Klimawandel und Frauenrechte  Die Suche nach Wasser: eine Herausforderung für die moderne Frau

Olha Liashchuk, Beraterin des ukrainischen Klimanetzwerks und Projektkoordinatorin bei der NGO EcoClub
Olha Liashchuk, Beraterin des ukrainischen Klimanetzwerks und Projektkoordinatorin bei der NGO EcoClub Foto: © privat

Welche Auswirkungen hat der Klimawandel auf die Gesundheit, den Alltag und die wirtschaftliche Lage ukrainischer Frauen? Warum sind sie oft stärker von diesen Auswirkungen betroffen als Männer? Was genau ist Klimaaktivismus, und welche Rolle spielen dabei die Frauen? Wird deren Stimme in der Debatte über die Folgen des Klimawandels ausreichend gehört? Auf diese Fragen antwortet Olha Liashchuk, Beraterin des ukrainischen Klimanetzwerks und Projektkoordinatorin bei der NGO EcoClub.

Warum sind Frauen oft stärker von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen als Männer?

Hierfür gibt es viele Gründe; manche sind von globaler Gültigkeit, andere haben eine spezifisch ukrainische Dimension. Einer der Hauptgründe ist der verschlechterte Zugang zu Wasser. Dieser hat negative Auswirkungen auf das tägliche Leben, die Gesundheit und die finanzielle Situation von Frauen, zumal in ländlichen Gebieten. Auch die Verschlechterung der Luftqualität ist problematisch, insbesondere für Frauen, die während der Schwangerschaft und der Stillzeit einer erhöhten Gefährdung ausgesetzt sind. Darüber hinaus sind Frauen in größerem Maße mit Hausarbeit, Familienbetreuung und der Pflege älterer Angehöriger befasst; unnötig zu betonen, dass der eingeschränkte Zugang zu Strom, Gas und Wasser alle diese Tätigkeiten zeitaufwändig macht und insgesamt erschwert.

Die genannten Gefährdungspotentiale werden durch Naturkatastrophen oder durch militärische Konflikte, wie sie derzeit in der Ukraine stattfinden, noch verschärft; wodurch wiederum neue Herausforderungen für die Frauen entstehen: erschwerte Befriedigung von Grundbedürfnissen (Zugang zu Lebensmitteln, Medikamenten, und so weiter), Vertreibung (mit der häufigen Folge einer Verschlechterung der Lebensbedingungen), ein geringerer sozialer Status (dies gilt sowohl für binnenvertriebene Frauen in der Ukraine als auch für Frauen, die ins Ausland geflüchtet sind).
Wenn ein Brunnen ausgetrocknet ist, ist es meist an den Frauen, Wasser aufzutreiben und auf den Hof zu bringen. Dies bringt erhebliche Schwierigkeiten mit sich.“

Die Brunnen in Dörfern in der Ukraine sind vielfach von Austrocknung bedroht. Das ist eine Katastrophe für die ukrainischen Hausfrauen, nicht wahr?

Der Rückgang der Wasserstände in Flüssen und Brunnen ist ein großes Problem für die Ukraine. Wenn wir an unser Heimatland denken, stellen wir uns für gewöhnlich Flüsse, Seen und dichte Wälder vor. Doch diese Vorstellung steht, soweit sie die Gewässer betrifft, im Gegensatz zur Wirklichkeit. Die Ukraine ist ein Land des Wassermangels. Von zwanzig untersuchten europäischen Ländern liegt die Ukraine, was die Verfügbarkeit von Wasser anlangt, auf dem siebzehnten Platz. Auf jeden Einwohner in der Ukraine entfallen im Schnitt lediglich 1000 Kubikmeter des lokalen Wasserreservoirs, während es etwa in den USA 7400 Kubikmeter und in Deutschland 1900 Kubikmeter sind. Dieser Umstand ist vor allem für die südlichen und östlichen Gebiete der Ukraine problematisch, aber auch die nördlichen und nordwestlichen Gebiete sind davon betroffen.

