Corpoworking
Kontakte zwischen Unternehmern

Corpoworking: ein Arbeitsmodell in der Testphase
Corpoworking: ein Arbeitsmodell in der Testphase | Foto (Zuschnitt) : CC-BY: StartupStockPhotos und charlotte-noblet.eu

Während es in den Büros zahlreicher Unternehmen mit ungesunden Arbeitsbedingungen immer häufiger zu Burnouts kommt, entsteht ein neues Arbeitsmodell: Corpoworking. Sehen wir uns einmal um in der Welt der Freelancer und Happiness-Manager.

Partnervermittlung – bei gegenseitiger Sympathie gerne mehr … Das Team von Breizh Lab verkuppelt nun schon seit drei Jahren Start-ups und Unternehmen. Der Verband lädt seine Mitglieder ein, in ihren Büros, Laboren oder Fabriken kostenlos Start-ups und Projektträger zu beherbergen. Das Ziel? Breizh Lab definiert sich als ein praxisorientiertes Konzept von Unternehmern für Unternehmer zur Förderung der Innovation und der wirtschaftlichen Entwicklung. Um das zu erreichen, setzt sich Breizh Lab für die Verbreitung des Corpoworking ein.

Der Corpoworking-Space Le Tank, der Pariser Kommunikationsagentur Spintank. Der Corpoworking-Space Le Tank, der Pariser Kommunikationsagentur Spintank. | Foto (Zuschnitt): Spintank 2018

Corpoworking?

Diese Wort-Neuschöpfung ist die Zusammenführung von „Corporate“ und „Coworking“. Der Begriff bezieht sich auf einen Arbeitsplatz, den ein Unternehmen innerhalb oder außerhalb seiner Räumlichkeiten, für seine Mitarbeiter und für externe Akteure einrichtet.

Der Begriff „Corpoworking“ wurde 2011 von Baptiste Broughton, dem Chef von Neo-nomade, geprägt, 2015 erschien die erste europäische Studie über Corpoworking, die Blandine Bréchignac vom Personalberatungsunternehmen HR&D. durchführte.
 
Damals herrschte Krisenstimmung: steigende Arbeitslosigkeit, unsichere Beschäftigungsverhältnisse und „Uberisierung“ der Wirtschaft. In diesem Kontext entstanden neue Organisationsformen der Arbeit, insbesondere Freelancing, Coworking und auch Corpoworking.
 
Ein Corpoworking-Space verfügt über die gleichen Merkmale wie ein Coworking-Space: gemeinsame Nutzung von Ressourcen, gemeinschaftliches Arbeiten und Austausch untereinander.

Die Unterschiede zwischen Corpoworking und Coworking?

Was diese beiden Arbeitsmodelle jedoch voneinander unterscheidet, ist die Tatsache, dass die Corpoworker-Gemeinschaft zum Teil aus Angestellten des Unternehmens besteht, das den Raum zur Verfügung stellt. Zudem befindet sich der Arbeitsraum in manchen Fällen innerhalb des Unternehmens.
 
Blandine Bréchignac erklärt in ihrer Studie, dass Corpoworking ein vorab klar definiertes Projekt voraussetzt: „Der Raum ist ohne das Projekt ein leerer Ort.“ Auch darin grenzt sich Corpoworking von Coworking ab, denn für Coworking genügt es, einen ausgestatteten Arbeitsraum bereitzustellen, auch ohne dass es Synergien zwischen den Nutzern der Arbeitsplätze gibt.
 
So identifiziert Blandine Bréchignac in ihrer europäischen Studie sieben typische Funktionen der Corpoworking-Räume, die sie in Paris, Hannover, Heidelberg, Bern und Genf besucht hat:
Die sieben Funktionen von Corpoworking: Ergebnisse der 2015 erschienenen HR&D.-Studie zu Corpoworking. Die sieben Funktionen von Corpoworking: Ergebnisse der 2015 erschienenen HR&D.-Studie zu Corpoworking. | Grafik: CC-BY : charlotte-noblet.eu

Laut Baptiste Broughton, dem Chef von Neo-nomade, existieren heute zwei Arten von Corpoworking. Zum einen gibt es ein „geschlossenes Corpoworking“ im Unternehmen, häufig bei großen Firmen wie Google, Yahoo, eBay usw., die Projekte zwischen verschiedenen Abteilungen fördern wollen und dafür Orte zum Austausch und zur Zusammenarbeit schaffen. Zum anderen gibt es ein „offenes Corpoworking“, wenn Unternehmen einigen ihrer Angestellten anbieten, an einem Ort zu arbeiten, den sie mit Externen teilen. Diese zweite Form des Corpoworking ist auf die Bedürfnisse heutiger Arbeitnehmer zugeschnitten, die sich oft mehr Mobilität und mehr Freiheiten wünschen.
 
