Mit Comedy gegen den Stillstand im Leben
Kein Objekt der Inspiration

Sweta Mantrii © privat

Die in Pune lebende Schriftstellerin und Stand-up-Comedian Sweta Mantrii wurde mit Spina bifida geboren und engagiert sich für die Inklusion von Menschen mit Behinderungen. Hier berichtet sie, wie sie mithilfe von Comedy den Stillstand in ihrem Leben überwindet.

Reema Gehi Desai

„In meiner Familie gibt es einen Running Gag. Ich bin es nicht“, ist in Sweta Mantriis WhatsApp‑Status zu lesen. Die 34 Jahre alte Schriftstellerin und Stand-up-Comedian, die sich für die Inklusion von Menschen mit Behinderungen engagiert, setzt diese Form der Selbstironie gezielt ein, um ihrer eigenen Situation mehr Leichtigkeit zu geben. „Irgendwie hängt doch alles zusammen“, sagt sie. „Vielleicht versuche ich mithilfe von Humor, meine dunkle Realität, die Ungerechtigkeiten des Lebens und den Mangel an sozialer Gerechtigkeit zu überwinden.“

Mantrii wurde mit Spina bifida geboren, einem Geburtsfehler, bei dem sich die Wirbelsäule und das Rückenmark nicht normal ausbilden. Comedy und Krücken unterstützen sie auf ihrem Weg durchs Leben.

Mantrii, die einen Abschluss in Betriebswirtschaftslehre hat, produzierte 2015 ihren ersten Kurzfilm, in dem sie die komplexe Lebensrealität von Menschen mit Behinderungen in den Mittelpunkt rückte. „Im Film behandelten wir zahlreiche Themen wie Bildung, Sexualität und Infrastruktur in einem sachlichen Ton. Beispielsweise berichteten wir über das berühmte Goodluck Café in Pune. Ich machte darauf aufmerksam, dass das Café keine Toilette habe und nicht barrierefrei sei, weshalb ich es nicht besuchen könne“, so Mantrii. „Doch der Film stieß auf gemischte Resonanz und auf einige heftige Gegenreaktionen. Mir wurde gesagt, ich solle mich nicht darüber beschweren, dass ein iranisches Café für mich nicht barrierefrei sei, wenn ich es mir doch leisten könne, einen besseren Coffeeshop zu besuchen. Darüber habe ich mich sehr geärgert, denn letzten Endes ist es doch allein meine Entscheidung.“

Wut und Enttäuschung

Wenige Zeit nach dem Vorfall entwickelte Mantrii einen kurzen Comedy‑Beitrag als Vorfilm, um die Stimmung ein wenig aufzulockern. „Das war meine erste Open‑Mic‑Session. Rückblickend war es nicht mein stärkster Auftritt“, räumt sie ein. „Doch in der Zwischenzeit habe ich meine eigene Stimme und Ausdrucksform gefunden, denke ich.“
 
Mantriis Themenspektrum reicht von der Bewältigung täglicher Aufgaben bis hin zu den Herausforderungen der Welt des Datings. Als Komikerin, so räumt Mantrii ein, könne sie auf der Bühne Dinge sagen, die sie im normalen Leben niemals ansprechen würde. „Außerdem ist es mir möglich, psychologische Barrieren abzubauen oder die Menschen zu einem bestimmten Verhalten zu bewegen. Wenn sie beispielsweise sehen, wie eine Person mit Behinderung die Straße überqueren will, dann sollen sie ihre Hilfe anbieten“, erklärt sie.

Im Jahr der Veröffentlichung von Mantriis Film sprach der indische Premierminister Narendra Modi in seiner Mann ki Baat (einer indischen Radiosendung) zufälligerweise davon, dass Menschen mit Behinderungen fortan als „Divyang oder Divyangjan“ bezeichnet werden sollten. Das ist Hindi und bedeutet: „Person mit einem göttlichen Körperteil“. Mit dieser Bezeichnung kann sich Mantrii nicht so recht anfreunden. Sie ist der festen Überzeugung, dass nicht die Behinderung das Problem ist, sondern „die Barrierefreiheit oder das Fehlen einer solchen“.

Sie erinnert sich daran, dass ihr vor einiger Zeit der Zugang zu einem Nachtklub in Pune verwehrt wurde. Wegen der gedimmten Beleuchtung wollte das Management nicht die Verantwortung dafür übernehmen, sie in den Klub zu lassen. Allerdings war ihre gesamte Kindheit von solchen Erlebnissen geprägt. „Ich besuchte eine ganz normale Schule, und während des Sportunterrichts wurde von mir und einem anderen Mädchen mit einem ähnlichen Krankheitsmuster verlangt, dass wir im Klassenzimmer blieben, obwohl mir meine Eltern zu Hause erlaubten, auf die Straße zu gehen und mit anderen Kindern zu spielen. Auch während der Mittagpausen durften wir den Klassenraum nicht verlassen“, berichtet sie. „Die Schule engagierte sogar eine Vollzeitbetreuung für uns. Wenn sie nicht auftauchte, wurden wir bis zur siebten Klasse für den Tag nach Hause geschickt.“

