Die Rechte von Trans- und non-binären Menschen sowie von gleichgeschlechtlichen Paaren werden in der Slowakei eingeschränkt. Ende September verabschiedete das Parlament eine Verfassungsänderung, in der „die Souveränität der Slowakischen Republik in kulturellen und ethischen Fragen“ betont wird. Der Staat erkennt künftig nur noch zwei Geschlechter an: männlich und weiblich. Es hat wieder einmal die Barbarei gesiegt, kommentiert der slowakische Politologe Pavol Hardoš.
Manchmal sind die Dinge ganz einfach und klar, man muss nur die richtigen Fragen stellen.Die amerikanische extreme Rechte, verschiedene Rassist*innen, Neonazis, Paläokonservative und ihre libertären Freund*innen behaupten gerne, dass der Grund für den Ausbruch des amerikanischen Bürgerkriegs im Jahr 1861 nicht die Frage der Sklaverei war, sondern die Frage der Rechte der einzelnen Staaten. Die Abspaltung der Südstaaten sei ihrer Meinung nach auf die Missachtung der Rechte dieser Staaten durch die tyrannische Bundesregierung zurückzuführen. Sie seien dazu gezwungen worden, sie hätten nur ihre souveränen Rechte und Freiheiten verteidigt.
Rechte worauf, fragt ihr euch zu Recht.
Rechte der Staaten, souverän was zu tun?
Nun, die Rechte der Staaten, die Institution der Sklaverei zu schützen. Aber das sagen sie dann schon nicht mehr laut.
Sagen wir laut, was die gerade verabschiedete Änderung unserer slowakischen Verfassung bedeutet. Was werden wir souverän schützen?
Man wird euch Märchen über männliche Häftlinge in Frauengefängnissen und 72 Geschlechter erzählen, hysterische Untergangsszenarios, die über ein Handyspiel verbreitet wurden, wobei über mehrere Desinformationskanäle verschiedene Anekdoten und Unsinnigkeiten, die nichts mit dem normalen Leben zu tun haben, weitererzählt und nach und nach aufgebauscht wurden.
Sie werden euch alles Mögliche erzählen, nur damit ihr nicht nach dem Wesentlichen fragt.
Heute sagen uns nämlich unsere Autoritären, Volksverführer*innen, Faschist*innen, Verschwörungsideolog*innen und ihre christlich-nationalistischen Freund*innen, dass wir in der Verfassung unsere „Souveränität vor allem in Fragen der nationalen Identität, die vor allem durch grundlegende kulturelle und ethische Fragen geprägt ist“, schützen müssen.
Souveränität in welcher Hinsicht, solltet ihr fragen.
Was sind das für grundlegende kulturelle und ethische Fragen, in denen Fico, Danko, Šutaj Eštok, Majerský oder Matovič Souveränität beanspruchen wollen?
Nun, sie wollen souverän die Existenz von Transgender-Personen leugnen und Schwule und Lesben schikanieren.
Sie haben sich gegen den „Progressivismus“ gestellt, ein fiktives Schreckgespenst, das nichts anderes ist als der grundlegende zivilisatorische Standard der Anerkennung der Gleichheit und der Rechte aller Bürger*innen, ohne Unterschied.
Denn eine solche Gleichheit, so sagen sie, könne unsere Souveränität nicht ertragen. Wir brauchen weiterhin Bürger*innen zweiter Klasse, die wir offen hassen, über die wir uns erheben können und dabei so tun, als sei dies unsere Tradition, etwas, das unsere nationale Identität definiert.
Ähnliches sagen auch die erwähnten amerikanischen Rassist*innen aus den Südstaaten, die nostalgisch das Ergebnis des amerikanischen Bürgerkriegs in Frage stellen; auch sie tun so, als ginge es nur um Identität und kulturelle Besonderheiten. Die Leugnung grundlegender aufklärerischer und demokratischer Werte, deren allgemein gültiger Ausdruck die Achtung der Gleichheit der Menschenrechte ist, ist auch für sie Ausdruck einer Art Souveränität.
