Musik in Quarantäne  „Wenn du stoppst, geht das Momentum verloren“

Scott McLean
Scott McLean: „Das Schwierigste am Musikerdasein ist es zu lernen, sich keine Sorgen über Geld zu machen“ Foto: © Sandrina Schwarz

Musiker*innen trifft die Coronakrise besonders hart. Konzerte wurden abgesagt, Aufträge verschoben. Öffentliche Hilfspakete gehen meist am Bedarf der Kreativen vorbei. Dabei gäbe es zahlreiche Lösungen für deren prekäre Situation – wenn man auf die Betroffenen hören würde.

Die ganze Kultur ist übersättigt, weil alle jetzt was machen. Alles ist online. Jeder denkt: ‚Oh, ich veröffentliche jetzt einfach dieses Demo von vor fünf Jahren!‘ Aber ich habe mich dagegen entschieden. Eigentlich wollte ich Ende März 2020 eine EP veröffentlichen. Ich warte damit.“

Scott McLean, Musiker und Musikproduzent in Dresden


Wegen Covid-19 sind in Deutschland viele Veranstaltungen abgesagt worden. Während der Ausgangsbeschränkungen streamen viele Musiker*innen von zuhause oder einzeln aus den Clubs. Das Angebot ist überwältigend. Alle fünf Minuten erscheint eine Benachrichtigung „Person x hat einen Live-Stream gestartet“.

Doch worüber nur am Rande gesprochen wird: Besonders die Kleinkünstler*innen der Musikbranche leiden, da sie keine regelmäßigen Einkünfte haben und ihnen jetzt die Aufträge entfallen. Viele mussten sogar aufwändig geplante Tourneen absagen. Mit Konzerten sind zwei Einnahmen verbunden: Gagen für die Performance, und die Tantiemen dafür, dass die eigenen Werke öffentlich aufgeführt wurden.

Das Momentum ist verloren gegangen

Doch die Einschränkungen treffen auch solche Berufsmusiker, die ihren Unterhalt nicht mit Auftritten bestreiten. Scott McLean ist Musiker und Musikproduzent in Dresden. Sein Geld verdient er vor allem damit, Bands und Musiker*innen aufzunehmen und zu produzieren. Außerdem mixt und mastert er. Nur zwischen drei bis fünf Prozent machen bei ihm Konzerte, Tantiemen, Verkäufe von Tonträgern und so weiter aus.

Während des Lockdowns kann Scott nur bereits vorhandene Aufnahmen mixen und mastern. „Viele Leute haben zu mir gesagt: ‚Oh, jetzt hast du endlich Zeit, Musik zu schreiben oder so etwas!‘ Aber ich schreibe die ganze Zeit Musik, ich mache die ganze Zeit Musik. Und jetzt bin ich viel eingeschränkter in dem, was ich mit dieser Musik anstellen kann.“

Scott hat die Soforthilfe der Stadt Dresden beantragt und sehr unbürokratisch und schnell bekommen. Es handelt sich um einen nicht rückzahlbaren Zuschuss in Höhe von 1000 Euro. Er sagt, das decke ungefähr seine fehlenden Einnahmen bis Mitte April. Voraussetzung für eine nachhaltige Wirkung der Hilfe ist jedoch, dass es danach keine Ausgangsbeschränkungen mehr gibt. Denn alle seine Aufträge verzögern sich durch die verhängten Maßnahmen.

Schon jetzt sei den Selbstständigen ein Momentum verloren gegangen. „Bei der Arbeit brauchst du diesen Schwung. Dann bekommst du auch automatisch weitere Aufträge. Wenn du stoppst, geht das Momentum verloren. Ich muss die Sache also erst wieder in Bewegung bringen“, sagt Scott. Momentan sei er nur „zu 20 Prozent so produktiv wie in Freiheit“.

Darlehen und Kredite sind keine Hilfe

Bund, Banken und Länder bieten ebenfalls Hilfspakete an. Zuschüsse werden von den Kulturschaffenden zwar begrüßt. Die Ausgestaltung der Subventionen aus öffentlicher Hand aber ist für die Kulturbranche nicht nur ungeeignet, sondern womöglich sogar kontraproduktiv. Denn es handelt sich überwiegend um Darlehen und Kredite. „Für Musiker*innen wird es sehr schwer, solche Schulden abzubezahlen. Mit einem solchen Kredit bringt man sich nur selbst in Schwierigkeiten“, so Scott.

Radiosender wie MDR Kultur teilten eine Playlist auf Spotify mit Titeln lokaler Musiker*innen und behaupteten: „Mit dieser Spotify-Liste helfen Sie regionalen Künstlern“. Streamingeinnahmen aber bewegen sich im Bereich von 0,1 bis 0,5 Cent pro Stream, der dafür aber mindestens 30 Sekunden lang laufen muss. Von einer Unterstützung für Regionalmusiker*innen, die Ausfälle ausgleichen würde, kann also nicht annähernd die Rede sein.

Es fehlt die Unterstützung durch öffentlich-rechtliche Sender

Öffentlich-rechtliche Rundfunk- und Fernsehanstalten wie der MDR könnten stattdessen Sendezeiten für Lokalmusiker*innen einrichten, da es dann Tantiemen für die Urheber*innen in angemessener Höhe gibt. Eine Ausstrahlung im öffentlich-rechtlichen Radio bringt zwischen 10 und 30 Euro ein. Die genaue Höhe ist abhängig vom Sender, seiner Reichweite und dem eigenen Urheberanteil, wenn mehrere Künstler*innen beteiligt sind.

Ein zweiter Vorschlag: Das geneigte Publikum könne, so schreibt die herrmann, eine sorbische Popmusikerin, in einem Instagram-Beitrag, CDs und Merch bei ihren lokalen Lieblingskünstler*innen kaufen oder ihnen spenden. Ein weiteres Modell, das immer wieder auch von Kulturschaffenden als eine Lösung für solche gesellschaftlichen Schieflagen ins Spiel gebracht wird, ist das bedingungslose Grundeinkommen. Es würde die auch zu Nichtkrisenzeiten teils prekären Verhältnisse in der Branche entspannen.

Denn nichtsdestotrotz ist es auch die viele Unterhaltung und Kultur, die wir auch in körperlicher Isolation gratis genießen können, die zu unserem geistig-seelischen Wohlbefinden beiträgt.

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