Baptiste Broughton ist der Meinung, dass Kontakte der Firmenangestellten mit der Außenwelt dem Unternehmen in vielerlei Hinsicht nützen können: Treffen mit Interessenten, Verbesserung des Markenimages, Steigerung der Qualität durch Kundenfeedback, Ausbau des Arbeitnehmernetzwerks und Austausch mit innovativen Projektträgern.

Das Modell der kalifornischen Vieljobber

In Frankreich hat der Telekommunikationskonzern Orange 2014 einen offenen Corpoworking-Space mitten in Paris, im Viertel „Silicon Sentier“, geschaffen. Die Villa Bonne Nouvelle möchte ein Schaukasten des innovativen Personalmanagements im Konzern Orange sein: Dort arbeiten interne, ausgewählte Teams, die Türen stehen Start-ups und Freelancern offen, und ein „Feel-Good-Manager“ kümmert sich um die rund 60 Personen, die dazu eingeladen wurden, sich ein Jahr lang in einem umwandelbaren Raum von 350 m² zu treffen, um mit neuen Management- und Kollaborationsmodellen zu experimentieren.
Corpoworking begünstigt den Kontakt zwischen verschiedenen Nutzern eines Orts. Corpoworking begünstigt den Kontakt zwischen verschiedenen Nutzern eines Orts. | Foto (Zuschnitt): CC-BY: freephotos

Die Villa Bonne Nouvelle hat sich das Ziel gesetzt, „die Zukunft der Arbeit mithilfe eines starken Kollektivs vorzubereiten“. Die Kontakte vor Ort wecken die Kreativität der Nutzer, sodass innovative Projekte entstehen können.
 
Dieses Vorgehen außerhalb der üblichen Arbeitsnormen und Verfahren des Unternehmens stützt sich auf die Entwicklung der Selbstständigen. Das Unternehmen lässt sich von nicht angestellten Externen inspirieren, die oft Freelancer mit mehreren Tätigkeiten sind, sogenannte „Vieljobber“.
 
„Die Machtverhältnisse in Corpoworking-Spaces, wo die Angestellten eines Unternehmens in der Mehrheit sind, sind zwangsläufig unausgeglichen“, stellt Maxime Blondeau fest, der an der Sciences Po Paris die Geschichte der Personalarbeit unterrichtet. Er erklärt, dass es sich um eine sehr angelsächsische, sehr kalifornische Herangehensweise handelt, sich die „Plattformisierung“ der Wirtschaft im Zusammenhang mit neuen Möglichkeiten der Digitalisierung zunutze zu machen. „Dieses exzessive Freelancing widerspricht dem französischen Erbe der sozialen Absicherung“, fügt Maxime Blondeau hinzu.
 
Der Dreißigjährige zieht eine andere Art des Corpoworking vor, die er als „kritisch und freiheitlich“ bezeichnet: Sie wurde von Spintank entwickelt, einer auf die digitale Welt spezialisierten Pariser Kommunikationsagentur, für die er als Personalleiter arbeitet.

Ein französisches, von New York inspiriertes Modell

Die Initiative, in Form des Corpoworking zu arbeiten, geht auf Nicolas Vanbremeersch, den Chef und Gründer von Spintank, zurück, der sich von innovativen Arbeitsräumen in New York City inspirieren ließ. Das Konzept? Eine Minderheit von Firmenangestellten zusammen mit anderen Wirtschaftsakteuren in einem Raum arbeiten lassen. Das Ziel? Kompetenzen und Ressourcen gemeinsam und auf ausgewogene Weise nutzen.
Le Tank ist ein Corpoworking-Space mit 110 Arbeitsplätzen. Le Tank ist ein Corpoworking-Space mit 110 Arbeitsplätzen. | Foto (Zuschnitt): Spintank 2018

Als Spintank sein Corpoworking-Büro Le Tank eröffnete, gab es rund 30 Angestellte. Heute zählt das Unternehmen über 80 unbefristet angestellte Mitarbeiter und wird in Paris 2019 ein zweites Büro mit 170 zusätzlichen Plätzen eröffnen, Le Tank media.
 
