Kultur

Mit Paramount Styles und Cello durch Europa

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Paramount styles in Brno, © www.paramountstyles.com

Eine Tournee mit einer Rockband gehört sicherlich auf die Liste der 101 Dinge, die man erlebt haben muss, bevor man stirbt. Im Falle von Paramount Styles, der Band um Gitarrist Scott McCloud und Drummer Alexis Fleisig, ist die Chance auf ein solches Erlebnis angesichts der Fluktuation auf den übrigen Bandpositionen gar nicht schlecht. Bei den beiden letzten Tourneen war die Cellistin Kateřina Koutná mit von der Partie. „Alle Songs kamen bestens rüber“, sagt sie. Und auch die Stimmung innerhalb der Gruppe war prächtig.

Paramount Styles haben keine feste Zusammensetzung. Das tschechische Label Silver Rocket beschreibt die Band deshalb als „Armee verwandter Seelen“. In den USA spielen bei Paramount Styles andere Musiker als in Europa. „In Amerika spielte Julia Kent Violoncello. Das mache jetzt ich“, spielt Kateřina Koutná scherzhaft auf die Tatsache an, dass es Scott und Alexis nicht um große Namen geht (die beiden waren zuvor schon mit den Bands Soulside und Girls Against Boys ziemlich bekannt geworden. Aber Starallüren sind ihnen fremd).

Auf Tournee? Na gut

Kateřina studiert in Brno Musikwissenschaft. Von Paramount Styles hatte sie noch nie etwas gehört. Dann kam die Band nach Brno… aber ohne Violoncellist. Weil in Tschechien meistens das Prinzip „Ich-hab-da-einen-Bekannten“ zum Tragen kommt, wenn man irgendetwas braucht, kam das Angebot, mit Paramount Styles aufzutreten natürlich aus ihrem unmittelbaren Umfeld. Einen einzigen Auftritt mit der Band – da gab es für Kateřina nicht viel zu überlegen. Bei der Gelegenheit, die sich ein paar Monate später bot, kam sie schon deutlich mehr ins Grübeln. „Ich hatte nur ein paar Tage Bedenkzeit zu entscheiden, ob ich mit fremden Leuten zwei Wochen irgendwo auf Tour nach Spanien und Frankreich fahre“, erinnert sich die 24-Jährige. Schließlich sagte sie zu, und Paramount Styles waren mal wieder um ein weibliches Mitglied reicher.

Die erste gemeinsame Tournee ging ohne größere Probleme über die Bühne; es ging vor allem darum, sich gemeinsam einzuspielen. Kateřina hörte sich in die beiden Alben Failure American Style und Heaven’s Alright ein, erarbeitete sich ihren Part und steuerte selbst ein paar Ideen bei. Sie hatte den Vorteil, dass sie bereits Auftritte mit der Band Hope Astronaut hatte. Das Zusammenspiel mit Gitarre, Bass und Schlagzeug war ihr also nicht fremd. Und klassischer Musik widmet sie sich kaum noch. Dennoch war die Tour mit Paramount Styles eine große Herausforderung, gleichzeitig aber gut für Kateřinas Selbstbewusstsein. Die Band unterstützte sie nach Kräften. In Europa sind die Bandmitglieder seit nunmehr drei Jahren mehr oder weniger die gleichen – mit von der Partie sind noch Chris Smet aus Belgien an der Gitarre und Libor Palucha aus Prag am Bass, eine Rotation gibt es eigentlich nur am Violoncello. Das gemeinsame Spiel funktioniert hervorragend. Dass ein Song bei einem Konzert misslingt, kommt nicht vor.

Hauptsache Frühstück

Nach einer vierwöchigen Pause kamen die Musiker wie alte Bekannte zu einer sechzehntägigen Tour zusammen. Die Kürzel der besuchten Länder lesen sich wie folgt: D, F, CZ, PL, A, SK, SLO, HR. Als ich Kateřina vor dem Konzert in Olomouc fragte, wie sie mit den ganzen Kerlen zurechtkommt, antwortete sie: „Sie saufen viel.“ Alle weiteren Stories von der Tournee scheinen dies zu bestätigen. Wie denn auch anders – wenn man die Drinks umsonst hat, gibt es keinen Grund sich zu schonen. Außerdem verdränge man so besser sein lausiges Dasein als umherziehender Musiker.

„Die Stimmung war großartig“, beschreibt Kateřina die Atmosphäre auf der Tournee. „Auch wenn es im Tourwagen eigentlich nur drei Themen gab: schweinische Witze, Spott über das gemeinsame Album von Lou Reed und Metallica und Erinnerungen an Konzerte von Girls Against Boys.“ So eine Tournee, bei der man von Stadt zu Stadt fährt, sei übrigens nichts großartig Aufregendes, meint Kateřina. Eher verlaufe jeder Tag nach dem gleichen Schema: Morgens das Frühstück nicht verpassen, dann ab zum nächsten Auftrittsort, Soundcheck, Bierchen und Warten. Das Wichtigste ist dann, eine geeignete Übernachtung zu finden. Das kann mal ein Hotel sein, mal ein sozialistischer Plattenbau mit einem überraschten Pförtner wie in Ústi nad Labem oder ein gemeinsames kleines Zimmer wie es in Berlin und Dresden.

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„Die Stimmung war großartig.“ © www.paramountstyles.com

Aber gewisse Abwechslung gab es schon noch: So zum Beispiel als sich Kateřina irgendwo in Frankreich für zwei Stunden in einem Park verlief. „Danach haben wir eine Grundregel eingeführt – immer genügend Geld für ein Taxi bei sich zu haben.“ Für weniger schöne Überraschungen sorgte das französische Publikum. Das Konzert begann spät, die Zuschauer hatten schon einiges getrunken, und das schnellste Lied Horror Businnes (ein The Misfits-Cover) gab den Anlass für eine Prügelei. Ganz anders war das Publikum in Deutschland: Artiger Beifall – und nach dem Gig noch ein T-Shirt gekauft. Unvergesslich war auch der Auftritt in Bordeaux vor 3.000 Menschen. Und was war außer der gesammelten Erfahrung und neuer Freunde das Beste an der Sache? „Dass in dieser Affenkälte meinem Instrument nichts passiert ist. Es ist nämlich nicht versichert. Genausowenig wie die Instrumente der Jungs“, sinniert Kateřina schmunzelnd über die Lebenseinstellung der Bandmitglieder.

Ondřej Zuntych
Übersetzung: Ivan Dramlitsch

Copyright: Goethe-Institut Prag
April 2012

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