
Übersetzungen in Szene gesetzt – der erste Translation Slam in Berlin
Der Translation Slam war ein neues Veranstaltungsformat auf dem alle drei Jahre in einem anderen Land stattfindenden Weltkongress der Dolmetscher und Übersetzer. In diesem Jahr traf sich die internationale Fachwelt in Berlin, um über Gegenwart und Zukunft des Berufsstandes zu debattieren.
Der Bundesverband der Dolmetscher und Übersetzer e. V. (BDÜ, www.bdue.de) lud als Ausrichter des 20. Weltkongresses des Internationalen Übersetzerverbandes FIT (Fédération Internationale des Traducteurs, www.fit-ift.org) vom 4. bis 6. August 2014 nach Berlin ein. Hier trafen sich über 1600 Übersetzer, Dolmetscher und Terminologen aus der ganzen Welt, um sich unter dem Titelthema Im Spannungsfeld zwischen Mensch und Maschine auszutauschen (http://www.fit2014.org/)
Im Rahmen dieses Weltkongresses präsentierte der BDÜ das Format Translation Slam erstmalig in Deutschland – in einem voll besetzten Hörsaal der Freien Universität Berlin. Zahlreiche Kongressbesucher und andere Interessierte nutzten die Gelegenheit teilzunehmen, zuzuhören, mitzudiskutieren.

Was ist ein Translation Slam? BDÜ-Vizepräsident und Fachübersetzer Ralf Lemster sowie die Fachübersetzerin Chris Durban wussten im Rahmen ihrer mehrsprachigen Moderation aufzuklären: Bei einem Translation Slam präsentieren zwei oder mehr Übersetzer ihre jeweils eigene Übersetzung eines Ausgangstextes. Nicht eine Bewertung der Übersetzungen steht hierbei im Mittelpunkt, sondern der Prozess des Übersetzens gewinnt an Transparenz.
Schlagabtausch der Übersetzungskünstler
Sechs Übersetzerinnen und Übersetzer stellten sich mit ihren Ergebnissen, die sie vor der Veranstaltung vorbereitet hatten, der öffentlichen Diskussion. Jeweils zwei von ihnen übertrugen ein und denselben Text in die jeweilige Zielsprache. Die Ausgangstexte wurden zu Beginn der Veranstaltung im Publikum verteilt. Ausgewählt worden waren eine Textstelle aus dem Buch 101 things a translator needs to know (http://101things4translators.com/500-years-experience/) für die englisch-deutsche Übersetzung sowie eine Passage aus einem technischen Newsletter für die deutsch-englische sowie deutsch-französische Übersetzung.
Die jeweiligen Übersetzungslösungen wurden nebeneinander an die Wand projiziert, verglichen und zur Diskussion gestellt, eine Möglichkeit, die das Fachpublikum ausgiebig nutzte.

Beim Durchlesen erstaunten die unterschiedliche Wortwahl und jeweils andere Überschriften. „Es ist keine Überraschung, dass sich die Übersetzungen des gleichen Textes unterscheiden – es gibt immer Alternativen“, erklärte Ralf Lemster. Eine Kernfrage dabei ist, wie nah die Übersetzerin bzw. der Übersetzer am Originaltext bleiben müsse.
Die Übersetzungslösungen




Der Übersetzungsprozess – Fragen und Antworten
Angeregt und lebhaft wurden im Anschluss Übersetzungslösungen diskutiert, Fragen beantwortet, Entscheidungen erklärt. Wo lagen die Schwierigkeiten? Wie kam es zu diesen Ergebnissen? Wieso sind die Übersetzungen unterschiedlich lang? Welche Überlegungen müssen beim Übersetzungsprozess angestellt werden? Wie werden Wortentscheidungen getroffen?
Nicht die Bewertung der Übersetzungen stand im Mittelpunkt, sondern das Sichtbarmachen unterschiedlicher Übersetzungslösungen – ein intensiver Einblick in die Übersetzungsarbeit. Aus der Debatte der Expertinnen und Experten wurde deutlich, dass der Übersetzer – je nach Textsorte – eine gewisse stilistische Freiheit braucht, um alle Facetten der Ausgangssprache auch in der Zielsprache abzubilden. Schließlich ist die Aufgabe, eine gute Übersetzung zu erarbeiten, in der Regel dann gelöst, wenn diese in der Zielsprache flüssig gelesen werden kann, die Botschaft des Ausgangstextes enthält und sich an die Zielgruppe, die der Autor ansprechen möchte, richtet. Wichtige Aspekte: Der Text der Zielsprache soll fließen und es soll nicht der Eindruck erweckt werden, dass es sich um eine Übersetzung handelt. Die Übersetzung muss auch die Absicht des Autors widerspiegeln. Sie soll das gleiche Sprachniveau wie der Ausgangstext haben und komplizierte Sachverhalte in der Zielsprache verständlich darstellen – das alles muss die Übersetzung leisten.
Wünsche
Oftmals werden Übersetzerinnen und Übersetzer in der Öffentlichkeit nicht ausreichend wahrgenommen. Für deren komplexe Arbeit wünscht sich der BDÜ mehr Aufmerksamkeit. Im Rahmen des Translation Slams hat er diese aktiv geschaffen: Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer traten als Protagonisten aus ihrer Anonymität heraus und das Fachpublikum erhielt wichtige Anregungen für die eigene Arbeit.Das Experiment Translation Slam ist geglückt und soll wiederholt werden!
Sigrid Mahn-Hutta, Projektschreiberin für DEUTSCH 3.0