Geoengineering und seine Grenzen  Rettet Technologie den Planeten?

Rettet Technologie den Planeten? Foto: Wolfgang Hasselmann via unsplash | CC0 1.0

Unser Planet wird immer wärmer. Wir steuern darauf zu, dass er sich schon relativ bald um mehr als 1,5 Grad Celsius gegenüber der vorindustriellen Zeit erwärmen wird. Gerade diese Zahl gilt als Grenzwert, dessen Überschreitung für die Natur und damit letztendlich auch für den Menschen enorme Probleme nach sich zieht. Selbst wenn wir sehr schnell damit aufhören würden, Treibhausgase in die Luft zu blasen, würde es Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte dauern, bis man wieder den „Normalzustand“ erreicht beziehungsweise dem Temperaturanstieg ein Ende setzt. Wäre es da nicht sinnvoll, vorhandene Technologien zu nutzen, um unseren Planeten auf die ursprüngliche Temperatur abzukühlen?

Der Sommer 2024 verzeichnete erneut eine Reihe an Temperaturrekorden. Der Monat Mai 2024 war bereits der zwölfte Monat in Folge mit Rekordtemperaturen und außerdem der elfte Monat hintereinander, in dem die globale Temperatur im Vergleich zu vorindustrieller Zeit um mehr als 1,5 Grad Celsius erhöht war. Der Durchschnitt mehrerer Jahre, mit dem das sogenannt Pariser Klimaabkommen arbeitet, wurde zwar nicht um 1,5 Grad überschritten, viel fehlte jedoch nicht.

„Es ist schockierend, aber nicht überraschend, dass es diese zwölfmonatige Serie gegeben hat. Auch wenn sie irgendwann unterbrochen wird, bleibt die grundsätzliche Tendenz des Klimawandels bestehen, und eine Trendwende ist in absehbarer Zeit nicht in Sicht“, so Carlo Buontempo, Direktor des europäischen Copernicus Climate Change Service, den Presseagenturen weltweit zitierten. „An diese Reihung von wärmsten Monaten werden wir uns erinnern als eine relativ kühle Zeit. Falls es uns jedoch gelingt, die Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre in naher Zukunft zu stabilisieren, könnten wir bis zum Ende des Jahrhunderts zu solchen ‚kühlen‘ Temperaturen zurückkehren“, fügte Buontempo hinzu.

Der Trend geht derzeit jedoch eher dahin, dass die Menschen in Europa weitere „grüne“ Maßnahmen ablehnen, wenn diese ihren Geldbeutel erheblich belasten. Gleichzeitig erwärmt sich die Erde durch die von unserer technologielastigen Zivilisation produzierten Treibhausgase so stark, dass sich einige Gegenden nicht mehr für den Anbau der dort üblichen Pflanzen eignen und es in Gebieten mit hoher Luftfeuchtigkeit sogar gefährlich sein kann, sich im Freien aufzuhalten.

Es ist daher nicht verwunderlich, dass in den zurückliegenden Monaten und Jahren immer wieder die Idee eines groß angelegten Einsatzes klimabeeinflussender Technologien auftaucht, das sogenannte Geoengineering. Es gab bereits erste Versuche – wenn auch zunächst im kleineren oder eher minimalen Maßstab –, die zeigen sollten, wie das Klima beeinflusst werden kann und die mess- und belastbare Daten liefern sollten. Gleichzeitig gab es aber auch öffentliche Proteste dagegen. So wurde beispielsweise ein Experiment amerikanischer Wissenschaftler, bei dem von einem ausgemusterten Flugzeugträger aus Salzwasser in die Luft gesprüht werden sollte, um das Reflexionsvermögen der Wolken zu erhöhen und damit möglicherweise eine Abkühlung der Erde zu erreichen, aufgrund einer Entscheidung des Stadtrats von Alameda in Kalifornien nach nur zwanzig Minuten abgebrochen. Obwohl die Wissenschaftler nachweisen konnten, dass für niemanden ein Risiko bestünde, sprachen sich die Kommunalpolitiker als Reaktion auf die Stimmung ihrer Wählerschaft gegen dieses „umstrittene“ und „riskante“ Experiment aus.

