Bollywood-Blödsinn
Hinglische Sprachpatzer bei Peter Pan aus Bollywood

Galti Se Mistake Foto (Detail): © YouTube

Der Jüngling ist seit Langem ein Archetyp in Bollywood-Filmen – und seine ungeschickte Art, Hinglish zu verwenden, also die Mischung aus Hindi und Englisch, eines seiner charakteristischen Merkmale.

Aditya Mani Jha

In der Bollywood-Komödie Dilli Ka Thug (Der Trickdieb von Delhi, 1958) geht es um Kishore (Kishore Kumar), der in die junge Inderin Asha (Nutan) verliebt ist. Ihren ersten Auftritt im Film hat diese im Badeanzug, und wir erfahren, dass sie Mumbai ki mashoor tairaak Asha – die berühmte Schwimmerin Asha aus Mumbai – ist. In den folgenden Szenen liest sie englische Bücher und trägt die gleiche Kleidung wie andere britische oder amerikanische Frauen jener Zeit. Kishore erinnert hingegen an diverse komische Kishore-Kumar-Rollen: ein Durchschnittstyp mit Slapstick-Humor voll berstender Energie, der das Leben einfach nicht ernst nehmen kann. Kurzum, er verkörpert hier den Bollywood‑Jüngling par excellence.

Von Trotteligkeit umgeben

C-A-T Cat, das Lied, mit dem Kishore um Ashas Gunst wirbt, wurde der erste Hinglish-Hit. Er stimmt den Song an, nachdem die von seiner Trotteligkeit genervte Asha laut aus einem englischen Psychologie‑Lehrbuch vorliest. Kishore will es ihr gleichtun, aber Asha lacht ihn wegen seiner mäßigen Beherrschung der englischen – oder hinglischen – Sprache aus. Sie reicht ihm ein Lesebuch und schlägt vor, dass er sich erst einmal ein paar Grundkenntnisse aneignen soll, womit sie auch das Stichwort für den Song gibt. Man ahnt es an dieser Stelle bereits: Der männliche Hauptdarsteller mit seinem Bollywood-Charme ist des Englischen danach nicht viel mächtiger; seinem Unterfangen, eine Frau zu erobern, jedoch ein Stück näher gerückt. Und die typisch hinglische Unbelehrbarkeit hat mal wieder die moderne englische Art besiegt.

Sprachpatzer als Liebeswaffe

Noch weiter auf die Spitze getrieben wurde dieser freche Einsatz von Sprachpatzern als Liebeswaffe in dem Song Twinkle Twinkle aus dem Film Purab Aur Paschim (Ost und West) aus dem Jahr 1970. In diesem musikalischen Wettstreit singt der aus London stammende Preeti (der raucht, trinkt, Miniröcke trägt und obendrein noch blond ist) das Lied Twinkle Twinkle Little Star. Als Antwort darauf schmettert sein patriotischer Gegenspieler Bharat (Manoj Kumar) den gleichen Text mit einem Punjabi-Akzent, sodass „Star“ eher wie „Sitar“ klingt. Danach singt er davon, wie er den merkwürdigen westlichen Lebensstil seiner Angebeteten „reparieren“ will, und so steht es am Ende im Match Hinglish gegen Englisch erneut eins zu null.

Förmlich und kultiviert

Diese aus der Verschmelzung zweier Sprachen resultierenden Fehler, die viele Protagonist*innen am Ende als Sieger*innen dastehen lassen, verdanken wir der Tatsache, dass Englisch in Bollywood-Movies bis in die späten 1990er-Jahre für Förmlichkeit, Kultiviertheit und gesellschaftliche Kompetenz stand. Mit Beginn des neuen Jahrtausends und dem exponentiellen Wachstum der TV- und Werbeindustrie sprachen die jungen Inder*innen in den Großstädten routiniert Englisch – und in den hindisprechenden Regionen Hinglish. 1999 nutzte Vikram Batra, Kommandant der indischen Armee, äußerst erfolgreich den Pepsi-Slogan Yeh dil maange more! (Das Herz will mehr!) als Zeichen für siegreiche Missionen. In den späten Nullerjahren war Hinglish schließlich allgegenwärtig: bei Bollywood-Stars, in der Politik, ja sogar bei TV-Sprecher*innen in englischsprachigen Nachrichtensendern.

