Wir
Kaffeekultur und die Region Ida-Viru

Zwei Hunde sitzen an einem Tisch in einem Café. © Marija Bolšakova

„Wir sind Menschen aus dem Norden, bei uns ist alles ein bisschen anders." - ein Interview über die Kaffeekultur in Ida-Virumaa mit den Besitzern des Cafés Bublik in Narva und Alisa Basanskaya - einer Barista in der Ukraine, die zuvor in Narva wohnte.

Anastassija Bondarenko

Die Besitzer des Cafés Bublik in Narva über die Kaffeekultur im Kreis Ida-Viru:

Grundsätzlich ist die Kaffeekultur in Narva nicht ausgeprägt – es gibt nur sehr wenige Kaffeekenner*innen. Die Leute beeilen sich ständig, es ist einfacher für sie, an einer Tankstelle vorbeizufahren.

Es gibt die Meinung, dass es den besten Kaffee in Narva an der Tankstelle gibt. Sind Sie damit einverstanden?

Leute, die es eilig haben, sind in der Mehrheit. An der Tankstelle gibt es den Kaffee auf die Schnelle. Ich liebe Kaffee und habe ihn an verschiedensten Orten probiert ... wir haben hier den leckersten Kaffee.

Wir haben lange nach dem richtigen Kaffee gesucht, viel probiert, viel gelernt, weil wir ein Kaffeehaus eröffnen wollten. Die Hauptsache hier ist der Kaffee: kalt, cold brew, italienisch, sowie seine verschiedenen Varianten. Deshalb war es für uns eine Priorität, einen guten, qualitativ hochwertigen Kaffee zu finden. Wir haben sehr teure Sorten, das ist den Leuten vielleicht gar nicht bewusst. Für sie ist es nur der Kaffee an der Tankstelle, bei McDonald's, im Café Bublik, aber in Wirklichkeit ist unser italienischer Kaffee von sehr hoher Qualität: wir verdienen praktisch nichts an einer Tasse, sie kostet so viel, wie der Kaffee kostet. Darauf sind wir stolz, und wenn jemand Kaffeekenner*in ist, wird er*sie schon verstehen, dass wir mit Herzblut dabei sind.

Ist es leicht für Sie, hier jemanden zu finden, der*die als Barista arbeitet?

Nein, es ist schwierig, deshalb haben wir eine automatische Maschine. Wir haben von einer manuellen Maschine geträumt, aber leider gibt es in Narva nur sehr wenige Spezialist*innen und wahrscheinlich nicht einmal in diesem speziellen Bereich. Vielleicht gibt es einige, die wissen, wie man einen wirklich guten und schmackhaften Kaffee macht. Aber vor allem brauchen wir Kunden und Kundinnen, die zu schätzen wissen, dass der Kaffee von Hand zubereitet wird. Die meisten Menschen gehen an eine Tankstelle und nicht dorthin, wo sie 15 Minuten lang auf ihren frischen Kaffee warten müssen. Das sind die Zeiten, in denen wir leben - alle haben es eilig.

Sie haben eine ziemlich große Auswahl an Getränken. Was ist ihr Lieblingsgetränk?

Cappuccino. Und wenn wir die verschiedenen Jahreszeiten betrachten, dann mögen wir im Sommer Limonaden, Cold Brew und Frappé (wir sind wahrscheinlich die Einzigen, die das im Moment haben). Cold Brew ist ein Getränk, bei dem kaltes Wasser auf den grob gemahlenen Kaffee geschüttet wird. Die Leute hier verstehen es nicht, sie schätzen es nicht. Im Sommer bevorzugen wir Limonaden, kalt gebrühten Kaffee und Frappé, im Winter – Kaffee und Tees.

Was halten Sie von Milchalternativen, halten Sie sie für einen würdigen Ersatz?

In gewissem Maße ist es ein Trend, aber die Leute sind auch sensibler für ihre Gesundheit geworden. Jede*r, der gegen Laktose allergisch ist, weiß, dass es eine gute Alternative ist. Es gibt viele Latte-Liebhaber*innen, aber viele vertragen keine Kuhmilch, deswegen haben wir Alternativen – Kokos-, Soja- und Mandelmilch, wir haben eine große Auswahl.

In anderen Interviews haben Sie erwähnt, dass Sie sich von der Kaffeekultur anderer Länder inspirieren lassen. Gibt es einen Ort, der in diesem Zusammenhang besonders hervorsticht?