Auch wir sind jetzt souverän. Wir werden dem tyrannischen Brüssel und den westlichen Liberalen zeigen, dass sie uns mit Menschenrechten, Rechtsstaatlichkeit und Achtung der Gleichheit nichts vormachen können.
Wir werden souverän verhindern, dass Kinder in homosexuellen Familien adoptiert werden, denn für unseren Staat sind das keine Familien, sondern nur dubiose Ansammlungen perverser Individuen zweiter Klasse.
Wir werden souverän verbieten, dass Frauen ein Kind für jemand anderen gebären, selbst wenn sie dies altruistisch und ohne finanzielle Vergütung tun würden. Denn Frauen dürfen nur in der Ehe gebären. Wir tolerieren auch One-Night-Stands, zumindest, solange sie heterosexuell sind.
Wir lehnen die Natur oder, wenn man so will, die Pluralität der Schöpfung Gottes souverän ab. Vielfalt interessiert uns nicht. Wir werden alles gleichmachen und vereinheitlichen: Menschen, Wälder, Felder und Familien.
Wir leugnen nicht nur, dass es intersexuelle Menschen gibt, dass das Geschlecht ein biologisches Spektrum ist, eine bimodale Verteilung sexueller Merkmale, die wir der Einfachheit halber in zwei Schubladen stecken, in die jedoch nicht jede*r hineinpasst. Wir leugnen auch, dass es Menschen gibt, deren Geschlechtsinkongruenz zu der Notwendigkeit führt – einer medizinisch und wissenschaftlich nachgewiesenen Notwendigkeit –, einen Transitionsprozess zu durchlaufen und ihr inneres Erleben ihrer eigenen Geschlechtsidentität mit den äußeren Geschlechtsmerkmalen in Einklang zu bringen, einschließlich der offiziellen Anerkennung und Achtung durch die Behörden.
Wir leugnen ihr Existenzrecht direkt, denn für unsere Souveränität sind sie keine Menschen. Wir leugnen ihre Existenz, bezeichnen sie entweder als Opfer oder als Vollstrecker einer verderblichen Ideologie. Am besten beides.
Souverän leugnen wir auch, dass es Familien gibt, in denen es zwei Mütter oder zwei Väter gibt. Was macht es schon, dass sie hier leben, dass sie Kinder haben, dass wir sie wegen ihrer Andersartigkeit bestrafen und schikanieren? Für uns sind sie keine Familien, sie sind ideologisch verwerflich, wir wollen sie hier nicht, sie ekeln uns an.
Wir wollen sie souverän diskriminieren. Sie haben hier nur das Recht, als Bürger*innen zweiter Klasse zu leben, zu leiden, still, im Hintergrund, in Schande. Sie dürfen nicht auffallen, sie dürfen sich nur verstecken und schweigen. Sie können noch froh sein, dass wir ihnen nicht eins auf die Schnauze geben. Das kommt vielleicht später.
Und schließlich werden wir auch die Kinder souverän schützen, wir werden sie davor schützen, zu erkennen, dass das, was wir in dieser Verfassung und unseren Gesetzen tun, ein abscheuliches Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist. Wir werden ihnen souverän den Zugang zu Wissen verweigern, wie sie ihre eigene Sexualität verstehen können, wir werden ihnen souverän nicht erlauben zu erkennen, dass sie von jemandem missbraucht werden können. Wir werden ihnen kein Wissen zugestehen, das nicht unserer souveränen kulturellen und ethischen Doktrin entspricht. Sie könnten sonst zu freien, nicht-traumatisierten und selbstbewussten Wesen heranwachsen, die unsere neo-humanistischen Werte in Frage stellen. Das steht wirklich nicht im Einklang mit unserer Identität.
