Kampf den Demagogen
Wachsendes Misstrauen in die Volksvertreter und zunehmende Politikverdrossenheit – das sind die Hauptgründe, warum eine Gruppe von Studenten und Mitarbeitern der Brünner Masaryk-Universität das Projekt „Demagog.cz“ gegründet haben. Ziel ist es, öffentlich geäußerte Behauptungen von Politikern auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Außerdem soll die Öffentlichkeit darauf aufmerksam gemacht werden, dass die Haltung „ist doch egal, die da oben lügen alle“ nicht der richtige Weg ist. „Wir wollen dazu beitragen, dass diese Ausrede für Passivität nicht mehr zieht“, sagt der Projektleiter Jan Tvrdoň.
Vorbild für das Projekt war die slowakische Version Demagog.sk. Gegründet wurde sie von Ondrej Lunter und Matej Hruška, die sie dann gemeinsam mit Tereza Skládanková Anfang 2012 nach Tschechien übertrugen. Derzeit hat das Team ungefähr 15 Mitglieder, wobei Tereza und Jan Tvrdoň als Experten fungieren, die mit weiteren Analytikern zusammenarbeiten. „Deren Anzahl verändert sich unentwegt, weil die meisten von ihnen bei uns lediglich einen zweimonatigen Studienaufenthalt absolvieren“, erklärt Jan. Gleichzeitig räumt er ein, dass es sehr schwierig sei, ein gutes Team zu finden. „Die Analytiker arbeiten nämlich freiwillig und bekommen für ihre Tätigkeit kein Honorar – das schreckt den einen oder anderen Interessenten ab.“
Suche nach der Wahheit
Obwohl es den Anschein haben könnte, dass es sich um ein stark politologisch orientiertes Projekt handelt, engagieren sich oft auch Vertreter anderer Fächer – Studenten der Journalistik, der Wirtschaftswissenschaften oder der internationalen Beziehungen; doch sie alle eint der Wunsch nach Veränderung. Die Motivation fasst Jan Tvrdoň folgendermaßen zusammen: „Es hat uns geärgert, dass die Politiker in den Medien oft versuchen die Menschen von etwas zu überzeugen und dabei mit Fakten hantieren, deren Richtigkeit niemand kontrolliert.“
Demagog.cz überprüft Äußerungen von Politikern in der Presse und vor allem in den audiovisuellen Medien. Zu Beginn konzentrierten sich die Macher lediglich auf die populäre Sonntags-Polit-Talkshow des Tschechischen Fernsehens Otázky Václava Moravce (etwa: Václav Moravec fragt nach). Sie stellt aufgrund ihrer für tschechische Verhältnisse hohen Einschaltquoten (rund eine halbe Million Zuschauer) nach wie vor eine Hauptquelle dar. Allmählich versucht man jedoch ein breiteres Spektrum an Sendungen abzudecken. „Wir überprüfen auch die Blogs oder Artikel von Politikern, insbesondere wenn es sich um europäische Themen handelt, die im Fernsehen eher wenig Raum bekommen“, erläutert Jan Tvrdoň und gewährt einen Einblick in den Arbeitsprozess.
„Die Grundlage der Überprüfung ist eine genau festgelegte Methodik, deshalb sieht unsere Arbeit eigentlich immer gleich aus“, erklärt Jan. Sobald die Demagog.cz-Redakteure die Transkription der Sendung bekommen, werden die sämtliche faktischen Aussagen exzerpiert und den jeweiligen Experten zur Begutachtung vorgelegt. Diese analysieren sodann entsprechende Pressemeldungen, mediale Äußerungen, Parlamentsprotokolle oder Parteiprogramme und klassifizieren die Politiker-Aussage nach einer der folgenden Kategorien: „wahr, unwahr, irreführend, nicht nachweisbar“. Dann geht das Ganze zu einem weiteren Experten, der nochmals die Bewertung und die Quellen überprüft. Und selbst danach folgen noch zwei weitere Kontrollen – sprachliche Korrektur und methodologische Richtigkeit.
„Die Sendung Otázky Václava Moravce verarbeiten wir beispielsweise innerhalb von zwei Arbeitstagen, aber wir sind auch in der Lage ‚real time‘ zu arbeiten, dann erfolgt die Kontrolle der Aussagen am gleichen Tag oder in der Nacht nach der Sendung, damit die Ergebnisse am nächsten publiziert werden können. So haben wir das zum Beispiel während der Debatten des Präsidentschaftswahlkampfs gemacht“, ergänzt Jan Tvrdoň.
Mit harter Arbeit zum Erfolg
Die Initiative Demagog.cz hat sich mittlerweile eine feste Position erarbeitet und ist selbst zu einer seriösen Quelle für andere Medien geworden. „Das liegt wohl daran, dass in Tschechien die Nachfrage nach einer solchen Dienstleistung bestand und wir die einzigen sind, die diese anbietet“, meint Jan. „Andererseits muss natürlich gesagt werden, dass diese Anerkennung das Ergebnis von harter Arbeit aller Team-Mitglieder ist. Wenn unsere Analysen unzuverlässig wären, hätten wir es niemals geschafft, uns in diese Position vorzukämpfen.“
Den Machern von Demagog.cz ist auch klar, dass ihre Analysen vor allem in Wahlkampfzeiten gefragt sind, wo sie nicht nur von den klassischen Medien genutzt werden, sondern auch in den sozialen Netzwerken zitiert werden. Es gibt jedoch nicht nur positive Resonanz. „Oft wir der Kern unserer Arbeit nicht verstanden – also dass wir nur faktische Aussagen auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen, und keinesfalls sagen, ob die Linken oder die Konservativen besser sind. Kritisiert wird auch, dass das Projekt ausschließlich von Studenten getragen wird, was angeblich die Ergebnisse verzerren würde. In Wirklichkeit ist das aufgrund unserer genauen Methodik nicht der Fall“, erklärt Jan.
Die Betreiber von Demagog.cz wissen ganz genau, dass es sehr schwierig ist, die Haltung der Öffentlichkeit gegenüber Politikern oder Parteien zu verändern. Deshalb formulieren sie bescheidenere Ziele: „Wir hoffen, dass wir zumindest dazu beitragen können, dass sich die Menschen besser innerhalb der Politik orientieren“, wünscht sich Jan Tvrdoň.