Dem Wind das Regnen befehlen

Die Idee der künstlichen Beeinflussung des Klimas ist nicht neu. Im Jahr 1965 bekam US-Präsident Lyndon B. Johnson ein Dossier auf seinen Schreibtisch, in dem festgestellt wurde, dass die Gefahr der vom Menschen verursachten globalen Erwärmung durchaus real sei, insbesondere wegen der Treibhausgase. Und dass dies ein ernst zu nehmendes wirtschaftliches und soziales Problem nicht nur für die Vereinigten Staaten, sondern auch für die gesamte Menschheit darstelle. Die Autoren dieses Berichts schlugen auch eine Lösung vor. Dabei ging es jedoch nicht, wie man vielleicht erwarten würde, um die Begrenzung der Treibhausgasemissionen. Im Zeitalter des Aufstiegs des Automobils und technischer Lösungen schien dies für die Wissenschaftler undenkbar oder gar politisch unhaltbar. Stattdessen dachte man über ein künstliches Abkühlen des Planeten nach, um die vom Menschen verursachte Erwärmung auszugleichen. Der Beraterstab des Wissenschaftsausschusses des Präsidenten schlug vor, Partikel in der Luft über den Ozeanen zu verteilen, die einen Teil der Sonnenstrahlung in den Weltraum zurückzuwerfen und so für ein Abkühlen des Planeten sorgen würden. Zu ähnlichen Schlussfolgerungen gelangten wenig später auch Wissenschaftler der anderen Supermacht jener Zeit, der Sowjetunion. Der sowjetische Klimaforscher Michail Budyko, der in den 1950er Jahren mit seinen Modellen die Klimatologie von einer qualitativen zu einer quantitativen physikalischen Wissenschaft beförderte, setze in den 1970er Jahren die Freisetzung von Schwefeloxiden in die Atmosphäre durch. Dadurch sollten die Reflexionseigenschaften der Atmosphäre erhöht, die Sonneneinstrahlung auf die Erdoberfläche verringert und der Planet infolgedessen abgekühlt werden.

Später gerieten diese Theorien für einige Zeit in Vergessenheit. Hauptsächlich aufgrund von Befürchtungen, dass eine Beeinflussung des Klimas als Waffe genutzt oder einigen Ländern, beabsichtigt oder nicht, Schaden zugefügt werden könnte. Später wurde das Geoengineering abgelehnt, weil man befürchtete, dass es – wie andere moderne Technologien auch – eher Gefahr als Segen für die Menschheit sei. Die Ära des Technologie-Optimismus ging allmählich zu Ende.

Dies hing auch damit zusammen, dass die Entstehung der späteren großen internationalen Umweltorganisationen in den 1960er und 1970er Jahren auch mit den Protesten gegen Atomwaffentests und letztendlich gegen Kernenergie insgesamt verbunden war. Dabei wurde die Nutzung der Kernenergie im Westen ursprünglich als integraler Teil des Fortschritts der Menschheit gesehen. Ironischerweise war es die Entwicklung der Atomenergie, die das Potenzial hatte, die Verbrennung von Kohle und Öl zu ersetzen und, wie das renommierte Magazin The Economist schrieb, die globale Erwärmung zu einem „obskuren Phänomen“ zu machen, eine nur wenigen Wissenschaftlern bekannte Theorie. Aber das ist nicht geschehen.

Ölmagnaten und Ökoaktivisten

Die Welt hat sich jedoch entschieden, die Entwicklung von Kernkraftwerken nicht in großem Maßstab weiter fortzusetzen, aus Angst vor Havarien – eine Befürchtung, die durch nukleare Unfälle wie den im Kernkraftwerk Three Mile Island in den USA noch verstärkt wurde. Das wachsende Problem der globalen Erderwärmung wurde lange ignoriert und von anderen globalen Problemen überlagert, wie zum Beispiel der nuklearen Aufrüstung oder der Zerstörung unberührter Natur und der Tötung von Wildtieren. Und das, obwohl es bereits ziemlich genaue Modelle darüber gab, welche Auswirkungen das Verbrennen fossiler Brennstoffe hat und was noch wichtiger ist, welche es in Zukunft haben könnte. Über die besten Studien zu diesem Thema verfügten, wie sich später herausstellte, die großen Öl und Gas fördernden Energieunternehmen selbst, die durch die Verbrennung die Entstehung von Treibhausgasen und damit die Erwärmung des Planeten befördern. Das Ausmaß des Problems kannten sie schon sehr früh.
 
Ein 1999 in Middletown, Pennsylvania, in der Nähe des Atomkraftwerks Three Mile Island eingeweihtes Schild, das den Unfall und die Evakuierung des Gebiets beschreibt.

