Dörfer und Klimakrise  Das Landleben zwischen Niedergang und Renaissance

Niederschlagsmanagement Na Bahně (Am Sumpf) in Bratčice
Niederschlagsmanagement Na Bahně (Am Sumpf) in Bratčice Foto: Vojta Herout | © Nadace partnerství & Adapterra Awards

Die Städte wachsen. Mit der steigenden Anzahl ihrer Bewohner dehnen sie sich in die umliegende Gegend aus und verschlucken die Dörfer. Verstädtern sie. In anderen Dörfern wiederum verändern sich Orte, die traditionell mit der Produktion von Lebensmitteln verbunden waren. Es verändern sich nicht nur Häuser und die dazu gehörigen Höfe, Gärten und Ställe. Auch öffentliche Gebäude, das Gelände und das unmittelbare Umfeld der Gemeinden machen eine große Verwandlung durch. Auf dem Dorf lebt es sich anders. Wie stark dringt die Klimakrise in die dörfliche Realität vor und wie werden Bürgermeister*innen mit den ausgetrockneten Brunnen und weiteren Problemen umgehen?

Sedmá generace logo Dieser Artikel wurde bereits in der Zeitschrift Sedmá generace veröffentlicht, die alle zwei Monate erscheint und sich ökologischen und gesellschaftlichen Themen widmet. Wir danken für die Erlaubnis zur Zweitveröffentlichung.

Der Klimawandel hat – ebenso wie auf Städte – Auswirkungen auch auf kleinere Gemeinden. Auch deren Bewohner erleben Hitzewellen und Starkregen. Asphaltierte Straßen und zubetonierte Flächen werden zu Wärmeinseln, auch wenn eine grüne Umgebung gefühlt Abhilfe schaffen kann. Anhand von Wärmekarten ist jedoch ersichtlich, dass Orte in der freien Landschaft, auf offenliegenden landwirtschaftlich genutzten Flächen, einen grundlegenderen Einfluss haben. Die Fähigkeit der Landschaft, Wasser zu speichern, nimmt allgemein ab. Wenn der Boden in der Nähe eines Dorfes nicht fähig ist, Wasser aufzusaugen, trocknen die Brunnen aus. „Und genau wie in der Stadt erreichen wir einen Kühlungseffekt mit Hilfe von Vegetation. Wenn man ein großes Feld zum Beispiel durch eine Baumreihe teilt, oder durch Gebüsch“, beschreibt die Landschaftsarchitektin Soňa Malá im Gespräch mit dem Kulturmagazin A2. Als weitere notwendige Maßnahme nennt sie die Erneuerung von Sümpfen, Tümpeln, die Revitalisierung von Fließgewässern, das Pflanzen von Alleen oder die Erneuerung von Feldwegen, die von Vegetation umgeben sind.

Ein unbesetzter Platz am Tisch

Malá erläutert, dass langwierige Verhandlungen über eigentumsrechtliche Verhältnisse von Grundstückseigentümer*innen die meisten Veränderungen verhindert, und ebenso die Haltung der großen landwirtschaftlichen Unternehmen. Die Landschaftsarchitektin beschäftigt sich schon seit Längerem mit partizipativen Prozessen in Gemeinden, wobei sich für sie einige Stereotype bestätigen. Kleinere und mittlere Unternehmen sind öfter bereit zur Diskussion und zur Umsetzung von wenigstens ein paar der Adaptionsmaßnahmen. Bei den größten ist diese Bereitschaft gering und an runden Tischen bleibt ihr gerade ihr Platz meistens unbesetzt. Das wirft die Frage auf, wie man sie zum (Ver)Handeln bewegen kann.

„Man kann natürlich Druckmittel wie zum Beispiel eine gemeinschaftliche landwirtschaftliche Politik anwenden. Die Grundstückbesitzer können sie unter Druck setzen, denn über 70 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche Tschechiens wird verpachtet. Wir können also die Besitzer darüber informieren, dass sie in den Pachtvertrag aufnehmen können, dass ein bestimmter Prozentsatz der Fläche Landschaftselementen vorbehalten sein muss“, sagt Malá. Sie glaubt außerdem, dass wir uns in einer Umbruchphase befinden, in der auch große Unternehmen die extreme Trockenheit endlich als Anlass zur Veränderung wahrnehmen.