Es ging fast schon erniedrigend langsam voran

In solchen Momenten verspürte Mantrii „Wut und Enttäuschung“. Doch so richtig bekam sie erst im Alter zwischen 25 und 30 Jahren zu spüren, dass es in ihrem Leben nicht voranging. „Damals heirateten alle meine gleichaltrigen Freund*innen. Bis zu diesem Zeitpunkt waren wir bei allen meinen großen Lebenszielen wie Ausbildung und Job im Gleichstand. Doch in diesem Bereich hatte ich das Gefühl, dass mich alle überholten, während die Zeit für mich einfach stehen blieb“, berichtet sie. „Ich bat daher meine Eltern, nach einem geeigneten Partner für mich zu suchen. Doch es ging fast schon erniedrigend langsam voran. Ich wurde gefragt, was ich alles könne. Manche forderten mich auf, zu zeigen, „wie ich laufe“, und ich weigerte mich. Das war ein echter Tiefpunkt in meinem Leben.“ Mantrii wusste: „Ich brauche keinen Pfleger, sondern einen Gefährten.“

Aus medizinischer Sicht stellt die Behinderung ein Problem dar. „Doch aus sozialer Sicht liegt das Problem bei einer Gesellschaft, die Menschen mit Behinderungen nicht gerecht werden kann“, so Mantrii. „Heute kenne ich meinen eigenen Wert.“

Mantrii lässt es daher nicht zu, in die „Inspirationszone“ abgeschoben zu werden. „Es gibt Menschen, die fühlen sich durch mich inspiriert, weil ich trotz meiner sogenannten Einschränkungen etwas tue und ein erfülltes Leben habe“, erklärt sie. „Doch das heißt nur, dass sie sich vor allem auf meine Stärken konzentrieren und meine Einschränkungen nicht wahrnehmen. Diese Barrieren wollen wir durchbrechen. Ich lasse mich nicht zu einem Objekt der Inspiration degradieren.“ Mantrii geht es nicht darum, andere zu inspirieren, wie sie betont. „Ich mache lediglich das, was ich tun muss, um an mein Ziel zu kommen. Die Menschen gehen viel zu leichtfertig mit dem Begriff um. Wir alle sind echte Menschen mit Fehlern, und so möchte ich von der Welt wahrgenommen werden – wie alle anderen auch“, sagt sie.

Willkommen in meiner Welt

Die COVID‑19‑Pandemie, die 2020 über die Welt hereinbrach, und der anschließende Lockdown seien die einzige „Lebenserfahrung, die Menschen ohne Behinderungen mit mir gemein haben“. Mantrii berichtet von dieser Situation in einigen ihrer Videos, die sie auf ihren Social‑Media‑Seiten geteilt hat. „Die Menschen waren verärgert, weil sie nicht nach draußen gehen oder ihr Zuhause verlassen konnten, wenn ihnen danach war“, erzählt sie. „Willkommen in meiner Welt. Das ist mein Alltag. Für die Welt stand die Zeit während des Lockdowns still. Doch unser persönlicher Lockdown endet erst mit einer verbesserten Barrierefreiheit, oder?“

Inzwischen sehen sich Großkonzerne durch die Pandemie dazu gezwungen, eine Homeoffice‑Option in Betracht zu ziehen. „Für mich hat sich diese Möglichkeit jedoch nie geboten, als mich zum ersten Mal auf Jobsuche machte. Vor fast einem Jahrzehnt entschied ich mich schweren Herzens für die Selbstständigkeit und die Arbeit im Homeoffice, weil die meisten Unternehmen keine ausreichende Barrierefreiheit gewährleisten können“, berichtet sie. „Es war meine einzige Möglichkeit. Ich begann zu schreiben, und seit 2018 arbeite ich an meiner Show With This Ability.“
 
Im Dezember 2020 hat Mantrii das elterliche Nest verlassen. „Ich hatte schon eine ganze Weile darüber nachgedacht. Doch wegen der Pandemie hat sich alles ein wenig nach hinten verschoben. Nach der ersten Welle sagte mir eine Freundin, dass in ihrer Wohnung ein Zimmer frei sei, und ich entschloss mich, den Sprung zu wagen. Für meine Mutter war es in Ordnung, doch mein Vater hatte einige Bedenken“, erzählt sie. Mit dem Alleinleben seien zwar gewisse Freiheiten verbunden, doch es sei „auf eine andere Weise auch ermüdend und zeitraubend“. „Zuhause erledigten meine Eltern alles. Meine Mutter unterstützte mich und sorgte dafür, dass meine Aufgaben weniger mühsam waren. Ich brauchte einige Zeit, bis ich mich an die neue Routine gewöhnt hatte. Im April 2021 bin ich noch einmal umgezogen. Wir haben nun eine Koch- und Putzhilfe. Mit der Zeit habe ich mir einige Tricks angeeignet und Hilfsmittel zugelegt, um das Leben zu bewältigen. Außerdem wohnen meine Eltern 30 Minuten entfernt.“


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