Anerkennung von Berufsabschlüssen

Der deutsche Arbeitsmarkt zieht Menschen aus aller Welt an. Die Chancen, in Deutschland eine qualifizierte Beschäftigung zu finden, sind für sie höher, wenn sie ihre ausländischen Berufsabschlüsse anerkennen lassen. Aber an wen wendet man sich und wie läuft ein Anerkennungsverfahren ab?

Michelle-Ange Monteu hat es geschafft. Die Ärztin aus Kamerun hat den Gleichwertigkeitsbescheid bekommen, das heißt, dass ihr Studium in Westafrika anerkannt wurde. Seit Ende 2012 darf sie nun in ihrem Beruf als Ärztin arbeiten und wird auch dementsprechend bezahlt. Stolz blickt sie in die Kamera. In den dunklen Locken trägt sie ein weißes Haarband, dazu eine blaue Leinenbluse, wie sie Ärzte tragen, um ihren Hals hängt ein Stethoskop. „Ich mag gern helfen, ich habe diese Leidenschaft in mir“, sagt sie, lächelt und schwärmt von ihren Möglichkeiten als Ärztin in Deutschland.
 
Das Video, in dem sie von ihrer Erfahrung berichtet, ist unter der Rubrik „Erfolgsgeschichten“ auf der Webseite „Anerkennung in Deutschland“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung zu finden. In dem Interview erzählt sie, dass sie vor einigen Jahren nach Deutschland gekommen ist. Zuerst hat sie sechs Monate lang einen Sprachkurs besucht und danach ein Jahr als Praktikantin in einem Krankenhaus gearbeitet. Als sie ihre Abschlüsse anerkennen lassen wollte, hat sie im Internet eine Beratungsstelle gefunden. Dort riet man ihr, noch einen Intensivkurs zur Fachsprache sowie einen Vorbereitungskurs auf die Kenntnisprüfung Humanmedizin, eine ein Art verkürztes Staatsexamen für Ärzte aus Drittstaaten, zu besuchen. Sie hat die Prüfung bestanden und ihre Zulassung als Ärztin erhalten.

Anerkennung nur für wenige Berufe ein Muss

Ausländische Bildungsabschlüsse anerkennen zu lassen, kann dabei helfen, in Deutschland eine Arbeitsstelle zu finden, die der eigenen Qualifikation entspricht. Die Anerkennung ist aber keine Voraussetzung, um überhaupt in Deutschland zu arbeiten. „Das ist ein großer Irrtum“, sagt Dr. Knut Diekmann, Referatsleiter Weiterbildung beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK). „In den meisten Fällen geht es darum, eine Beschäftigung annehmen zu können, die zur Qualifizierung passt.“ Von den rund 450 Berufsabschlüssen seien nur rund ein Fünftel so genannte „reglementierte Berufe“, also durch bestimmte Vorschriften geregelt. Nur, wer in diesen Berufen arbeiten möchte, muss ein Verfahren durchlaufen. Solche Berufe sind zum Beispiel Arzt, Rechtsanwalt, Apotheker, Krankenschwester oder Ingenieur. „Das sind Berufe, in denen man Tätigkeiten ausübt, die eine potentielle Gefahr für andere Menschen beinhalten“, so Diekmann.

Beratung in einer Erstanlaufstelle

Wer seinen Berufsabschluss anerkennen lassen möchte, sollte sich wie die Ärztin Michelle-Ange Monteu zuerst beraten lassen. Auf der Seite des Netzwerkes „Integration durch Qualifizierung“ sind Erstanlaufstellen für ganz Deutschland aufgelistet, die bei der Vorbereitung des Verfahrens helfen. Wer keine vorbereitende Beratung braucht, kann auf der Webseite „Anerkennung in Deutschland“, direkt seine zuständige Stelle für den Antrag finden. Die Seite gibt es auf Englisch, Spanisch, Rumänisch, Polnisch, Türkisch und Italienisch.

Einen Antrag stellen

Um einen Antrag zu stellen, braucht man Nachweise aus dem Heimatland, also Abschlusszeugnisse, Diplome und Arbeitszeugnisse. Schulzeugnisse sind nicht nötig. Auch wer keine Abschlüsse nachweisen kann, weil die Papiere vielleicht auf der Flucht verloren gegangen sind, kann einen Antrag stellen. Diese Personen bekommen die Möglichkeit, eine verkürzte Prüfung zu machen, um ihre Fähigkeiten und Kenntnisse nachzuweisen. Die ausländischen Abschlüsse werden individuell für jeden Antragsteller mit den deutschen Anforderungen verglichen. „Wenn man etwas in der Ausbildung nicht behandelt, aber bei der Arbeit gelernt hat, dann ist es auch in Ordnung“, sagt Knut Diekmann vom DIHK.

Volle oder teilweise Gleichwertigkeit

Rund 26500 Anträge wurden seit April 2012 bearbeitet. Das Verfahren kann die Antragsteller je nach Beruf und Region 100 bis 600 Euro an Gebühren kosten. „Rund 75 Prozent der Menschen bekommen die volle Gleichwertigkeit“, sagt Diekmann. Das bedeutet: Abschlüsse und Arbeitserfahrungen entsprechen zu 100 Prozent den deutschen Anforderungen. Es kann auch eine teilweise Gleichwertigkeit bescheinigt werden. „Aber auch die reicht manchen Betrieben aus, um eine Person einzustellen“, so Diekmann. Flächendeckende Angebote zur Nachqualifizierung gibt es bisher noch nicht. Ob jemand sich in speziellen Kursen weiterbilden und so die vollständige Gleichwertigkeit bekommen kann, hängt von der Region und der Branche ab, so Diekmann. „Es ist problematisch, Kurse zusammenzustellen“, sagt er, „da die Lücken sehr individuell sind“. Man arbeite an Konzepten.

Qualifizierte Beschäftigung

Viele Antragsteller hätten bereits Arbeit, wollten aber eine qualifizierte Beschäftigung, erzählt Diekmann und führt als Beispiel einen Meldetechniker an, der in Deutschland als Taxi-Fahrer arbeitet. Für seinen Beruf ist eine Anerkennung an sich nicht nötig: Würde er eine passende Stelle finden, könnte er ohne Anerkennung dort arbeiten. Mit einer Anerkennung hat er allerdings bessere Chancen bei der Bewerbung.
Für einige Berufsgruppen werden die Anträge im jeweiligen Bundesland bearbeitet. Zum Beispiel ist das bei Ingenieuren so, bei Lehrern, Ärzten, Altenpflegern oder Erziehern. Auch über die Anerkennung von Hochschulabschlüsse entscheiden die einzelnen Länder. Dafür muss man sich an das Kultusministerium des Landes wenden, in dem man arbeiten möchte.
Sprachkenntnisse spielen für das Anerkennungsverfahren von Berufsabschlüssen keine Rolle. „Wir haben kein Mindestniveau festgelegt“, sagt Knut Diekmann vom DIHK, „da es viele Tätigkeiten gibt, für die man keine Sprachkenntnisse braucht“. Zum Beispiel in der IT-Branche, als Dachdecker oder Bauarbeiter. „Wie wichtig die Deutschkenntnisse sind, entscheidet dann der Arbeitgeber.“ Die Ärztin Michelle-Ange Monteu zum Beispiel musste das Sprachniveau B2 nachweisen und zusätzlich eine Fachsprachenprüfung bestehen, um im Land Baden-Württemberg als Ärztin arbeiten zu können.