Die Gemeinden Tschechiens haben erst vor kurzem damit begonnen, die ersten Klimapläne und -strategien für ihre bebauten Gebiete zu entwickeln. Bislang gibt es nicht viele gute Beispiele, meistens handelt es sich um Pilotprojekte. Die Verantwortlichen eines Dorfes oder einer Stadt können nämlich Pläne für den Wandel entwickeln, aber diese stoßen schon bald an ihre Grenzen, die ihnen der gegenwärtige Urbanismus setzt. „Die technische und die Verkehrsinfrastruktur wird immer noch der blau-grünen Infrastruktur vorgezogen. Bei der Realisierung konkreter Maßnahmen sollte da idealerweise ein Gleichgewicht bestehen, oder die blau-grüne sollte sogar bevorzugt behandelt werden. Einfach ausgedrückt: Ein Internetkabel kann überall verlegt werden, aber ein Baum oder andere Elemente des lebendigen Netzwerkes haben weitaus mehr Bedürfnisse. Heute wird meistens erstmal rekonstruiert und erst dann werden dort grüne Elemente eingesetzt, dabei sollte es genau umgedreht sei“, erklärt der Sozialgeograf Jan Malý Blažek.
 

Am Sumpf mitten im Dorf

Zum Glück aber sind gute Beispiele bereits in der Entwicklung begriffen. In Bratčice in Südmähren etwa hat die Gemeindeleitung ein altes Löschbecken mit einem durch Betonblöcke befestigtem Ufer umgebaut. Aus dem stinkenden Becken voller Schlamm lief das Regenwasser zu schnell in den Fluss ab. Der Architekt Dan Šamánek betonte von Anfang an die Notwendigkeit eines Sperrfilters für das Wasser. „Es wäre schade, wenn man die Trockenlegung von Dorfplätzen zulassen würde, deswegen habe ich mich um das genaue Gegenteil bemüht – nämlich das Wasser so lange wie möglich am jeweiligen Ort zu halten, damit es dazu beiträgt ganzjährig eine angenehme Temperatur und Luftfeuchtigkeit sicherzustellen“, erklärt der Landschaftsarchitekt im Buch Die Möglichkeiten eines Dorfes (Možnosti vesnice). Das Regenwasser von den Hausdächern fließt so nicht mehr in die Kanalisation, sondern in einen Klärteich und dann in den neuen See mit einer Tiefe von bis zu 120 Zentimetern mitten im Dorf. Der See hält so etwa 90 Prozent mehr Wasser als zuvor.
 
  • Niederschlagsmanagement Na Bahně (Am Sumpf) in Bratčice Foto: Vojta Herout | © Nadace partnerství & Adapterra Awards
    Niederschlagsmanagement Na Bahně (Am Sumpf) in Bratčice
  • Niederschlagsmanagement Na Bahně (Am Sumpf) in Bratčice Foto: Vojta Herout | © Nadace partnerství & Adapterra Awards
    Niederschlagsmanagement Na Bahně (Am Sumpf) in Bratčice
  • Niederschlagsmanagement Na Bahně (Am Sumpf) in Bratčice Foto: Vojta Herout | © Nadace partnerství & Adapterra Awards
    Niederschlagsmanagement Na Bahně (Am Sumpf) in Bratčice
  • Der Bürgermeister der Gemeinde Bratčice Jan Buršík (links) und einer der Autoren der ursprünglichen Studie Dan Šamánek Foto: Vojta Herout | © Nadace partnerství & Adapterra Awards
    Der Bürgermeister der Gemeinde Bratčice Jan Buršík (links) und einer der Autoren der ursprünglichen Studie Dan Šamánek
Die sumpfigen Rinnsale sind geblieben, aber über einen Holzsteg gelangt man trockenen Fußes auf die andere Seite. Dazu kamen Bänke und Spielgeräte, die Menschen verbringen hier Freizeit, die Feuerwehr veranstaltet Wettkämpfe. An einer Stelle weicht der Weg elegant einem stattlichen Baum aus. Angeblich wurde nur sehr wenig abgeholzt. „Ein Teil des Wassers aus dem kleinen See wird in ein Becken mit der Kapazität von 45 Kubikmetern umgepumpt und mit Hilfe von 110 Düsen zur Bewässerung neu gepflanzter Bäume, Büsche, Dauergewächse und Rasenflächen verteilt“, sagt Jan Buršík, der Bürgermeister von Bratčice. Die Lokalität Na Bahně (Am Sumpf) zieht auch Tourist*innen an. Der Architekt betont ihre Einzigartigkeit und die Tatsache, dass die Ortsansässigen sie eigentlich selbst umgesetzt haben. So seien die Ausgaben für eine atypische Bank letztendlich niedriger gewesen als für eine universelle Parkbank aus einem beliebigen Baumarkt. Für Bratčice ist in naher Zukunft ein Projekt zur Entwicklung des Ortszentrums geplant, aber dem stehen die bereits erwähnten eigentumsrechtlichen Streitigkeiten im Weg.