Ein 1999 in Middletown, Pennsylvania, in der Nähe des Atomkraftwerks Three Mile Island eingeweihtes Schild, das den Unfall und die Evakuierung des Gebiets beschreibt. | Foto: Z22 via wikimedia | Public domain

Bereits 1959 wies der Physiker Edward Teller, der „Vater der amerikanischen Wasserstoffbombe“, auf einem vom American Petroleum Institut, einer Lobbyorganisation der Erdölindustrie, mitorganisierten Symposium erstmals darauf hin, dass durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe Kohlendioxid entstehe, das für den Treibhauseffekt und damit für die Aufheizung des Planeten verantwortlich sei. Er warnte davor, dass dies ein Problem für die Menschheit darstellen könnte. Im Jahr 1968 erhielt das American Petroleum Institute die Ergebnisse zu einer von ihm in Auftrag gegebenen Studie, in der festgestellt wurde, dass die zunehmende Produktion von Kohlendioxid aus fossilen Brennstoffen „möglicherweise weltweite Umweltschäden verursachen“ könnte. Shell und Exxon gaben daraufhin bei ihren Wissenschaftlern eigene Studien in Auftrag, die zeigten, wie die Erwärmung voranschreiten würde. Insbesondere die Vorhersagen zur Erderwärmung von Exxon (später ExxonMobile) erwiesen sich als „schockierend genau“, so die Wissenschaftler später. Die Ölmagnaten hielten ihre Berichte geheim und machten einfach weiter.

Erst in den 1980er Jahren rückte das Problem der Treibhausgase und des Klimawandels ins Bewusstsein einer breiteren Öffentlichkeit. Mit dem Nachlassen der internationalen Spannungen und dem Zusammenbruch des Sowjetblocks und später der Sowjetunion erhielten diese Phänomene in den Industrieländern mehr und mehr Aufmerksamkeit. Im Jahr 1988 wurde der Zwischenstaatliche Ausschuss für Klimaänderungen (IPCC, auch Weltklimarat) gegründet, 1989 nahm die UN-Generalversammlung das Thema Klimawandel auf die Tagesordnung und später begann man Verhandlungen über ein internationales Klimaabkommen zu führen, die im Jahr 2015 im Pariser Abkommen zur Begrenzung der Emissionen gipfelten. Die Ideen des Geoengineering wurden erneut in den Hintergrund gedrängt, da es ausreichend schien, der globalen Erwärmung mit einer Methode entgegenzuwirken, die sicherer, nachhaltiger und zuverlässiger war: der Reduzierung und Begrenzung der Emissionen.

Darüber hinaus gab es Befürchtungen, dass der Versuch, die durch den Ausstoß von Treibhausgasen in die Atmosphäre verursachten Veränderungen „künstlich“ auszugleichen, dazu führen würde, dass die Menschen glauben, wir müssten die Produktion von Treibhausgasen nicht mehr einschränken. Und im Gegenteil nahm man an, dass die sichtbare Bedrohung durch den globalen Klimawandel, das heißt die Erwärmung eines bedeutenden Teils des Planeten, die Wetterschwankungen, die Veränderungen der Niederschläge und die Ausbreitung von Pflanzen und Tieren, einschließlich der Keime verschiedener Krankheiten, dazu führt, dass die Menschen die Notwendigkeit einer Begrenzung der Treibhausgasproduktion erkennen und bereit sind, zur Erreichung dieses Ziels entsprechende Opfer zu bringen. Die künstliche Abkühlung der Erde durch entsprechenden Einsatz von Technik „scheint eine Art Versprechen, ein falsches Versprechen, dass es Möglichkeiten gibt, mit denen sich der Klimawandel einfach bekämpfen lässt, ohne die tatsächlichen Ursachen der Klimaveränderungen anzugehen“, erklärte David Santillo, leitender Wissenschaftler bei Greenpeace International, gegenüber der New York Times. „Damit würde die Aufmerksamkeit davon abgelenkt, wo tatsächlich etwas Echtes bewirkt werden kann.“

