Feo Aladag
Geschichten zwischen den Welten

Regisseurin Feo Aladag bei der Arbeit zu „Zwischen Welten“.
Regisseurin Feo Aladag bei der Arbeit zu „Zwischen Welten“. | Foto (Ausschnitt): © Bothar / Majestic

Mit zwei Filmen hat sich Feo Aladag als mutige deutsche Regisseurin profiliert. Ein mitfühlender Blick auf kulturelle Konflikte charakterisiert ihre Arbeit.

Sie hat ein Faible für risikoreiche Stoffe: Bereits in ihrem gefeierten Regiedebüt Die Fremde von 2010 über die Vorgeschichte eines Ehrenmords wagte sich Feo Aladag an ein brisantes Thema. Ihren zweiten Film Zwischen Welten, der 2014 im Wettbewerb der Berlinale lief, drehte sie in Afghanistan. Mit diesem Kriegsdrama, in dem ein Bundeswehrsoldat einen einheimischen Übersetzer und dessen Schwester zu schützen versucht, greift sie erneut ein zeitgemäßes Thema auf. Erst seit kurzem richten Politik und Medien das Augenmerk auf das Schicksal der afghanischen Hilfskräfte, die mit dem geplanten Abzug der ISAF-Truppen aus Afghanistan womöglich der Rache der Taliban ausgeliefert werden.

Deutscher Filmpreis für „Die Fremde“

Settar Tanriögen und Sibel Kekilli als Vater und Tochter in „Die Fremde“. | Majestic Settar Tanriögen und Sibel Kekilli als Vater und Tochter in „Die Fremde“. | Majestic | © Bothar / Majestic Wie gelang es dieser blonden, durchscheinend zart wirkenden Frau, sich mit nur zwei Filmen als eine der wagemutigsten Stimmen des deutschsprachigen Kinos zu profilieren? Feo Aladag, 1972 in Wien geboren, hat sich in einem langsamen, aber kontinuierlichen Prozess an den Regiestuhl herangetastet. Zeitgleich mit einem Psychologie- und Kommunikationswissenschaftsstudium, das sie mit Promotion abschloss, absolvierte sie eine Schauspielausbildung. Mit dem Schreiben von Filmkritiken und Fernsehdrehbüchern, als TV-Schauspielerin und als Werbefilmregisseurin sammelte sie Erfahrung in der Branche.

2005 gründete sie mit ihrem damaligen Mann, dem Filmemacher Züli Aladag eine Produktionsfirma, um ihren ersten Langspielfilm Die Fremde drehen zu können. Sie steckte ihr ganzes Geld in die Produktion und rechnete damit, die Kosten als Schauspielerin wieder hereinholen zu müssen. Diese Sorge erwies sich dank des weltweiten Erfolgs ihres Debüts, zu dessen 47 Auszeichnungen der Deutsche Filmpreis gehört, als unnötig.

Auch Zwischen Welten, der erste deutsche Spielfilm, der mitten in einem Militärgebiet gedreht wurde, forderte einen hohen Einsatz. Die alleinerziehende Regisseurin, die während des Drehs mit ihrer kleinen Tochter auf dem Militärstützpunkt Masar-i-Scharif lebte, stand zwar unter dem Schutz der Bundeswehr und der afghanischen Polizei, geriet aber dennoch in brenzlige Situationen.