Das Projekt Am Sumpf, welches den Adapterra Award für das Jahr 2020 gewonnen hat, kostete um die zehn Million Kronen (etwa 423.000 Euro) und die Bauzeit betrug fast ein Jahr.

Vor kurzem stellte die Gemeinde mit 700 Einwohner*innen auch den sechs Kilometer langen Fuß- und Radweg hin zum Zusammenfluss der Bäche Lejtna und Šatava fertig. Bürgermeister Buršík sagt dazu, er selbst würde es vorziehen, wenn größere Projekte nur alle zwei Jahre anstehen. Denn einen Teil seiner Zeit schluckt die Bürokratie rund um die Beantragung von Subventionen, aber die Arbeit macht ihm dennoch Spaß. Schon jetzt denkt er über kommunale Bienenstöcke nach, eine Anschlussbohrung an die örtliche Wasserleitung oder den Kauf von Grundstücken unter Hochspannungsleitungen, um dort einen kommunalen Weinberg anzulegen. Auch wenn die Gemeinde unter hohem Verkehrsaufkommen und der Nähe einer Mülldeponie leidet, ist es für sie von unschätzbarem Wert, wenn sie mit ihren Anpassungsmaßnahmen als Beispiel für andere kleine Gemeinden dienen kann.

Am Anfang war der Flächennutzungsplan

Außer der Trockenheit stehen Dörfer heute aber vor vielen weiteren Problemen. Der Trend zur Individualisierung macht nicht mal vor ländlichen Siedlungen halt. Manche Gemeinden leiden unter dem Ansturm von Tourist*innen, andere sehnen sich nach ihnen, einige verwandeln sich außerhalb der Saison wegen des hohen Anteils von Ferienappartement-Häusern in Geisterdörfer. Die Bewohner werden älter, sterben, viele Dörfer im Grenzgebiet sind verlassen. Andererseits können sich junge Menschen das Wohnen in der Stadt oft nicht leisten und kehren in ihre Heimatgemeinden zurück. „Sie suchen in ihnen die Stadt. Das Gute der Stadt“, erklärt Michaela Hečková, die Autorin des oben erwähnten Buches Die Möglichkeiten eines Dorfes. In den 90er Jahren mussten die kommunalen Selbstverwaltungen eigenständig die Straßen in Stand halten, Bürgersteige und Kanalisation errichten oder langwierige Eigentumsstreitigkeiten klären und dann Schulen und Kindergärten bauen. Heute dagegen ist die grundlegende Infrastruktur vielerorts vorhanden.

Jede Gemeinde in der Tschechischen Republik muss einen Flächennutzungsplan haben, der die Anordnung der von Gebäuden, ihre Größe und gegenseitige Beziehung, die Breite der Straße, den Maßstab des öffentlichen Raums und seine Gestalt sowie eventuelle Grünflächen bestimmt. Aus diesem Plan lässt sich ablesen, wie ein Dorf in zehn Jahren aussehen wird. Es gibt schon heute Dörfer, die Architekturwettbewerbe ausschreiben oder langfristig mit Architekt*innen zusammen arbeiten. Nach Meinung des kürzlich verstorbenen Bürgermeisters von Dolní Břežany, Věslav Michalik, verleiht eine solche Zusammenarbeit einer Gemeinde eine langfristige äußere Identität. „Wenn möglich eine solche, mit der die Mehrheit der Einwohner übereinstimmt. Mit der sie ihren Stolz und ihre Beziehung zu dem Ort, an dem sie leben, verbinden.“