Ein Teil der Menschheit will jedoch nicht auf die „qualmenden“ Technologien verzichten. Dieser Verzicht wäre oft sehr kostspielig und vor allem im Zuge der jüngsten Entwicklungen bezüglich der hohen Inflation haben die Menschen in den Industrieländern darauf keine Lust. Außerdem würde es große Probleme mit sich bringen, die Verbrennung fossiler Brennstoffe und die Produktion anderer Treibhausgase zu schnell aufzugeben. Es könnte dazu führen, dass der Zugang zu medizinischer Versorgung und zu bestimmten Medikamenten eingeschränkt wäre oder dass günstige, gesunde Lebensmittel durch relativ billige, aber nicht so gesunde Lebensmittel ersetzt würden, was in einigen Ländern zu einer schlechteren Gesundheit und einer geringeren Lebenserwartung führen könnte. Viele Menschen wollen auch gar nicht sparen, obwohl sie wissen, dass die Kosten des Klimawandels letztendlich enorm sein werden und obwohl sie dessen Auswirkungen am eigenen Leib zu spüren bekommen – sei es durch Hitzewellen oder einfach dadurch, dass sie Wein oder Hopfen nicht mehr da anbauen können, wo es früher gut funktioniert hat.
 
Außenminister John Kerry unterzeichnet für die Vereinigten Staaten das Pariser Klimaschutzabkommen, beaufsichtigt von seiner Enkelin Isabelle

Außenminister John Kerry unterzeichnet für die Vereinigten Staaten das Pariser Klimaschutzabkommen, beaufsichtigt von seiner Enkelin Isabelle | Foto: U.S. Department of State via wikimedia | Public domain

Die Schattenseite des Techno-Optimismus

Die Erde steuert auf einen „Kollaps“ zu und ihm durch Geoengineering entgegenzuwirken, scheint für viele eine gute Lösung zu sein. Auch deshalb, weil die Kosten für einige dieser technischen Lösungen zur Begrenzung der Erderwärmung allmählich sinken. So sind seit den 1970er Jahren beispielsweise die Kosten für das Befördern von Fracht in die Atmosphäre oder über sie hinaus rapide gesunken. Das bezieht sich zum Beispiel auf das Versprühen von Aerosolen, die die Reflektionsfähigkeit der Atmosphäre erhöhen können, oder das Ausbringen von Schattensegeln im Weltraum. Es kostet heute etwa sechsmal weniger, ein Kilogramm Fracht in die Umlaufbahn zu befördern.

Auch andere Technologien haben sich verbessert und damit Geoengineering in wirklich planetarischem Ausmaß für eine breite Palette an Akteuren greifbar werden lassen: sei es für Schwellenländer wie Brasilien, teilweise für Privatpersonen, das ein oder andere finanzkräftige Unternehmen oder eine Vereinigung von einigen wenigen Dollar-Multimilliardären. In den Medien wird immer mal wieder berichtet, dass einige der reichsten Menschen der Welt ernsthaft an Geoengineering interessiert sind, wenn auch bisher nur zu Forschungszwecken. Es scheint dann so, als sei der Weg zur Lösung eines der größten Probleme der Menschheit offen und uns erwarte ein strahlendes Morgen. Doch alles hat sein Wenn und Aber, und hier geht es schließlich um globale Projekte mit entsprechend großen Herausforderungen.

Das erste Problem besteht darin, dass Bemühungen zur Veränderung des Klimas unerwartete Folgen haben können. Ausgehend von dem, was bisher vorstellbar ist, kann man beispielsweise annehmen, dass der Versuch, die Erde durch das Erzeugen künstlich ‚gebleichter‘, das Sonnenlicht reflektierender Wolken oder das Beschirmen eines Teils des Planeten vom Weltraum aus den Planeten ungleichmäßig abkühlen würde. Dies würde dann zu lokalen Wetter- und Klimaveränderungen führen, die Dürren, Hitzewellen oder sogar eine Verschiebung der Monsunzeit zur Folge haben könnten, was wiederum katastrophale Auswirkungen auf die lokale Landwirtschaft wie auch die Flora und Fauna haben würde. In ähnlicher Weise könnte beispielsweise auch die „Düngung“ der Ozeane durch Eisen zur Gefahr werden. Dieser Prozess zielt darauf ab, das Wachstum des Phytoplanktons zu fördern, das dann wiederum Kohlendioxid aus der Atmosphäre aufnehmen kann. Eine unkontrollierte Vermehrung unerwünschter Algen könnte jedoch dazu führen, dass sich Teile des Meeres in tote Zonen verwandeln würden.

