Populismus  Muslime in Serien?

Muslime in Serien? Illustration: © Martina Hamouzová

Über die Xenophobie in Tschechien und die Ängste vor dem Islam, vor Musliminnen und Muslimen wurde in den letzten Jahren viel geschrieben. Doch es fehlt ein komplexer Überblick, wie die Tschechen über Muslime nachdenken, wie sie sie wahrnehmen und vor allem, wie sich das negative Bild ändern ließe. Eine Studie, die im Oktober 2018 in Prag vorgestellt wurde, zeigt die unterschiedlichen Ausprägungen der Angst vor dem Islam in verschiedenen europäischen Ländern und wie man ihr begegnen kann.

Expertinnen und Experten mehrerer Universitäten weltweit beteiligten sich in den vergangenen zwei Jahren am Projekt Counter-Islamophobia Kit, darunter auch einige von der Karlsuniversität Prag.
 
„Viele bisherige Studien haben betont, dass man in Zukunft gegen Islamophobie vorgehen muss. Wir versuchen das und bieten Lösungen für einen breiten Kreis von Akteuren an: Politiker, Journalisten, gemeinnützige Organisationen, Rechtsanwälte“, so Amina Easat-Daas, eine der führenden Autorinnen der Studie, im Gespräch mit HlídacíPes.org.

Nur Verbrecher und Opfer?

„Die Medien präsentieren Musliminnen und Muslime in zwei extremen Situationen – entweder als Verbrecher oder als Opfer“, konstatieren die Autorinnen und Autoren der Studie. Ihnen zufolge sei es notwendig, solche Darstellungen in Tschechien zu kompensieren, indem der Islam beziehungsweise Musliminnen und Muslime als etwas „Normales“ gezeigt werden, also als gewöhnlicher Teil demokratischer Gesellschaften.
 
Der Islam solle deshalb – so die Studie – nicht als der einzige Aspekt aufgefasst werden, der die muslimische Identität bestimmt. Auch sollte muslimischen Intellektuellen ein größerer Raum in der Öffentlichkeit eingeräumt werden und speziell Frauen, da sie auf den gegenwärtig aufkommenden Feminismus und Pluralismus in der muslimischen Frauenbewegung aufmerksam machen könnten.
 
Die Autorinnen und Autoren der Studie geben allgemein die Empfehlung, die Debatte wieder loszulösen von Themen, die in letzter Zeit dem Diskurs über den Islam beziehungsweise über Musliminnen und Muslime „anhaften“. Ein Beispiel wäre die Misshandlung von Frauen oder das in Tschechien so oft aufgegriffenen Thema Migration: 

„Im Rahmen der Migrationspolitik ist es völlig legitim, Diskussionen zu führen über das Ausmaß an Solidarität mit den Zuwandernden oder die Regulation von Risiken. Islamophobie und hasserfüllte Äußerungen hingegen können unter keinen Umständen toleriert werden“, sagt Karel Čada vom Institut für Sozialwissenschaften der Karlsuniversität Prag, einer der Autoren des tschechischen Teils der Studie.

Es den Populisten gleichtun

Die Studie soll nicht nur eine weitere Beschreibung des aktuellen Zustands sein, sondern auch konkrete Empfehlungen zu geben, wie die Islamophobie in Tschechien (und in anderen europäischen Ländern) begrenzt werden kann.
 
„Es ist notwendig, von den Populisten zu lernen, mit der Öffentlichkeit in direkten Kontakt zu treten, die Bereitschaft zu zeigen, die Unsicherheiten der Bürgerinnen und Bürger anzuhören sowie mögliche Lösungen klar und verständlich zu mitzuteilen“, raten die Autorinnen und Autoren.
 
Es fehle in Tschechien eine strengere ethische Beurteilung von Inhalten der „Mainstream-Medien“ und ein aktiver Kampf gegen Hassbotschaften in sozialen Netzwerken, heißt es im Text.
 
Auch das systematische Aufdecken von Hoaxes (Falschmeldungen), die mediale und staatsbürgerkundliche Bildung an Schulen sowie die Unterstützung gemeinschaftlicher Aktionen müssten verstärkt werden.
 
Für die Verbreitung relevanter Informationen über Musliminnen und Muslime sowie den Islam sollten, so die Studie, Persönlichkeiten gefunden werden, denen beide Seiten Vertrauen schenken; außerdem solle man sich einer „Kombination rationaler Argumente, emotiver Geschichten, Celebrities und Ähnlichem“ bedienen.
 
In Bezug auf die jüngere Generation sei auch die Wahl der richtigen Kommunikationskanäle zu berücksichtigen, etwa kurze Videos, persönliche Treffen und Debatten oder Veranstaltungen, bei denen sie das kulturelle Umfeld der Musliminnen und Muslime „am eigenen Leib“ erfahren können (ihre Bräuche, ihre Küche und so weiter).
 
Laut den Autorinnen und Autoren würde es auch helfen, wenn die Medien Musliminnen und Muslime häufiger als Expertinnen und Experten befragen würden oder wenn sie auf irgendeine Art in beliebten Fernsehserien thematisiert würden.

Islamophobie: Tschechien ist nicht allein

Neben Tschechien befasste sich die Studie auch mit antiislamischen Stimmungen in Großbritannien, Griechenland, Portugal, Ungarn, Deutschland, Frankreich und Belgien.
 
In Deutschland beispielsweise wurde Islamfeindlichkeit lange nicht als tatsächlich existierendes Problem wahrgenommen. Erst im Jahr 2017 wurde der Begriff „Islamfeindlichkeit“ ins Register der hassmotivierten Straftaten aufgenommen. Den ersten Daten zufolge wurden 2017 auf deutschem Boden 804 solcher Straftaten begangen.
 
Als eine der größten Herausforderungen im Kampf gegen Islamophobie in Deutschland bezeichnet der Bericht deshalb das Sichtbarmachen von Angriffen auf Musliminnen und Muslime und die Verbreitung des Bewusstseins dafür in einem möglichst großen Umfeld, etwa über soziale Netzwerke.
 
In Frankreich wiederum sei es nach dem Wahlsieg des Kandidaten der Mitte Emmanuel Macron über die rechtsextreme Kandidatin Marine Le Pen nicht zum „Untergang der Islamophobie“ gekommen, obwohl einige Stimmen dies vorhergesagt hatten. Dies belege etwa das neue Anti-Terror-Gesetz, das den Ausnahmezustand ersetzte, der in Frankreich nach den Terroranschlägen im Jahr 2015 ausgerufen worden war.
 
Zwar sei es „übertrieben, ein Gesetz als islamfeindlich zu bezeichnen, dennoch wirft es den Schatten des Generalverdachts auf die muslimische Bevölkerung in Frankreich und es trägt dazu bei, Situation falsch zu bewerten“, heißt es in der Studie.
 
Diese zeigt auch, dass Islamophobie ein europaweites Phänomen ist und dass die tschechische Bevölkerung bei weitem nicht die einzige Gesellschaft ist, in der Vorurteile gegenüber Musliminnen und Muslimen herrschen, die nicht der Realität entsprechen.
 
„Das Ausmaß der Islamfeindlichkeit, das wir dokumentiert haben, ist sicher nicht positiv. Aber viele Menschen unternehmen schon heute viele gute Sachen und sprechen damit direkt Leute an. Wir kennen eine ganze Reihe guter Projekte, die sich dem alltäglichen Zusammenleben widmen. Wir wissen, wie man da rangehen könnte, aber es ist nötig, dieses Wissen noch mehr zu verbreiten“, schließt Amina Easat-Daas.
 

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