Eine große Herausforderung stellt dies zum Beispiel für Malá Úpa dar, die einzige Gemeinde, die vollständig auf dem Gebiet des Nationalparks Riesengebirge liegt und die laut Hečková das letzte echte Riesengebirgs-Dorf ist. Die Gemeindeführung schützt ihren ursprünglichen Gebirgscharakter durch einen strengen Flächennutzungsplan und Regulierungen, die zum Beispiel französische Fenster, das Umzäunen der Häuser, Solarpaneele auf dem Dach oder Appartement-Häuser verbietet. Ein Hineinwachsen in die Landschaft ist nicht erlaubt. Die umliegenden Gemeinden wie Harrachov, Pec pod Sněžkou oder Špindlerův Mlýn sind laut Bürgermeister Karl Engliš abschreckende Beispiele. „Ein Stadtmensch, der in Malá Úpa eine Zweitwohnung sucht, ist selten ein Gewinn für die Gemeinde. Wenn etwas gebaut wird, geht das ursprüngliche architektonische Vorhaben oder die Skizze zur kommunalen Baukommission, an deren Spitze Pavel Klimeš steht, der bekannte Ökologe aus dem Riesengebirge“, so Engliš.

Das Riesengebirgsdorf Malá Úpa Das Riesengebirgsdorf Malá Úpa | Foto: Pudelek via wikimedia | CC BY-SA 4.0 In Malá Úpa leben knapp 150 Einwohner*innen dauerhaft, die Kapazität der Betten erreicht aber bereits rund 2500. Die Einwohner*innen, zwischen deren Häusern sehr viel Platz ist, leben vom Tourismus. Während der Saison sitzen sie in ihren Läden und danach nehmen sie eine Auszeit. Die Wochenendhausbesitzer*innen kommen nur am Wochenende und in Gruppen mit Bekannten. Der Bürgermeister gibt zu, dass es nicht einfach ist, es allen recht zu machen. Außerdem seien die Gebirgsbewohner*innen dickköpfig, sagt er.

Die Gemeinde macht allmählich eine große, aber behutsame Veränderung durch. Es droht kein weiteres Zubauen von Bergwiesen. Bei Renovierungen ist die maximal erlaubte Höhe von Häusern acht Meter, also ein Erdgeschoss und ein Halbgeschoss. Komplett verboten sind Appartement-Häuser, denn die verwandeln Gemeinden in Geisterorte. „Da gibt es ein großes Ungleichgewicht. Wir erhalten Geld aus der budgetierten Steuerzuweisung für 142 Einwohner*innen, aber wir sorgen für die Instandhaltung und den Ausbau der Infrastruktur für 2500 untergebrachte Gäste und Hunderte weitere Tourist*innen, die während der Saison für Tagesausflüge hier vorbeikommen", erklärt der Bürgermeister von Malá Úpa. Und er fügt hinzu, dass sie Glück hatten, einen Investor zu finden, der die Meinung der Gemeindeführung respektiert und mit einem Architekten zusammenarbeitet, der die örtlichen Regeln beachtet. Er versteht, dass man in den Unterkünften gerne einen Blick auf die Schneekoppe durch ein großes Fenster hätte, aber den Schein des beleuchteten Wohnzimmers auf der Bergwiese sieht dann auch ein vorbeikommender Tourist.

Im Lebensmittelladen sollen sich die Menschen treffen

Auf der anderen Seite des Landes, im Vorgebirgsdorf Trojanovice am Fuß der Beskiden, ist ein Großteil der Umgestaltung des öffentlichen Raums und seiner Gebäude bereits abgeschlossen. Die 2009 begonnene Zusammenarbeit mit dem Architekten Kamil Mrva hat der Gemeinde nicht nur viele Auszeichnungen, sondern vor allem die Zufriedenheit der Bewohner*innen eingebracht. Bürgermeister Jiří Novotný gibt zu, dass er kein Verfechter von öffentlichen Diskussionen und partizipativen Prozessen ist. „Manche würden sagen, dass ich kein Demokrat bin. Die politische Verantwortung liegt letztlich immer bei der Gemeindeleitung und dem Gemeinderat. Man muss schon manchmal ein kleiner Diktator sein und sich durchsetzen. Natürlich mit guten Argumenten“, erklärt Novotný seinen Ansatz. Trojanovice hat seine historischen Altlasten abgearbeitet, und heute investiert die Gemeinde, ist schuldenfrei und ihr Konto ist im Plus.

