Diaspora verfolgt dich nicht

Diaspora*
Ein Gespräch mit Dennis Schubert, einem der deutschen Entwickler des sozialen Netzwerkes Diaspora*, über dieses Projekt, die Open-Source-Philosophie und das Nerdsein. Diaspora*

Logo von Diaspora* © Diaspora*

Dennis, Du bist involviert in das Open-Source-Projekt Diaspora*. Das ist ein weiteres soziales Netzwerk. Warum brauchen wir noch Diaspora? Es gibt doch schon Facebook und Google+?

Sowohl Facebook als auch Google+ sind sehr gute soziale Netzwerke. Das große Problem ist allerdings der Datenschutz. In sozialen Netzwerken geht es um private Dinge: Was mache ich mit wem? Was gefällt mir? Wie denke ich über bestimmte Themen? Bei den „großen“ sozialen Netzwerken wie Facebook oder Google+ liegen diese Daten von allen Nutzern zentral auf einem Server, die Firmen können damit anstellen was sie möchten.

Was ist bei Diaspora* anders?

Bei Diaspora* sind die Daten dezentral: idealerweise hat jeder Nutzer seinen eigenen Server bei Diaspora* und speichert damit seine eigenen Daten. Somit ist niemand in der Lage, Profile aus den Daten zu erstellen, diese zu sammeln oder gar zu verkaufen.

Was passiert bei Diaspora*, wenn ich einige Daten lösche oder das Diaspora-Benutzerkonto schließe?

Kurz: Alles wird gelöscht. Es gibt keine Möglichkeit, ein gelöschtes Konto zu retten.

Die großen sozialen Netzwerke finanzieren sich durch den Datenverkauf ihrer Nutzer. Wie macht das Diaspora*?

Diaspora* finanziert sich ausschließlich durch Spenden. Am Anfang des Projektes kamen 200.000 US Dollar über Kickstarter zusammen, und auch jetzt spenden die Leute noch hin und wieder. Den Betrieb des deutschen Servers – Geraspora – finanzieren wir ebenfalls durch Spenden. Leider reichen die noch nicht aus, um alle Kosten zu decken. Wir sind da aber zuversichtlich.

Warum wolltest du an Diaspora* mitarbeiten?

Ich bin selber relativ aktiv in diversen sozialen Netzwerken, plane Veranstaltungen und schreibe über sie Nachrichten. Ich habe ein schlechtes Gefühl, wenn ich all diese Daten einer Firma anvertrauen muss. Ich bin wohl einer der wenigen Menschen, die sich die Facebook Datenschutzbedingungen komplett durchgelesen haben. Dann wurde mir klar, dass die Welt eine Alternative braucht und zufällig hab ich in der New York Times über Diaspora* gelesen…

Dennis Schubert
Dennis’ Profil auf Diaspora*

Was zieht dich an der Open-Source-Philosophie an?

Jeder kann mitmachen! Das ist ein bisschen so wie im realen Leben: Ich starte ein Projekt, Freunde und Kollegen interessieren sich dafür und helfen mit. Durch das Mitarbeiten von vielen Leuten entstehen Ideen, die einzelne Entwickler nie gehabt hätten. Außerdem ist durch den offenen Code sichergestellt, dass es keine „bösen“ Funktionen gibt, da diese der Community sofort auffallen würden.

Was meinst mit „bösen Funktionen“?

Mit bösen Funktionen meine ich zum Beispiel das gezielte Auswerten von Daten, das Verkaufen von Daten etc. So etwas ist ja alles automatisiert möglich und so was würde im Code der Dispora*-Software sofort auffallen.

Du schreibst eigenen Blog über Nerdsein. Was heißt es genau für dich, Nerd zu sein?

Ich werde oft als Nerd bezeichnet, vermutlich, weil ich mich schon immer für Technik interessiert habe. Meine Freizeit besteht zum größten Teil aus der Programmierung von Software, was mich wohl schon zum Nerd qualifiziert. Übrigens: In der Beschreibung über mich auf meiner Website findet man den Satz „nerd with a social life“ - das sollte man betonen. (lacht)

Inwieweit kannst du dich als „Nerd“ durchs Internet ins gesellschaftliche Leben einbringen?

Ich arbeite an Projekten, die im Internet aktiv sind und auf die jeder Zugriff hat. In der heutigen Zeit hat das Internet einen hohen gesellschaftlichen Stellenwert. Wenn ich also an einem dezentralen Netzwerk arbeite, das von vielen Leuten genutzt wird, ist das doch schon eine hohe Beteiligung am gesellschaftlichen Leben... Besonders zu sehen ist das zum Beispiel an den ACTA-Demonstrationen, die zu einem großen Teil über Diaspora* organisiert werden.

Angenommen, es gäbe kein Internet. Was würdest du dann machen?

Das kommt drauf an, ob es das Internet nicht mehr gäbe oder ob es das Internet noch nie gegeben hätte. Wenn es das Internet plötzlich nicht mehr gäbe, dann… würde ich alles dafür tun, um es wieder aufzubauen. Wie soll man denn ohne Wikipedia Vorträge vorbereiten und ohne YouTube-Katzenvideos den Abend verbringen? (lacht)

An welcher Software arbeitest du zurzeit?

Neben Diaspora* beschäftige ich mich gerade mit einem weiteren Projekt, das überwiegend Selbstständige und/oder kleine Firmen ansprechen wird. Das wird auch OpenSource und findet sich, wenn's fertig ist, auf meinem GitHub-Konto, das für die Entwickler solcher OpenSource-Software als Plattform dient.

Das Interview führte Jan Kout
 
Copyright: Goethe-Institut Prag 
März 2012
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