Es hat wieder einmal die Barbarei gesiegt, nichts weiter. Die souveräne Leugnung der Gleichheit. Wenn die Geschichte einer weiteren Version dieses Postfaschismus geschrieben wird – und seien wir optimistisch, dass eine solche Geschichte geschrieben wird –, können zukünftige Generationen zurückblicken und sich fragen, wie es möglich war, dass wir das nicht gesehen haben.
Worte haben jedoch ihre Bedeutung, und alle, die die Gleichheit und Würde des Menschen leugnen, die wir unabhängig von Religion, ethnischer Zugehörigkeit, Geschlecht, sexueller Orientierung oder Identität haben, verdienen einfach das entsprechende Etikett.
Es hat wieder einmal die Barbarei gesiegt, nichts weiter. Die souveräne Leugnung der Gleichheit. Wenn die Geschichte einer weiteren Version dieses Postfaschismus geschrieben wird – und seien wir optimistisch, dass eine solche Geschichte geschrieben wird –, können zukünftige Generationen zurückblicken und sich fragen, wie es möglich war, dass wir das nicht gesehen haben.
Wir können uns Asche auf den Kopf streuen, dass wir es in zehn Jahren nicht geschafft haben, einigen unserer Mitbürger*innen zu erklären, dass Schwule und Lesben ihre Familien nicht zerstören, dass die „Gender-Ideologie“ das Christentum nicht zerstört und dass Transgender-Menschen nicht in ihre Toiletten eindringen.
Aber wie soll man in einer Kampagne, in der Verschwörungserzählungen, die Hass schüren, von Bischöfen, Priestern, Aktivist*innen, Intellektuellen, Abgeordneten, Minister*innen und Journalist*innen verbreitet werden – wie soll man in dieser Flut von Hass und Feigheit vermitteln, dass die LGBTI-Gemeinschaft heute, genau wie die Jüdinnen und Juden vor 90 Jahren, nur Menschen sind und keine Plage?
Wie können wir erklären, dass sie nur ein Vorwand, ein Sündenbock für Machtgierige, ein Instrument zum Schüren von Angst sind? Der Abbau der Demokratie braucht einen Feind, gegen den alles erlaubt ist, auch das Umgehen von Regeln.
Die Hauptschuld liegt bei unseren christlich geprägten Politiker*innen, die ihren Hass und ihre religiöse Inbrunst zu einem ideologischen Prinzip erhoben haben und damit nicht nur demokratische, sondern auch christliche Werte verleugnet haben. Nach dem heutigen Tag müssen sie nicht mehr nur das „D“ in Klammern setzen. Sie sind nur noch Mitglieder politischer Bewegungen, ohne C, ohne D, Helfer*innen moderner Autoritärer, Diener*innen moderner Barbarei, die wieder das Wort ergreift.
Wir können uns damit trösten, dass wir all das verstehen, dass wir moralische Prinzipien, Demokratie, Zivilisation und Kultur auf unserer Seite haben. Dass nichts verloren ist, dass wir Hass und Grobheit politisch immer noch besiegen können. Aber darauf zu vertrauen, dass Kultur, Wahrheit und Liebe siegen werden, muss sich nicht immer auszahlen. Die Lehre des 20. Jahrhunderts ist, dass diese manchmal auch verlieren. Und unwillkürlich fiel mir ein Satz aus dem Buch Autodafé des ungarischen Schriftstellers Georg Tabori ein. Über seinen Vater, der in Auschwitz ermordet wurde, schrieb er, dass dieser angeblich beim Betreten der Gaskammer gesagt habe: „Nach Ihnen, Herr Mandelbaum...“.
Dieser Artikel erschien zuerst im slowakischen Magazin Kapitál, einer unserer Medienpartner für PERSPECTIVES – dem neuen Label für unabhängigen, konstruktiven, multiperspektivischen Journalismus. JÁDU setzt dieses von der EU co-finanzierte Projekt mit sechs weiteren Redaktionen aus Mittelosteuropa unter Federführung des Goethe-Instituts um. >>> Mehr über PERSPECTIVES
September 2025