels ist Teil von PERSPECTIVES – dem neuen Label für unabhängigen, konstruktiven, multiperspektivischen Journalismus. JÁDU setzt dieses von der EU co-finanzierte Projekt mit sechs weiteren Redaktionen aus Mittelosteuropa unter Federführung des Goethe-Instituts um.
Juni 2025