Ländliche Gebiete sind von dem Rückgang der Wasserressourcen stärker betroffen als die Städte; und Frauen haben eine größere Last im Haushalt und in der Pflege zu tragen, weshalb sie eher mit den Risiken des begrenzten Zugangs zu Trinkwasser konfrontiert sind. Dies gilt besonders für kleine private Landwirtschaften; wobei wir hier nicht von Familien mit Anbauflächen von mehreren Hektar sprechen, sondern von Hausgärten, die von den Frauen bewirtschaftet werden. Wenn ein Brunnen ausgetrocknet ist, ist es meist an den Frauen, Wasser aufzutreiben und auf den Hof zu bringen. Dies bringt erhebliche Schwierigkeiten mit sich. Es ist die eine Sache, Wasser aus dem eigenen Brunnen zu pumpen; eine andere ist es freilich, Wasser aus der Nachbarstraße heranzukarren.

All das wirkt sich auf die Gesundheit aus, nicht wahr?

Die fortwährenden körperlichen Anstrengungen erschöpfen die Frauen; dabei ist der Bewegungsapparat besonders betroffen. Die Folgen sind ein schlechter Gesundheitszustand und Ausgaben für Medikamente. Es gilt jedoch noch einen weiteren wichtigen Aspekt zu berücksichtigen: Wissenschaftler des International Non-Governmental Panel on Climate Change (IPCC) sind der Ansicht, dass die biologischen Unterschiede zwischen Männern und Frauen hinsichtlich der negativen Auswirkungen des Klimawandels keine Rolle spielen, vielmehr sei es soziale beziehungsweise geschlechterspezifische Ungleichheit, welche diese Auswirkungen noch verstärkt. Ich möchte dem widersprechen. Es gilt auch die physiologischen Eigenschaften von Frauen zu berücksichtigen: ihre Fähigkeit zu gebären, zu stillen, den Menstruationszyklus, die Menopause. Hitze stellt gerade während der genannten körperlichen Zustände eine zusätzliche Belastung für den weiblichen Organismus dar.

Ich habe eine interessante afrikanische Studie gelesen: Demnach vermehren sich Bakterien während der Menstruation schneller, wenn die Außentemperatur bei über 25 Grad liegt, weshalb es ratsam sei, Binden nicht alle sechs Stunden, sondern alle zwei bis drei Stunden zu wechseln. Natürlich müssen hier noch genauere Untersuchungen erfolgen; in der Ukraine jedenfalls werden diese Fragen nicht einmal diskutiert. Man sollte nicht vergessen, dass es hier um das alltägliche Leben von Frauen geht, das wir nicht aus dem Blick verlieren sollten, wenn wir über die Minimierung der negativen Auswirkungen des Klimawandels diskutieren.

Hat der Klimawandel neben seinem Einfluss auf Alltag und Gesundheit auch finanzielle Auswirkungen für die Frauen?

Alle diese Dinge sind untrennbar miteinander verbunden. Viele Höfe sind heute mit einem Brunnen ausgestattet, aber wegen des sinkenden Wasserspiegels müssen sie vertieft oder verlegt werden, was eine zusätzliche finanzielle Belastung bedeutet. Auch die Verwendung von Strom und Treibstoff, mit denen die Pumpvorrichtungen betrieben werden, ist mit Kosten verbunden; und wenn die Pumpe ausfällt, muss sie repariert oder neu beschafft werden. Alle diese Dinge kosten Geld, das den meisten ukrainischen Familien nur begrenzt zur Verfügung steht. Übrigens, wenn man sein Gemüse nicht wässert, kommt es zu Ernteausfällen, die man durch Einkäufe im Laden ausgleichen muss. Auch das führt zu finanziellen Einbußen.

Sie haben von der Fürsorgepflicht der Frau für ihre Familie gesprochen. Hier ist natürlich in erster Linie die Kinderbetreuung gemeint. Welche Risiken bestehen in diesem Bereich?

