Future Perfect
Leben in einer Familie ohne Müll

Claire Poirier
© Foto: bastamag

Schluss mit Mülleimern, die alle zwei Tage mit Abfall überquellen: Weniger als fünf Kilo Müll im Jahr zu produzieren, das ist möglich, sogar mit Kindern. Eine französische Familie schafft genau das seit einigen Jahren, ohne Frust und mit guter Ernährung.

In der Familie Poirier gibt es Mutter, Vater, drei Kinder, eine Katze und sehr wenig Müll. Claire, Emmanuel, Matthias, Elsa und Jade wohnen in der Nähe von Nantes und produzieren fünf Kilogramm Müll pro Jahr und Person. Das ist fast 50-Mal weniger als das, was ein durchschnittlicher Franzose in seine Mülleimer wirft!

Alles begann vor sechs Jahren. „Damals haben sich unsere Einnahmen verringert“, schildert Claire. „Meinem Mann wurde gekündigt, dann fand er eine Arbeit mit deutlich geringerem Lohn. Ich meinerseits entschied mich dazu, in Elternzeit zu gehen, um mich um unsere beiden Töchter zu kümmern.“ Die Familie musste ihre Ausgaben senken. Die Poirier versuchten es zunächst mit preisgünstigen Produkten in Supermärkten oder Discountern, aber das stellte sie nicht zufrieden. „Wir fanden, dass die Konserven von schlechter Qualität waren, die Lebensmittel zu fett“, erinnert sich Claire. 

Besser essen für weniger Geld

„Wir haben also beschlossen, etwas Neues auszuprobieren. Wir haben das Glück, auf dem Land zu wohnen, in einem Dorf, wo es eine Gemeinschaft von Erzeugern und Verbrauchern gibt, die preisgünstiges Biogemüse anbietet. Uns gefiel die Idee, einen Gemüsebauern in der Region zu unterstützen.“

Während die Familie Poirier auf lokales Biogemüse umstellte, führte ihre Kommune eine Steuer auf Haushaltsabfälle ein. „Man bezahlt abhängig von der erzeugten Menge“, erklärt Claire, „das hat uns dazu gebracht, über unsere Müllproduktion nachzudenken.“ Um das günstigste Angebot der Kommune – im Jahr höchstens zwölf Container mit 180 Liter Fassungsvermögen Müll – auswählen zu können, organisierte die Familie den Haushalt ein wenig um. „Wir haben den Komposteimer unter die Spüle gestellt und die Mülleimer so hingestellt, dass wir tatsächlich jedes Mal, wenn wir etwas wegwerfen, den Müll trennen.“

Gläser und Stoffbeutel für die Einkäufe

Claire und ihre Familie verringerten so die Müllmenge auf 20 Kilogramm pro Person und Jahr. Aber Claire war entschlossen, es noch besser zu machen. Sie recherchierte und stieß auf ein Buch von Béa Johnson: Zero Waste Home. The Ultimate Guide to Simplifying Your Life by Reducing Your Waste (bisher nur in Englisch und Französisch verfügbar, auf Deutsch etwa „Das Null-Müll-Zuhause. Der ultimative Ratgeber zur Vereinfachung Ihres Lebens durch Reduktion Ihres Mülls“). In diesem Erfahrungsbericht erzählt eine in den USA mit ihrer Familie lebende Französin, wie sie es geschafft hat, den Alltagsmüll stark zu reduzieren. Heute passen die jährlichen Abfälle der Johnsons in ein Ein-Liter-Glas.

Im Januar 2014 macht auch Claire Poirier ihre ersten Schritte als Zero-Waste-Konsumentin. „Ich bin ziemlich schüchtern, und ich musste mich trauen, die Händler zu fragen, ihre Produkte in meine Behälter und Gläser einzupacken anstatt in ihre Papiere und Plastiktüten.“ Sie fing deshalb beim kleinen Bioladen in ihrem Dorf an. Dann machte sie auf dem Markt weiter. Jedes Mal reagierten die Leute herzlich. Der Hühnchen-Verkäufer hat sich schon an ihre große Gebäckdose gewöhnt, und der Milchhändler an ihre Gläser.

Neben ihren Dosen und Gläsern hat sich Claire Stoffbeutel in verschiedenen Größen genäht, die sie einmal pro Monat im Reformhaus in Nantes mit Trockenlebensmitteln wie Nudeln, Reis oder Hülsenfrüchten füllt, die lose angeboten werden. „Alle zwei Wochen fahre ich auch zum Drive-In vom großen Supermarkt, der ganz in meiner Nähe ist, um das zu kaufen, was ich nicht ohne Verpackung finden kann: Milch, einige Konserven und Fruchtsäfte.“ Dabei denkt Claire an die Zeit, in der sie zwei Stunden pro Woche im Supermarkt verbrachte und Regalreihen ablief, „um sicher zu sein, nichts zu vergessen.“ Sie habe viel Zeit in der Abteilung mit den Sonderangeboten zugebracht. „Deshalb habe ich Dinge gekauft, die ich nicht wirklich brauchte: Kleider, kleine Küchenutensilien, Dekoration.“

Die fünf R’s  

Die Familie Poirier hat sich schnell an die fünf „R“ der Autorin Béa Johnson gewöhnt: ablehnen, was nicht wirklich gebraucht wird (im Englischen „refuse“), reduzieren, was gebraucht wird (reduce), wiederverwenden (reuse), recyceln, kompostieren (im Englischen „rot“). „Einkäufe schieben wir soweit wie möglich auf“, sagt Claire, „um sicher zu sein, dass wir die Sachen wirklich brauchen. Wir bevorzugen auch Gebrauchtwaren, sogar bei Geschenken.“ Claire und Emmanuel haben festgestellt, dass sie sich jedes Jahr zu Weihnachten fragten, was sie ihren Kindern schenken könnten, und merkten, dass sie nichts brauchten. „Das bedeutet nicht, dass wir Weihnachten nicht feiern, wir haben keine Lust, die Kinder zu frustrieren. Aber wir kaufen deutlich weniger Geschenke.“

Claire gibt zu, dass das Vorhaben, Müll zu vermeiden, mit einem pubertierenden Sohn manchmal kompliziert ist. „Außerdem kennt er noch die Zeit, in der ich ihm im Geschäft seine Lieblingskekse kaufte; er musste sich an etwas Neues gewöhnen.“ Auch Kleidung ist ein schwieriges Thema: „Für meine kleinen Töchter finde ich fast alles auf dem Trödelmarkt, aber für einen 14 Jahre alten Jungen ist das viel komplizierter. Im Collège ist außerdem der soziale Druck groß, der die Kinder dazu verpflichtet, Marken zu tragen.“ Deshalb kaufen Claire und Emmanuel ihrem Sohn neue Markenkleider. „Aber er hat eben weniger davon als andere“, sagt Claire

„Vor unserer Umstellung habe ich mich eher auf die Weiterverarbeitung von Abfällen konzentriert“, erzählt Claire weiter. „Ich dachte ich hätte keine Wahl und es sei nicht mein Fehler, dass unsere Lebensweise Auswirkungen auf die Umwelt hat. Ich sah den Zusammenhang zwischen meinem Konsumverhalten und meiner Müllproduktion nicht.“ Heute trifft Claire manchmal auf kritische Meinungen, die ihr sagen, dass sie die Wirtschaft zerstören werde. „Es heißt immer wieder, dass es Wachstum und Konsum brauche, damit es Arbeitsplätze gibt. Aber ich antworte, dass ich lokal einkaufe und so auch Arbeitsplätze fördere, zweifelsohne nicht dieselben.“