„Jeder Nazi ist ein Nazi zu viel“
Johannes Hartl aus Schwandorf berichtet auf seinem Blog „Schwandorf gegen Neonazis“ über die rechtsradikale Szene in der Oberpfalz. Der junge Journalist will damit verhindern, dass vor allem junge Menschen Gefallen an dem braunen Gedankengut finden.
Die Idee für das Internetprojekt Schwandorf gegen Neonazis entstand im April 2011. Damals marschierten Neonazis bei einem Aufmarsch mit brennenden Fackeln durch die Schwandorfer Straßen und hinterließen einen bleibenden Eindruck bei dem damals 16-jährigen Johannes: „Es hat mich entsetzt, wie martialisch sie durch die Stadt marschierten und ihre Idolen aus der Zeit des Nationalsozialismus huldigten.“ Getrieben von dieser Erfahrung, fing Johannes an, sich mit der lokalen Situation zu beschäftigen und stellte fest, dass es auch in Schwandorf eine organisierte Neonazi-Szene gibt. Er beschloss, seine Erkenntnisse der Öffentlichkeit zugänglich zu machen und erstellte das Blog Schwandorf gegen Neonazis.
Ausgezeichnetes Engagement
Seitdem recherchiert Johannes im Internet auf Neonazi-Seiten, um ihre Vorgehensweise zu entschlüsseln, ist jedoch auch auf Veranstaltungen in der Region vor Ort, um davon zu berichten. Die Thematik seiner Artikel lasse sich laut Johannes in zwei Bereich unterteilen, nämlich in die Überprüfung der lokalen rechtsradikalen Internetauftritte und die Berichterstattung über Veranstaltungen der rechten Szene in der Region. „Mir ist vor wichtig zu zeigen, wie die Bewegungen versuchen, mit Jugendlichen ins Gespräch zu kommen und sie so zu ködern.“ So hofft Johannes, junge Menschen von einem Dialog mit rechtsradikalen Gruppierungen abhalten zu können.
Für sein Engagement wurde Johannes bereits ausgezeichnet. Im Dezember 2011, also knapp acht Monate nach Gründung des Blogs, erhielt sein Projekt den „Hans-Weber-Preis für Demokratie und Toleranz“ des SPD-Unterbezirks Regensburg. Inzwischen arbeitet der 18-jährige Journalist aber nicht mehr allein an dem Blog, sondern tauscht sich auch mit Autoren anderer Plattformen aus und schreibt ehrenamtlich für den Störungsmelder der Wochenzeitung ZEIT und das Blog Endstation Rechts. Bayern.
Nachholbedarf bei Politik und Behörden
„Es lässt sich zahlenmäßig schwer beziffern, wie viele Neonazis in der Oberpfalz unterwegs sind“, erzählt Johannes und weist hin auf verschiedene Kameradschaften, die dem Netzwerk „Freies Netz Süd“ (FNS) zuzurechnen sind und die „Bürgerinitiative Soziale Alternative Oberpfalz“, eine Tarngruppe der FNS. „Letztlich ist aber jeder Nazi ein Nazi zu viel. Dass das Thema manchmal verharmlost wird, ist nicht der Zivilgesellschaft zum Vorwurf zu machen, sondern der Politik und den Behörden. Gerade in Bayern ist die Bekämpfung des Rassismus und Rechtsextremismus nahezu überhaupt kein Thema. Das muss sich dringend ändern.“
Johannes kritisiert die Politiker und Behörden für ihren Umgang mit rechtsradikalen Umtrieben: „Es gibt Nachholbedarf. Gerade bei der Polizei vermisse ich zum Teil die nötige Sensibilität im Umgang mit rechtsextremen Straftaten. Auch in der einen oder anderen Stadt muss noch erkannt werden, dass es keine Lösung sein kann, Neonazi-Aktionen zu verschweigen und unter den Teppich zu kehren.“ Auch die Staatsregierung zeige noch zu wenig Bereitschaft sich der Problematik anzunehmen und Rechtsextremismus tatsächlich zu bekämpfen. „Die Zivilgesellschaft leistet in vielen Teilen eine hervorragende Arbeit, doch die politischen Verantwortlichen und die Behörden schlafen bedauerlicherweise viel zu oft.“
Keine Entwarnung
Besonders in seiner Schulzeit ist Johannes auch persönlich mit Rechtsradikalismus konfrontiert gewesen. „Manchmal wird auf dem Schulhof ‚Jude‘ als Schimpfwort gebraucht oder Mitschüler mit Migrationshintergrund als ‚Kanacke‘ bezeichnet.“ Auch persönlich ist Johannes schon von Neonazis bedroht worden: „Regelmäßig werde ich auf Demonstrationen von Neonazis angepöbelt. Es ist auch schon vorgekommen, dass mich Neonazis in der Stadt angesprochen und mir als Warnung mehrere hundert Nazi-Flyer hingeworfen haben. Auf der Internetseite des FNS wurde ich als ‚jugendlicher Hassprediger mit kruder antifaschistischer Gesinnung‘ bezeichnet.“ Doch einschüchtern lässt sich Johannes davon nicht.
„Zurzeit gibt es glücklicherweise jedoch weniger zu berichten, denn um die rechtsradikale Szene in der Region ist es etwas stiller geworden.“ Entwarnen will Johannes aber trotzdem nicht: „Das rassistische Potential ist in der Bevölkerung bedauernswerter Weise doch noch ziemlich hoch. Aktuell können Neonazis davon zwar noch nicht wirklich profitieren, doch ist nicht gesagt, dass das so bleibt. Es gibt Bürger und Bürgerinnen, die zwar nicht organisiert sind, aber trotzdem über ein geschlossen rechtsextremes Weltbild verfügen. Das allein sollte uns alle in höchsten Maße alarmieren.“