Denken wir an Spielplätze, auf denen Mütter und Kinder viel Zeit verbringen. Bei der Gestaltung dieser Spielplätze ist es wichtig, dass ausreichend Schatten vorhanden ist. Als Umwelt-NGO empfehlen wir den Gemeinden daher immer, alte Bäume so weit wie möglich zu erhalten, da sie viel Schatten spenden. Natürlich müssen auch neue Bäume gepflanzt werden, aber diese sind erst nach zehn bis fünfzehn Jahren in der Lage, signifikanten Schatten zu spenden; erst die nächste Generation wird davon profitieren. Ausgewachsene Bäume kühlen nicht nur durch ihren Schatten, sie sind auch natürliche Feuchtigkeitsregulatoren. Auch das wirkt sich positiv auf das Wohlbefinden der Menschen aus.

Darüber hinaus empfiehlt es sich, bei dem Bau von Spielplätzen natürliche Materialien wie Holz oder Metall zu verwenden. Anstelle von Asphalt sollte Rindenmulch zum Einsatz kommen, da dieser durchlässig ist und bei Hitze die notwendige Feuchtigkeit speichert. Vielfach wird Gummibelag verwendet, um das Verletzungsrisiko von Kindern zu minimieren. Unseren Daten zufolge kann sich ein solcher Belag durch Sonneneinstrahlung jedoch erheblich aufheizen. Dabei geht es nicht einmal vorrangig um die Frage, ob man auf so einem heißen Untergrund gut laufen kann. Gummibeläge geben durch das Aufheizen Schadstoffe ab, welche die Gesundheit der Kinder beeinträchtigen. Dies gilt auch für die Autoreifen auf denen die Kinder herumspringen und aus denen zu Dekorationszwecken „Schwäne“ angefertigt werden [Autoreifen werden auf Spielplätzen in der Ukraine und anderen postsowjetischen Ländern häufig in dem beschriebenen Sinne verwendet. Sie dienen mitunter auch dazu, eine Grenze zu markieren, Anm. d. Übersetzerin]. Da die Autoreifen schwarz sind, heizen sie sich besonders schnell auf. Wenn es auf dem Spielplatz keinen Baumschatten gibt, sollten Überdachungen aus natürlichen Materialien wie Holz oder Stoff verwendet werden.
Viele Frauen, deren Ehemänner an die Front gegangen sind, müssen nun alleine landwirtschaftliche Betriebe führen und ausbauen – und das tun sie recht erfolgreich.“

Lassen Sie uns über Frauen in der Wirtschaft sprechen, einem Bereich, in dem diese recht aktiv und erfolgreich sind. Nehmen wir zum Beispiel den Agrarsektor: Wie wirken sich die Folgen des Klimawandels auf die ukrainischen Bäuerinnen aus?

Die landwirtschaftlichen Großunternehmen haben die Folgen des Klimawandels längst auf dem Schirm, da sie auf Rentabilität bedacht sind. Daher waren sie die ersten in der Ukraine, die eine qualitative Bewertung der Gefahrenpotentiale des Klimawandels vorgenommen haben. Sie haben sich der Sache angenommen und setzen Maßnahmen zur Risikominimierung in die Tat um. Beispielsweise wurden die Anbaupflanzen und die Aussaattermine den neuen klimatischen Gegebenheiten angepasst. Im Gebiet Riwne werden mittlerweile Sonnenblumen angebaut; diese fanden sich vor fünf Jahren lediglich in kleinen Hausgärten. Da sich Temperatur und Luftfeuchtigkeit geändert haben, fühlt sich die Sonnenblume nunmehr wohl in der Region.

Was die kleinbäuerliche lokale Landwirtschaft betrifft, stehen die Dinge komplizierter. Man muss sich viel Wissen aneignen, um mit Katastrophen wie Klimawandel und Krieg umgehen zu können und sich anzupassen. Es freut mich aber, dass die Leute recht aktiv sind. Das haben wir letztes Jahr festgestellt, als wir in Kooperation mit unseren tschechischen Partnern Praktika für Wirtschaftstreibende, lokale Behördenvertreter und Journalisten in der Tschechischen Republik organisiert haben. Von den lokalen ukrainischen Unternehmen haben sich vor allem Landwirte, meist Frauen, um eine Teilnahme beworben.