Bereits 2009 begann die Gemeinde in Zusammenarbeit mit der Initiative Unsere Beskiden (Naše Beskydy) mit der Restaurierung der Gebirgsglockentürme, um ihren Widerstand gegen den drohenden Kohleabbau zu demonstrieren. Die Zusammenarbeit mit dem Architekturatelier von Kamil Mrva in Kopřivnice wurde mit dem Umbau des Restaurants im Dorf, des Cafés, der Schule, des Amphitheaters und des Lebensmittelladens fortgesetzt, der sich mit dem Titel des Schönsten Ladens in der Tschechischen Republik schmücken darf. Der Bürgermeister freut sich nicht nur über die wachsenden Einnahmen des Dorfladens, sondern auch darüber, dass die Einheimischen tatsächlich dort einkaufen und der Laden als Treffpunkt für die Menschen dient. Das letzte Projekt war die Endstation der Seilbahn nach Pustevny, die sich in der Nähe der Bauden Maměnka und Libušín von Dušan Jurkovič (1868 - 1947) befindet. Hier scheint sich niemand an großen Glasflächen zu stören.

Auch der Umbau des Gemeindeamtes sowie von weiteren kommunalen Flächen stehen in Trojanovice an. Hečková fragt sich, ob am Ende nicht zu viel gebaut werde; das Dorf soll keine Stadt sein und seine Zartheit behalten und sich wie verstreuter Tee in freie Landschaft fügen. Vielleicht ist das benachbarte Pálkovice, das beschlossen hat, sich vom Architekten Mrva inspirieren zu lassen und ihn ebenfalls zu beauftragen, das beste Beispiel hierfür.

Wenn die Blaskapelle für Senioren nicht genug ist

Der Ansatz von Bürgermeister Novotný aus Trojanovice mag kein Einzelfall sein, aber dennoch setzt sich der Trend zu mehr Bürger*innenbeteiligung immer stärker durch. Unterstützt wird dies in Tschechien zum Beispiel von der Via-Stiftung (Nadace Via), der zufolge die aktive Beteiligung der Bevölkerung an der Entscheidungsfindung die Grundlage einer demokratischen Gesellschaft und eine Prävention gegen Spaltungen und Populismus ist, die die Demokratie untergraben. „Wir helfen dem gemeinschaftlichen Leben dabei, sich zu entfalten. Wir unterstützen diejenigen, die das Leben in ihrem Umfeld verbessern. Sie gestalten öffentliche Räume um, restaurieren kleine Denkmäler, beleben den öffentlichen Raum tschechischer Städte oder organisieren Nachbarschaftsfeste. Dabei lernen sie, sich um den gemeinsamen Raum zu kümmern, zusammen zu arbeiten und Beziehungen zu verbessern“, so das Motto der Stiftung.

Ein Beispiel dafür ist die inzwischen recht bekannte Georgshalle im Krebsgrundtal (Tančírna v Račím údolí). Bevor das Grundstück der Tschechischen Bahn abgekauft wurde, gab es eine Reihe von öffentlichen Versammlungen mit den Einwohner*innen, um deren Interesse zu wecken. Doch der Preis war zu hoch. Die Gemeinde Bernartice, zu dessen Kataster die Georgshalle gehört und die das Gebäude schließlich kaufte, war lange Zeit nicht in der Lage, die Mittel für den Wiederaufbau aufzubringen. Erst im sechsten Anlauf gelang es. Im Zuge der Renovierungsarbeiten entstanden dann gleichzeitig auch touristische Einrichtungen. So wurden sowohl das Gebäude selbst als auch seine Geschichte für Besucher*innen zugänglich gemacht.