Italien, Spanien, der Mittelmeerraum, Katalonien mit seinen Kaffeehäusern und natürlich die Balkanländer haben einen großen Eindruck bei mir hinterlassen. Ich fahre oft nach Montenegro, wo die Kultur des Kaffeetrinkens sehr ausgeprägt ist. Montenegriner*innen gehen erst zur Arbeit, nachdem sie morgens in einem Café saßen und eine Tasse Kaffee tranken. Es ist eine Kultur, eine Tradition, die sich dort entwickelt hat, der Kaffee wird dort vor ihren Augen zubereitet. Wir sind Menschen aus dem Norden, bei uns ist alles ein bisschen anders.

Können Sie sich vorstellen, dass sich in Estland ein Fika* etabliert? Wie könnte das aussehen?

Wahrscheinlich nicht. Schweden ist ein Land mit vielen Nationalitäten und sehr gemischt. Wenn neue Fantasien und Ideen auftauchen, stellen wir oft fest, dass die Menschen hier in Narva das Traditionelle bevorzugen, um es so einfach, wie möglich zu halten. Etwas Komplizierteres kommt für gewöhnlich gar nicht auf. Hier gibt es Kaffee - Espresso, Americano, Cappuccino, Milchkaffee, es gibt auch einen Cold Brew. Was ist das? Frappé? Das ist etwas, das ich nicht verstehe und kenne. Geben Sie mir einen Milchkaffee.

Café Bublik, aber wo sind die Bubliks**?

Alles ist im Schaufenster zu sehen, heute haben wir sie. Unsere Bubliks sind etwas schmackhafter. Ein Bublik ist für uns alles, was mit Teig zu tun hat, es ist kein Bublik im wahrsten Sinne des Wortes. Am Anfang hatten wir nur diese, aber die Leute wollen nicht wirklich ein ungesäuertes Brötchen, alle wollen es süß und lecker haben, also kamen nach den Bubliks Zimtschnecken, Mohnbrötchen, verschiedene Sorten von Kuchen, damit sie von den Kund*innen gefunden werden und nicht nur im Regal liegen: hier bin ich - ein Bublik, nur weil ich hier sein soll. Ein Bublik ist für uns ein Teig, aus dem wir alles backen und nachdem wir schon mehrere Jahre daran gearbeitet haben, machen wir etwas, das die Leute mögen, nicht etwas, das im Schaufenster vertrocknet, sondern etwas, das sie mögen.

Alisa Basanskaya war im Rahmen des Programms European Solidarity Corps ein Jahr lang als Freiwillige in Narva bei VitaTiim, dem Zentrum für außerschulische Bildung, tätig. Sie kommt aus der Ukraine und arbeitet als Barista. Was sind die Unterschiede in der Kultur des Kaffeetrinkens in Estland und der Ukraine?

In der Ukraine sind Cafés der dritten Welle*** und frisch gerösteter Kaffee sehr populär. Und da das Land groß ist, ist die Kaffeeindustrie sehr fortgeschritten. Bei den Getränken stehen alternative Brühmethoden (Filter, V60, Aeropress etc.) im Vordergrund. Dank der frischen Röstung haben Espresso und andere Kaffeegetränke verschiedene Geschmacksnuancen: Beere, Schokolade, Zitrus, Karamell.

Mir scheint es, dass Kaffeeläden in Estland, die mit frisch gerösteten Bohnen arbeiten und alternative Zubereitungsmethoden anwenden, weniger beliebt sind. Hier und dort kommt sogar Sahne auf den Milchkaffee. Grundsätzlich ist die Rechnung einfach: Mehr Menschen in der Ukraine bedeuten mehr Cafés, in Estland bedeuten weniger Menschen weniger Cafés.

Was denkst du, ist es üblicher, in Estland ein Getränk in Eile zu trinken oder in Ruhe zu genießen?

Mir scheint es, dass die zweite Option besser geeignet ist. Das Klima und die Atmosphäre laden dazu ein, in einem gemütlichen Café zu verweilen und etwas Heißes zu genießen.

* Fika ist die Tradition, eine Pause von der Arbeit zu machen, um einen Kaffee zu trinken. Es dauert weniger als 15 Minuten und wird in der Regel mit etwas Süßem wie einem Brötchen oder einem Keks getrunken. In Schweden ist es eine Gewohnheit, mehrmals am Tag mit Kolleg*innen oder Freund*innen zum Fika zu gehen.
** weiches Gebäck in Kringelform
*** kleine, privat geführte Cafés mit hochwertigen Kaffeespezialitäten

 


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