Wer sind diese Bäuerinnen?

Aus der Westukraine kamen vor allem Schafzüchterinnen, aus der Südukraine waren es vorwiegend Gemüsebäuerinnen. Am schwersten haben es Frauen, die im Südosten der Ukraine Landwirtschaft betreiben, da es dort drängende Probleme mit der Wasserversorgung gibt. Neben dem Klimawandel stellt auch die Zerstörung des Wasserkraftwerkes Kachowka und des zugehörigen Staudamms ein Problem dar. Dies ist ein schmerzliches Thema für unser Land und für alle, denen die Umwelt am Herzen liegt. Die Regierung hat zwar verkündet, dass der Damm wiederaufgebaut wird, niemand weiß jedoch, wann dies der Fall sein wird. Umweltschützer sind der Auffassung, dass es noch zu früh sei, darüber zu urteilen, da zuerst eine detaillierte Evaluierung vorgenommen werden muss, um herauszufinden, ob sich ein Wiederaufbau überhaupt lohnt. Schließlich wachsen auf dem vormals überschwemmten Gebiet mittlerweile Wälder. Sollen wir noch einmal ein Ökosystem zerstören? Ein Ökosystem, das sich faktisch gerade selbst erneuert?

Die Landwirte in der Region können es sich nicht leisten, auf das Wasser zu warten. Sie passen sich den neuen Gegebenheiten an: Sie bauen genügsamere Pflanzen an oder bekämpfen den Wassermangel mithilfe von Bohrlöchern; auch Tröpfchenbewässerung kommt zum Einsatz. Das alles ist natürlich anstrengend und obendrein mit wirtschaftlichen Verlusten verbunden. Die Leute arbeiten mit dem, was ihnen zur Verfügung steht. Sie haben ihr Leben umgekrempelt.

Vergessen wir nicht, dass Krieg im Land herrscht. Viele Frauen, deren Ehemänner an die Front gegangen sind, müssen nun alleine landwirtschaftliche Betriebe führen und ausbauen – und das tun sie recht erfolgreich.

Kann man sagen, dass der Krieg den Frauen in gewisser Weise einen Anstoß zur Selbstverwirklichung gegeben hat?

Der Krieg hat die Frauen zweifellos vor neue Herausforderungen gestellt. Sie treffen Entscheidungen und übernehmen Verantwortungen für Dinge, mit denen sie vorher nichts zu tun hatten. Oft liegt es an ihnen, die gesamte Großfamilie zu versorgen, während die Männer das Land verteidigen. Damit sind wir wieder bei der Rolle der Frau als Fürsorgerin, die heute in unserem Land wichtiger ist, denn je. Einerseits ist die aktuelle Situation für Frauen nicht einfach, andererseits wird durch diese erst sichtbar, was Frauen tatsächlich leisten. Die Menschen haben begonnen, häufiger über die Arbeit von Frauen zu sprechen. Frauen sind heute angehalten, ins Ausland zu gehen, um zu studieren und aus ihren Erfahrungen zu lernen – denn wer sonst, wenn nicht sie? Frauen werden immer mehr an Entscheidungsfindungsprozessen beteiligt. Ich möchte in meiner Beurteilung vorsichtig sein, aber bis zu einem gewissen Grade hat die aktuelle Situation auch positive Effekte; ich könnte hier einige Beispiele jüngeren Datums nennen, auch aus der Agrarwirtschaft.

Es gibt diese Annahme, dass Frauen in Katastrophen weniger mobil seien. So fällt es ihnen schwerer, eine Gefahrenzone zu verlassen, da sie sich um ihre Angehörigen kümmern müssen. Stimmen Sie dem zu?

Wenn wir vor fünf Jahren über dieses Thema gesprochen hätten, hätte ich dem zugestimmt. Aufgrund des Krieges hat sich die Situation jedoch sehr verändert. Zu Beginn des russischen Angriffskrieges haben wir gesehen, wie Millionen von Menschen, vor allem Frauen und Kinder, aufgestanden sind und sich auf den Weg an einen anderen Ort gemacht haben. In meiner Umgebung haben die meisten Frauen Autos und können jederzeit überall hinfahren. Aus diesen Beobachtungen kann ich freilich keine fundierten Schlüsse ziehen. Es gibt keine offiziellen Daten beziehungsweise Untersuchungen zu diesem Thema.