Authentische Darstellung kultureller Konflikte

Freundschaft zwischen einem einheimischen Übersetzer und einem Bundeswehrsoldaten: Mohsin Ahmadi und Ronald Zehrfeld in „Zwischen Welten“. Freundschaft zwischen einem einheimischen Übersetzer und einem Bundeswehrsoldaten: Mohsin Ahmadi und Ronald Zehrfeld in „Zwischen Welten“. | © Björn Kommerell / Majestic Authentizität ist ihr wichtig: „Wenn du wirklich versuchst, die Menschen, die diesen Job in diesem Land machen, zu zeigen, dann ist es Teil deiner eigenen Sorgfaltspflicht, das so authentisch wie möglich zu gestalten“ – statt etwa in Marokko zu drehen, wie sonst bei Filmen, die in Afghanistan spielen üblich. Dieselbe Sorgfalt hatte sie bereits auf das Szenario von Die Fremde verwendet, in dem die Deutschtürkin Umay und ihr kleiner Sohn vor dem gewalttätigen Ehemann aus Istanbul zurück nach Berlin zu ihrer geliebten Familie flüchtet. Bei ihrem Streben nach persönlicher Freiheit wird Umay jedoch als „Deutschländerhure“ gebrandmarkt, die ihrer Familie Schande macht. Um ihr Schicksal realistisch zeigen zu können, wohnte Aladag im Frauenhaus und besuchte Gerichtsverhandlungen. In der Darstellung interkultureller Konflikte fühlte sie sich auch in die Perspektive der Täter ein und zeigt, wie sehr diese selbst unter tradierten Normen leiden. In ihrem zweiten Film bestand sie auf afghanischen Laienschauspielern, die aus eigener Erfahrung wissen, was es bedeutet, wenn Soldaten einer fremden Streitmacht in ihr Dorf rollen.

Differenzierter Blick auf patriarchalische Strukturen

Interview mit Feo Aladag zu „Die Fremde“

Gesellschaftspolitisch betrachtet, betrat Feo Aladag mit ihren Filmen ein Minenfeld. Das Publikum jedoch war berührt von ihrer vielschichtigen Inszenierung des Tabuthemas „Ehrenmord“, das sonst nur mittels empörter Schlagzeilen an die Öffentlichkeit gelangt. „Es ist höchste Zeit von den Konflikten zu erzählen, die auf dem Weg vom Bosporus nach Berlin zu überwinden sind“, sagte Claudius Seidl, Filmkritiker der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. „Man möchte viel mehr von diesen Filmen sehen, mehr von diesen Geschichten hören.“

Angesichts manchen Vorwurfs, „Türkenklischees“ zu bedienen, erklärte die Regisseurin: „Mich interessieren die psychologischen Mechanismen, die zu diesem Verhalten führen.“ Denn „wenn ich mein Gegenüber wirklich ernst nehme, dann darf ich auch die Dinge auf den Tisch legen, die schief laufen“. Ihr zugleich distanzierter wie mitfühlender Blick auf patriarchalische Strukturen, der auch Zwischen Welten prägt, erinnert dabei an die US-amerikanische Regisseurin Kathryn Bigelow. Sie beleuchtet ebenfalls männliche Lebenswelten.

Glaube an die ausgestreckte Hand zwischen Menschen

Regisseurin Feo Aladag bei der Arbeit zu „Zwischen Welten“ Regisseurin Feo Aladag bei der Arbeit zu „Zwischen Welten“ | © Wolfgang Ennenbach / Majestic Wie Bigelow gibt Feo Aladag als Regisseurin mit kontroversen Themen das Bild einer Außenseiterin ab. In den letzten Jahren entstand bei deutschen Filmproduktionen eine zunehmende Kluft zwischen oft derben, aber publikumsträchtigen „Feelgood“-Komödien und künstlerisch anspruchsvollen Autorenfilmen, die wenige Zuschauer erreichen und oft als verkopft und verquast geschmäht werden. Feo Aladag jedoch ist mit ihren Dramen, in denen sie den Finger in die Wunde legt und zugleich soziales Engagement und Gefühl durch formale Strenge ausbalanciert, bisher eine Pionierin. Was ihre Filme auszeichnet, ist das subtile Plädoyer für Liebe, Glaube und Hoffnung: Glaube, so Aladag, „nicht in einem explizit religiösen Sinne, sondern der Glaube an die ausgestreckte Hand zwischen Menschen. Der Glaube daran, dass ein harmonisches Miteinander möglich ist, wenn wir im Namen der Empathie über den Schatten unserer Prinzipien und Überzeugungen hinauswachsen.“