Laut Maxime Blondeau hat die Entstehung des Corpoworking weniger mit der Finanzkrise von 2008 als vielmehr mit den neuen Möglichkeiten der Digitalisierung und einer immer mobileren und stärker vernetzten Arbeitsweise zu tun. „Der Großteil der externen Akteure des Tank war von Anfang an dabei. Sie sind viel mehr als bloße Nutzer von Arbeitsplätzen – sie sind Teil eines richtigen Ökosystems, das heute ein Netzwerk von über 5.000 Personen umfasst“, erzählt Maxime Blondeau. „Indem wir unseren zweiten Standort eröffnen, sorgen wir dafür, dass die Nutzer immer wieder neu gemischt werden.“
 
„Die Angestellten von Spintank sind im Durchschnitt 27 Jahre alt, was auch darauf zurückzuführen ist, dass viele der dort ausgeübten Berufe ebenso jung sind: Social-Media-Manager, UX-Designer usw.“, kommentiert der Personalleiter. Die digitale Welt ist eine sehr innovative Branche, die sich schnell verändert und in der Kontakte für die Kreativität unerlässlich sind.

Corpoworking ist nicht mit dem eigentlichen Zweck der Arbeit verbunden, sondern mit den Arbeitsbedingungen. Corpoworking ist für jedes Unternehmen mit hoher intellektueller Wertschöpfung reproduzierbar.

Maxime Blondeau, Personalleiter bei Spintank


Le Tank wird etwa alle zwei Wochen von Führungskräften traditioneller Unternehmen besucht. Die einen sehen das Ganze onkelhaft-wohlwollend, nach dem Motto „so arbeitet also die Jugend von heute“. Die anderen zeigen sich beunruhigt über diesen dauerhaft geteilten Arbeitsraum: „Sie wundern sich nicht nur über das herrschende Chaos und die Aufgabenverteilung, sondern können sich auch nicht vorstellen, ihr Einzelbüro aufzugeben, das Statussymbol einer ganzen Generation von Angestellten“, erläutert Maxime Blondeau.

Das Wesentliche beim Corpoworking? Sich das Chaos zunutze zu machen

In Frankreich tauschen Angestellte ihre konventionellen Büros jedoch immer häufiger auf Zeit gegen Drittorte, Telezentren oder Coworking-Spaces. Diese Wechsel bieten Gelegenheit zu neuen Organisationsformen der Arbeit, darunter auch Corpoworking.

Damien Cahen leitet das Corpoworking-Büro Le Tank. Für ihn ist die Verbreitung des Corpoworking sowie des Coworking allgemein vor allem mit der Tatsache verbunden, dass die Zahl der Start-ups und Selbstständigen exponentiell steigt: „Liegt es daran, dass diese Leute keine unbefristete Stelle finden? Wohl auch, aber es gibt sicher noch andere Erklärungen wie den Wunsch, eine sinnvolle Arbeit zu machen und sein eigener Chef zu sein …“, antwortet er auf die Frage, ob die Entwicklung des Corpoworking eine Folge der Finanzkrise von 2008 sei.
 
„Die Tatsache, dass Unternehmen alternative Räume anbieten, wie wir hier im Tank, beruht auf dem Bestreben, sich in ein Unternehmer-Ökosystem einzugliedern, das dem Geschäft des jeweiligen Unternehmens zuträglich ist. Wenn es einen Zusammenhang mit der Krise von 2008 gibt, so nur einen indirekten“, fügt der Leiter von Le Tank hinzu.
 
Inzwischen eröffnen mehrere französische Unternehmen Corpoworking-Spaces und wenden sich damit an die zahlreichen Freelancer auf der Suche nach einem Ort zum Arbeiten. Im Allgemeinen ist es ihnen jedoch lieber, wenn ihre Angestellten dort gegenüber den Externen die Mehrheit bilden, und sie vermeiden es, die direkte Konkurrenz aufzunehmen.
 
So auch das Marketingunternehmen DIGITALEO aus Rennes: 130 Personen arbeiten im Büro La Fabrique, davon 60 externe Angestellte, die gut 15 verschiedenen Unternehmen angehören. Besonders zwei Ziele haben den Chef des bretonischen Unternehmens Jocelyn Denis zu dieser Corpoworking-Initiative motiviert: die Kreativität seines Teams zu steigern und Geschäftsmöglichkeiten zu schaffen, aber auch die Isolation der Unternehmer zu durchbrechen, unter der er selbst bei der Gründung seines Unternehmens litt.

Das Wesentliche beim Corpoworking ist also, sich das Chaos zunutze zu machen. Für die Unternehmer ebenso wie für die Freelancer.