Das Chemnitzer Power-Pop Quartett Power Plush hat mit ihrem kürzlich veröffentlichten zweiten Album ihre Love Language entdeckt. Es geht um alle möglichen Facetten des Zusammenlebens, sanft eingebettet in kompakte Wände aus Gitarren mit griffigen Refrains und poppigen Strophen. Schneller, schwerstens gitarrenlastig und weniger „plushig“ als noch auf ihrem2023 erschienenen Debutalbum hört man den neuen Tracks deutlich die auf diversen Supporttouren, unter anderem mit Kraftclub, Von Wegen Lisbeth oder Tocotronic, Festivalauftritten und eigenen Tourneen gewonnene Erfahrung an. Der fest in den frühen 90er Jahren verwurzelte, an amerikanischen College Rock angelehnte Sound brilliert vor allem durch das gewiefte Songwriting, das all die richtigen Knöpfe drückt und enorme Hitqualitäten entwickelt.
Maschinenmusik für zarte Seelen: Unterkühlte Vocals, monotone Drums aus analogen Gerätschaften und raue Gitarren, verhuscht, getupft und dann wieder rhythmisch und treibend, hier und da ein Synthie, der keine Presets kennt. Der industriell-düstere Charme des Duos Afar aus Berlin wird aus der Spannung zwischen Organischem und Elektronischem geboren. Sie bleiben unnahbar und unangreifbar, sind immer um die Ecke, ein paar Schritte voraus oder hinterher. Die beiden Bandmitglieder Elena und Joseph, die ihre Arbeit schmucklos als „eine Zusammenarbeit von zwei Musiker*innen“ beschreiben, haben die neun Songs auf Changing Rules in dreimonatiger Arbeit in einer alten, von einem Kunstschaffendenkollektiv gepachteten und ansonsten verlassenen und den Gewalten der Natur überlassenen Villa aufgenommen. Alles wurde live eingespielt, bei Nacht oder bei Regen mit geöffnetem Fenster, die Klänge aus der Umgebung gehören dazu wie die Kalimba, das Windspiel oder ein dahingetupftes Wort.
Wie vor Jahren in den sieben Kammern des Wu-Tang Clan geht es auf dem neuen Album des Berliner Rappers Megaloh um fernöstliche Symbolik im urbanen Überlebenskampf. Disziplin, Spiritualität und minimale klangliche Ästhetik sind die Grundpfeiler des nach der mythischen Pflanze Schwarzer Lotus benannten Werks. Ohne Afrobeat-Einsprengsel, ohne knallige Refrains und Chöre, sparsam instrumentiert und mit größter Zurücknahme gerappt reichen den meisten Tracks ein Beat, ein paar Loops und klare Raps, um ihre Wirkung zu entfalten. Dazu immer wieder, wie schon bei den Vorbildern des großen Clans, Sprachsamples aus alten Kung Fu-Filmen. Megaloh schlägt damit eine Brücke zurück in das Herkunftsland und auch eine vergangene Epoche des Hip-Hop und setzt damit einen erfrischenden Kontrapunkt zum sonst in Deutschland so unfassbar populären Straßenrap. Einkraftvolles Manifest künstlerischer Unabhängigkeit, Freiheit und Ernsthaftigkeit.
Das Düsseldorfer Duo Schreng Schreng & La La, akustische Folkrocker mit der minimalistischen Besetzung aus Gitarre und Gesang (daher „Schreng Schreng“ für die Gitarre und „La la“ für den Gesang), haben das etwas verstaubte deutsche Liedermacher-Genre modernisiert, um ihren humorvollen und stets politisch aufgeladenen Folk in kurze Songperlen zu gießen. Emotional und poetisch, aber gelassen und pointiert zeichnen sie zu einfachen, offenen Gitarrenakkorden das Bild einer in eine Sackgasse geratenen Gegenwart. Im August erschien das vierte Studioalbum Catch & Release, produziert mit einigen Gastmusikern am Schlagzeug, sparsam eingesetzten Keyboards und diversen Gitarren, wodurch sie ihre stilistische Vielfalt erheblich erweitern konnten.So finden sich neben den idiosynkratischen ruhigen und weisen Folksongs auch eine krachige Punknummer und sogar Ausflüge in den Pop unter den 11 kurzen Tracks. Und für die größten Fans ist seit 2024 die Bandgeschichte als Buch erhältlich, allerdings bislang nur auf Deutsch.
Aus der Mitte des Landes kommen auch Pogendroblem, ein gemischt besetztes, Quartett, das zu der beeindruckend großen und vielfältigen Punkszene Deutschlands gehört. Schnell, wütend, kantig und ideologisch: Die heutige Punkszene hat sich klar positioniert, sie stehen fürAntifaschismus, Freiheit, Basisdemokratie und Toleranz. Aber es geht auch um die persönliche Ebene, Überforderung mit schwieriger werdenden Lebensumständen und eineschwindende Zukunftsicherheit; „No Future“, das Schlagwort der Ur-Punks aus dem Jahre 1976scheint immer noch aktuell. Auf ihrem pessimistisch betitelten vierten Album Great Resignation zeigen sich Pogendroblem in Hochform, ihr schneller, präziser Punk wirkt modern, aggressiv und haltungsstark. Ein starkes Portrait der jungen deutschen Szene hat die Band während der Pandemie produziert: Ihr Film Auf der Suche nach der Utopie ist kostenfrei auf Youtube anzuschauen. Die Freude auf das große Punkjubiläum im nächsten Jahr wächst!