Sind Binnengeflüchtete stärker von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen?

Ja, wir haben sie bei der Untersuchung dieses Themas als gesonderte Kategorie betrachtet. Wenn jemand ein eigenes Haus hat, dann denkt er darüber nach, wie er es thermisch auf neuesten Stand bringen kann, um sich sowohl bei warmem wie bei kaltem Wetter wohlzufühlen. Diejenigen aber, die gezwungen sind, in gemieteten oder für sie bereitgestellten Unterkünften zu leben, schieben dieses Thema auf die lange Bank, weil ihnen besagte Unterkünfte nicht gehören. Darüber hinaus gibt es Probleme mit der Bereitstellung von Decken, warmen Schuhen, Winterkleidung und so weiter. Wir sollten aber nicht behaupten, dass Binnengeflüchtete ständig unglücklich wären. Sie sind gute Agenten des Wandels. Wir kennen Leute, die ihre Fluchterfahrungen weitergeben; das ist nützlich für die Gemeinden, in denen sie sich niedergelassen haben. In Kalusch etwa waren Binnenvertriebene aus Bachmut an der Ausarbeitung einer Strategie zur Entwicklung der Gemeinde beteiligt. Sie halfen gerne, weil sie diese Arbeit bereits in ihrer Stadt getan hatten, allerdings war ihnen keine Zeit geblieben, ihre Pläne umzusetzen. Es gibt viele solcher Beispiele.
 

Erzählen Sie uns etwas über den Klimaaktivismus: Nimmt die Rolle der Frauen in den diesbezüglichen Entscheidungsprozessen zu?

Klimaaktivismus ist eine gemeinschaftliche Aktivität, die darauf abzielt, die Aufmerksamkeit auf das Problem des Klimawandels und den Umweltschutz zu lenken und entsprechende Maßnahmen umzusetzen. Aktivisten können Proteste organisieren, Aufklärungskampagnen durchführen, Lobbyarbeit für politische Veränderungen betreiben oder Umweltinitiativen in ihren Gemeinden anstoßen.

In den postsowjetischen Ländern sind diese Aktivitäten eher Frauensache, da es bei all diesen Umweltangelegenheiten und -initiativen nicht ums Geld geht; dementsprechend sind Männer eher wenig beteiligt. Deshalb gibt es auch mehr Frauen in den entsprechenden NGOs. Außer uns gibt es noch eine ganze Reihe anderer Organisationen in der Ukraine, die in den letzten fünf Jahren in den Klimaaktivismus eingestiegen sind; dort sind überwiegend Frauen tätig. In Saporischschja hat die NGO Ecosense unter der Leitung von Tetiana Zhavzharova The Green Book for Zaporizhzhia Recovery: A Roadmap entwickelt. Das ist ein Aktionsplan für eine sogenannte „Vereinigung der Miteigentümer eines Mehrparteienhauses“. [Solche Wohnhäuser werden von den Eigentümer*innen selbst und gemeinschaftlich verwaltet, Anm. d. Übersetzerin], der Empfehlungen zur Anpassung an den Klimawandel unter Berücksichtigung geschlechterspezifischer und sozialer Aspekte enthält. Das Projekt wurde auf eigene Initiative gestartet und durch Spenden finanziert, wodurch es auch gelang, Experten zu engagieren.

Das Netzwerk Ecoltawa aus Poltawa hat die durch den Klimawandel induzierten Risikopotentiale der Stadt Sumy untersucht. In Uschhorod arbeiten Oksana Stankevych und ihr Team von Ecosphere an der Etablierung erneuerbarer Energiequellen in den Karpaten. Die Lage dort ist kompliziert, denn Windparks können sowohl den Gemeinden als auch dem Gebirge als Naturraum schaden. Tolle Arbeit leistet Ecodiya in Kyjiw. Sie haben eine sehr interessante Studie unter dem Titel Das Wasser ist nah durchgeführt. Dabei geht es um die Auswirkungen des Klimawandels auf die Wasserressourcen in den Küstenregionen der Südukraine, die von Überflutungen besonders gefährdet sind. Sie haben auch eine detaillierte Analyse in Bezug auf die Geschlechterfrage vorgenommen.