Georgshalle im Krebsgrundtal (Tančírna v Račím údolí) Georgshalle im Krebsgrundtal (Tančírna v Račím údolí) | Foto: © Žaneta Gregorová Für Bernatice hat dieses einzigartige und inzwischen bekannte Gemeinschaftsgebäude noch eine weitere wichtige Auswirkung. „Der Tanzsaal hat den gesamten Ort aufgewertet. Im Tal hat sich viel getan. Eine große Rolle spielte zum Beispiel auch die Einrichtung von Montessori-Klassen in Vápenná, wo sich mehrere junge Familien niedergelassen haben. Das Reichensteiner Gebirge (Rychlebské hory) zieht immer mehr Tourist*innen an. Die Immobilienpreise steigen, die Atmosphäre verändert sich. Die Menschen sind auf einmal stolz auf ihr Dorf“, sagt Zdeňka Morávková, eine Designerin und Dramaturgin, deren Aufgabe es unter anderem ist, ein Programm für die breite Öffentlichkeit zu entwickeln. Dazu gehören kreative Workshops und Sommercamps für Kinder. Auch das Programm für ältere Menschen ist sorgfältig durchdacht, ohne Blaskapellen. In den Ferienmonaten 2022 wurden beispielsweise mehrere Tanzaufführungen, Konzerte, Vorträge zur Geschichte und Reisen, eine Vernissage, Yogastunden oder ein „Griechischer Tag“ angeboten.

Wahlen und teure Energie

Während des Jahres 2022 haben sich die Prioritäten geändert und langfristige Strategien wurden von Sorgen um den kommenden Winter überschattet. Allein in der Tschechischen Republik sind fast drei Millionen Haushalte vom Gaspreis betroffen, und der Strompreis betrifft alle. Für die Verantwortlichen in den Kommunen ist es jedoch nicht leicht, etwas gegen dieses Problem zu unternehmen, schon gar nicht sofort. In einer Veröffentlichung der Organisation Re-set mit dem Titel Eine neue Vereinbarung für Ihre Gemeinde (Nová dohoda pro vaši obec) wurden Instrumente für die kommunalen Selbstverwaltungen vorgestellt. Das Autorenkollektiv weist auf die Bedeutung eines Energiekonzepts hin, also eines Dokuments, das als Grundlage für Flächenplanungsunterlagen dient und es ermöglicht, den Energiesektor in der Gemeinde umfassend und organisiert zu beeinflussen. Für die Erstellung des Konzepts kann ein Zuschuss aus dem nationalen Umweltprogramm beantragt werden. Neben den bereits bekannten Isolierungs- und Energieeinsparungsmaßnahmen könnte die Lösung auch in der Förderung von Gemeinschaftsenergie bestehen, die aus Investitionen in den Bau von erneuerbaren Energiequellen durch lokale Akteure oder die Gemeinde selbst besteht. Die Energiequellen werden dann von den Bürgern als Miteigentümer und direkte Verbraucher verwaltet. Überschüssige Energie, die nicht verbraucht wird, wird entweder in das Netz eingespeist oder an andere Verbraucher verkauft. Dank des Modernisierungsfonds und anderer Subventionsprogramme ist es möglich, Unterstützung und Finanzierung zu erhalten, damit die Gemeinden in erneuerbare Energiequellen investieren können.

Es besteht die Möglichkeit, die Stelle eines oder einer Energiemanager*in einzurichten. Diese*r kann Gemeinden bei Energieprojekten unterstützen, zum Beispiel bei der Einrichtung von Photovoltaikanlagen auf öffentlichen Gebäuden oder bei der Beratung von Bürger*innen, die Anträge stellen wollen, gegebenenfalls beim Zusammenführen von Akteuren, die an einer gemeinsamen Investition in kommunal-energetische Projekte interessiert sind.

Tschechien wartet zwar noch immer auf eine Novelle des Energiegesetzes, die den Energiegemeinschaften endlich helfen würde, aber die Energieregulierungsbehörde hat endlich eine Verordnung erarbeitet, die die gemeinsame Nutzung von Strom durch Kund*innen in Mehrfamilienhäusern und möglicherweise auch in größeren Gemeinden erleichtern soll. Trotzdem gibt es Hoffnung, dass die Debatte nach langer Zeit wieder in Gang kommt. Auf Ebene der kleineren Gemeinden war dies längst überfällig.

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