Social Design
Vase der Überraschungen

Vase der Überraschungen
Vase der Überraschungen | © be able

Design wird oft mit schönen Dingen assoziiert, die die Welt verbessern sollen. Social Design geht noch einen Schritt weiter und verbindet verantwortungsvolles Gestalten mit Rücksicht auf die Fähigkeiten und Bedürfnisse unterschiedlichster Menschen – auch der Designer.

Die Berliner Produktdesignerin Isabelle Dechamps, Gründerin des Social Design Start-ups Be able, konzentriert sich in ihrer Arbeit auf sogenanntes Design Empowerment in partizipativen Projekten: „Ein gutes Instrument, um die Welt positiv zu verändern.“ In Workshops mit Menschen aus sozialen Randgruppen entwickeln Isabelle Dechamps und ihr Team außergewöhnliche Designstücke. Zum Beispiel die fantasievoll gestaltete Vase der Überraschungen mit Deckel und mehreren Henkeln. Ihr Macher Michael Poggemann von den VIA Werkstätten für Menschen mit Behinderung sagt, man könne verschiedenste Dinge darin verstecken: Gummibärchen, Staatsgeheimnisse – oder Ehemänner. Seine Kollegin Katja Renner hat mit Unterstützung von Be able Gewürztöpfchen aus weißem Porzellan entworfen, jedes mit einem anderen Muster verziert. Sie werden nun für den Verkauf produziert, und Frau Renner, anfangs sehr verschlossen, sei im Verlauf des Workshops viel flexibler, offener und selbstbewusster geworden, so Isabelle Dechamps.

Gewürztöpfchen Gewürztöpfchen | © be able In einer Gefängniswerkstatt hat Be able zusammen mit Frauen, die dort gespendete Computer zerlegen und Verwertbares sammeln, neue Verwertungsmöglichkeiten für ausrangierte Computerkabel entwickelt. Diese wurden zu Gewebe, aus dem Formen wie ein Teppich, eine Schale oder ein Duschvorhang entstanden.

Empowerment im Gewürztöpfchen

„Das eigentliche Produkt ist nicht die Vase, das Gewürztöpfchen oder die Schale, sondern die Erfahrung, kreativ zu sein, etwas auf der Basis eigener Ideen entwerfen und herstellen zu können. Das macht das Leben unserer Projektteilnehmer reicher,“ so Isabelle Dechamps. Die besondere Geschichte der so entstandenen Produkte spielt auch bei der Vermarktung eine Rolle. „Mit den Gewürztöpfchen kaufe ich die Emanzipation von Frau Renner mit“, sagt die Designerin.

Flat Screen Kerze Flat Screen Kerze | © be able Das Projekt Be able hat Dechamps 2010 während ihres Studiums an der Kunsthochschule Weißensee in Berlin entwickelt. „Soziale Ziele waren mir schon immer wichtig. Bei einer Hospitanz in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung habe ich festgestellt, dass die Produkte, die dort hergestellt werden, entweder nicht auf die Fähigkeiten der Menschen zugeschnitten sind oder nichts mit Design zu tun haben.“ Um das zu ändern, erarbeitete Isabelle Dechamps ein innovatives Workshop-Konzept zur Designvermittlung, setzte es für ihre Diplomarbeit mit Teilnehmern der VIA Werkstätten um und erhielt dafür den Mart Stam Förderpreis 2011.

Kreative Bildungskonzepte, neue Zielgruppen

  • Fortbildung Inklusion © be able
    Fortbildung Inklusion
  • Michael Poggemann mit der Vase der Überraschungen © be able
    Michael Poggemann mit der Vase der Überraschungen
  • Katja Renner mit einem Gewürztöpfchen © be able
    Katja Renner mit einem Gewürztöpfchen
  • Tafel Memory © be able
    Tafel Memory
  • Katy Metzger mit Tafel Memory © be able
    Katy Metzger mit Tafel Memory
  • Romm Kulosa mit der Doppelschale © be able
    Romm Kulosa mit der Doppelschale
  • Ergün Baser mit E_Lamp © be able
    Ergün Baser mit E_Lamp
  • Workshop © be able
    Workshop
  • Workshop © be able
    Workshop
Co-Design ist bis heute das Herzstück der Workshops, die Be able in sozialen Werkstätten und Institutionen anbietet, jeweils zugeschnitten auf die Materialien, mit denen vor Ort gearbeitet wird, also meist Holz, Keramik oder Wachs. Die Gestalter von Be able begleiten die Teilnehmer dabei, eigene Produktideen zu entwickeln und handwerklich umzusetzen. „Wie viel Unterstützung braucht jemand, wie viel Freiheit? Was zählt, ist, für jeden den richtigen Ton zu finden, auf allen Kanälen offen zu sein, die Design-Qualitäten von Ideen zu erkennen und herauszukitzeln“, beschreibt die Designerin den Gestaltungsprozess. Für die Projektteilnehmer verbindet sich die Entfaltung ihres kreativen Potenzials mit Erfahrungen wie Selbstbestimmung und Wertschätzung. Und gleichzeitig entstehen Gegenstände mit ganz besonderem Charme: eine Hängelampe aus Wachs zum Beispiel, oder ein Memory, dessen Spielplättchen man mit Kreide selbst bemalen kann.

Maxheft Maxheft | © be able Be able finanziert sich über Workshop-Honorare und Projektmittel, die von Kooperationspartnern akquiriert werden. Das Start-up hat aber nicht nur soziale und künstlerische, sondern auch unternehmerische Ambitionen und entwickelt deshalb neue kreative Weiterbildungsformate für erweiterte Zielgruppen. So will Be able Begegnungen zwischen sozialen Randgruppen und Unternehmen schaffen. Erster konkreter Auftrag: Auszubildende entwickeln zusammen mit Mitarbeitern einer sozialen Werkstatt ein Weihnachtsgeschenk für ihr Unternehmen.

Damit setzt Isabelle Dechamps mit ihrem Team um, was Social-Design-Theoretiker seit Jahren fordern: Design, auch Produktdesign, sollte sich weniger mit der Gestaltung von Objekten, sondern mehr mit der von zwischenmenschlichen Räumen, von Alltagsprozessen und Arbeitsabläufen befassen.