Wer finanziert den Klimaaktivismus in der Ukraine?

Etwa 85 bis 90 Prozent sind Fördermittel aus dem Ausland, der Rest setzt sich aus Patenschaften und Mitgliedsbeiträgen zusammen. Was letztgenannte Geldquellen betrifft, hat sich die Situation durch den Krieg verschärft, denn wenn es um die Entscheidung geht, ob das Geld an den Klimaschutz oder an die Armee geht, ist die Priorität klar.

Wie arbeiten die Umweltaktivisten in der Ukraine mit den Behörden zusammen?

Bei der Bewertung des durch den Klimawandel induzierten Risikopotentials, hat unsere NGO in der Zusammenarbeit mit den Gemeinden gute Erfahrungen gemacht. Wir helfen den Gemeinden dabei, Studien durchzuführen, um herauszufinden, wie anfällig sie für ein bestimmtes Klimarisiko sind. Erwähnenswert sind hier die Bereiche Gesundheit, Bildung, Infrastruktur, Energie, Grünflächen und so weiter. Der ukrainische Gesetzgeber verpflichtet die örtlichen Verwaltungen nicht, Bewertungen dieser Art durchzuführen. Dies tun nur Gemeinden, die Unterzeichner des Konvents der Bürgermeister [die weltweit größte Bewegung für Klima- und Energieeffizienz auf kommunaler Ebene, Anm. d. Red.] sind. Davon gibt es etwa 300 in unserem Land [von insgesamt 1496 Gemeinden, Anm. d. Red.].

Die meisten Bürgermeister sind Männer, aber wir arbeiten oft mit deren Mitarbeiterinnen zusammen, zum Beispiel mit Energiemanagerinnen. Einigen Gemeinden gelingt es, unter Einbeziehung von Fachleuten, eine seriöse Bewertung vorzunehmen, andere wiederum beschränken sich auf die Einhaltung der Formalitäten, weshalb die Genauigkeit ihrer Daten mitunter fraglich ist. In einem solchen Fall ist nicht klar, ob die Anpassungsmaßnahmen, die eine Gemeinde plant, tatsächlich effektiv sind. 
 
Unsere Aufgabe ist es, die notwendigen Empfehlungen zu geben. Wenn Gemeinden beispielsweise planen, Gehwege mit Pflastersteinen zu belegen, dann raten wir ihnen, solche zu verwenden, welche die Feuchtigkeit in den Boden abgeben, anstatt sie an der Oberfläche zu sammeln. Dass Wasser hält das Gras am Leben, das sonst in der Hitze verdorren würde; auf diese Weise wird die Menge an Feinstaub verringert, welche die Leute einatmen, was wiederum einen gewissen Effekt auf die Zahl der Atemwegserkrankungen hat. Wenn das Wasser in Pfützen steht, sinkt übrigens die Wahrscheinlichkeit beträchtlich, dass eine Mutter mit ihrem Kind spazieren geht. Unser wichtigster Rat an die Gemeinden lautet: Denkt ganzheitlich! Vor allem jetzt, da die Pläne für den Wiederaufbau entwickelt werden. Wenn Gemeinden Infrastrukturprojekte planen, sollten sie den Klimawandel und dessen Auswirkungen mitberücksichtigen.

Perspectives_Logo Die Veröffentlichung dieses Artikels ist Teil von PERSPECTIVES – dem neuen Label für unabhängigen, konstruktiven, multiperspektivischen Journalismus. JÁDU setzt dieses von der EU co-finanzierte Projekt mit sechs weiteren Redaktionen aus Mittelosteuropa unter Federführung des Goethe-Instituts um. >>> Mehr über PERSPECTIVES

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