Unrealistisch und aufgeblasen

In dem Film Student Of The Year (Schüler des Jahres, 2012) beschwören die beiden unrealistisch aufgeblasenen Highschool-Schüler Rohan (Varun Dhawan) und Abhimanyu (Sidharth Malhotra) ihre aufrichtige Liebe zu ihrer Mitschülerin Shanaya mithilfe des Liedes Ishq Waala Love (Die Ishq-Liebe) – ein unsinniger Titel, denn ishq heißt bereits „Liebe“. Mit dieser fehlerhaften Darbietung, einem von Faiz Ahmad Faiz geschriebenem Gedicht, garniert mit dem Klang von Hindi/Urdu, will jeder der beiden seine angeblich größere Liebe zu Shanaya unter Beweis stellen: „Surkh’ waala, ‘soz’ waala, Faiz waala love“ („aus meiner Liebe sind surkh, soz und Faiz gemacht“ – alle drei Begriffe stehen im weitesten Sinn für Liebe). Sprachlich wird also der Spieß wieder umgedreht, aber die männlichen Hauptdarsteller setzen hier einmal mehr auf die Wirkung von Hinglish.

Doppelt gemoppelt

Der Song Galti Se Mistake aus dem Film Jagga Jaasoos (2018) mit Ranbir Kapoor und Katrina Kaif ist quasi ein Inbegriff dieses linguistischen Party-Tricks. Galti heißt bereits „Fehler“, der Titel ist also ein weiteres Beispiel für einen doppelt gemoppelten Hinglish-Begriff und somit eine Art versehentlich begangener Fehler.

Kapoor ist natürlich der derzeitige Megastar des Genres, der seit den späten Nullerjahren bereits vielfach als männlicher Hauptdarsteller in Achna Ae Haseeno (Liebe auf Umwegen), Wake Up Sid, Rockstar und anderen Filmen vor der Kamera stand. Trotzdem wird in keinem dieser Werke der Tropus des jungen Mannes derartig ausgereizt wie in Jagga Jaasoos.

Regisseur Anurag Basu zeichnet den Hauptdarsteller hier in einer deutlichen Hommage an Tim und Struppi als Meisterdetektiv in Gestalt des 17-jährigen Schuljungen mit typischer Tim-Haartolle, gespielt von dem damals 34-jährigen Kapoor. Galti Se Mistake ist ein fröhlicher Coming-of-Age-Song, der hier in einer mitreißenden Choreografie in einer Jungenherberge dargeboten wird. Im Mittelpunkt steht Jagga, der die anderen auf Hinglish zu body banaa na (Bodybuilding), stubble ki fasal ugaa na (Stoppeln wachsen lassen) und anderen typisch männlichen Tätigkeiten motiviert.

Voller genretypischem, kindlichem Übermut

Dann steuert das Lied auf seinen Hauptteil zu, in dem vom „vorschriftsmäßigen“ Verhalten gegenüber Frauen die Rede ist, etwa „seat pe piche ladki bithaa ke dekh“ („siehe zu, dass auf deinem Motorrad eine Frau hintendrauf sitzt“). Bezeichnenderweise erlebt Jagga dies im nächsten Film-Moment selbst, nämlich als Shruti (Katrina Kaif) als Sozia bei Jagga mitfährt und versehentlich einschläft, während sie sich an ihm festhält. Voller genretypischem, kindlichem Übermut lächelt dieser vor Vergnügen, bevor er sie mit der obligatorischen Gentleman-Geste vorsichtig mit einer Rückenbewegung aufweckt und Shruti daraufhin wieder hastig auf Distanz geht.

Damit ein Darsteller wie Kapoor in einer solchen Rolle funktioniert, muss man ihm seine Persönlichkeit einfach abnehmen, wozu die vom Hinglish geprägten Charakterzüge eines Halbstarken sicher einiges beitragen. Galti Se Mistake ist also eine trotzig-fröhliche „Jungs sind eben Jungs“-Tautologie und eine weitere Bestätigung dafür, dass die Peter Pans aus Bollywood wohl niemals erwachsen werden. Der 34‑jährige Kapoor ist quasi Mitglied einer Jungsclique mit einem hinglishgeprägten Taschenspieler‑Charme … und alle, die neben ihm tanzen, sind sich darüber im Klaren, dass schon ein leichter Verstoß – etwa ein nicht von beidseitiger Zustimmung geprägter Körperkontakt mit einer Frau –die Zensur auf den Plan rufen könnte, während ein galti-se-mistake wohl nur als ein dummer Jungenstreich gilt.


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