Bei der Freisetzung von Schwefelverbindungen aus Flugzeugen in die Atmosphäre besteht das Problem darin, dass damit zwar eine Abkühlung des Planeten erreicht werden könnte, man aber gleichzeitig dieses Verfahren permanent durchführen müsste. Je mehr Treibhausgase in der Atmosphäre vorhanden sind, umso häufiger müssten diese speziellen Flugzeuge abheben. Wenn man aus irgendeinem Grund dann plötzlich damit aufhören würde, vielleicht wegen kriegsbedingter Luftraumsperrungen, würde das eine unmittelbare und schnelle (das heißt innerhalb weniger Jahre) Erwärmung des Planeten nach sich ziehen. Die Folgen für Natur und Mensch wären dann schlimmer als die der aktuellen Klimaveränderungen. Wie eine in der Fachzeitschrift Nature veröffentlichte Studie zeigt, könnten im Zuge der Klimaveränderungen und der Erwärmung des Planeten Maßnahmen, die heute noch als wirksam und sicher betrachtet werden, in Zukunft nahezu unwirksam sein und schwerwiegende negative Nebenwirkungen zur Folge haben. Bemühungen, Teile Nordamerikas zu kühlen, würden aktuell gerade diesen Ländern wie auch dem Planeten zugutekommen, könnten aber bis zum Ende des Jahrhunderts in Europa für Hitzewellen sorgen.

Vielleicht wäre es möglich, den Planeten auf sichere Art und Weise zu kühlen, indem man Treibhausgase aus der Atmosphäre absaugt und ein einen Teil davon speichert. Bisher ist das zwar nicht möglich, weil es zu teuer ist, aber eines Tages wird es sicher realisierbar sein. Es ist jedoch nicht klar, wer eigentlich bestimmt, um wieviel die Erde abzukühlen wäre und vor allem wie schnell das geschehen sollte. Einigen Staaten kommt die momentane globale Erwärmung sogar entgegen. So heißen manche offizielle Vertreter Russlands die Klimaerwärmung willkommen, weil sich dadurch das russische Territorium dahingehend erweitert, dass mehr Fläche für die landwirtschaftliche Nutzung zur Verfügung steht und dass durch das Auftauen von Teilen oder gar der gesamten Arktis Russland dort fossile Energieträger fördern könnte. Außerdem wäre es ganzjährig möglich, die Nordroute als Verkehrsweg für den Warentransport zu nutzen. Und es gibt auch einen militärischen Aspekt. Während die US-Marine die globale Erwärmung eher als Bedrohung betrachtet, sieht die russische Marine einen Vorteil in der Möglichkeit, ihre Flotte von den baltischen Häfen über die Nordroute in den russischen Fernen Osten verlegen zu können, ohne den Suezkanal durchfahren oder ganz Afrika umrunden zu müssen. Die Vorstellung, dass durch das Entfernen von Kohlenstoffdioxid aus der Atmosphäre irgendwo auf der Welt am „globalen Thermostat“ gedreht wird, ohne dabei Rücksicht auf die Interessen einer der Supermächte zu nehmen, kann zu einem globalen Konflikt führen.

Wer macht den ersten Schritt?

Andererseits, wenn die Menschheit so weitermacht und der Klimawandel so weitergeht, wird uns wahrscheinlich nichts anderes übrig bleiben, als Geoengineering mit all seinen Risiken in Kauf zu nehmen. Es geht eher um die Fragen, wer den ersten Schritt macht und diese Methoden umsetzt. Werden es eher die großen Schwellenländer wie Indien oder China sein, wo der Klimawandel bereits jetzt unkalkulierbare Naturkatastrophen verursacht, die Erwärmung die lokale Landwirtschaft bedroht und einige Städte in unbewohnbare Areale verwandelt? Für die dortigen Politiker, denen es oft schwerfällt, der armen Bevölkerung zu erklären, dass sie sich zum Schutz des Planeten einschränken müssen, ist die Aussicht auf eine rasche Klimaanpassung sehr verlockend. Vor allem in Demokratien wie Indien, denn ein solcher Klimawandel wäre innerhalb von ein oder zwei Wahlperioden umsetzbar. Oder machen eher die entwickelten westlichen Länder den ersten Schritt? Hier gelingt es der Politik zwar, den Menschen zu erklären, warum die Emissionen begrenzt werden sollten, dennoch sind die Wählerinnen und Wähler immer weniger bereit, die Kosten dafür zu tragen. Insbesondere wenn Millionen von Klimageflüchteten aus Ländern, die von unerträglicher Hitze betroffen sind, an den Grenzen Europas und der USA auftauchen, wird die Versuchung, das „Klima“ schnell anzupassen und damit weitere Migrationskrisen zu verhindern, ein klarer Anreiz sein, Geoengineering in radikalster Art und Weise einzusetzen. Welche Folgen dieses Handeln haben würde, ist heute noch nicht absehbar.

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