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Mit der roten Nase zum Diplom

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Franziska (22) aus Wehrsdorf ist staatlich anerkannte Diplom-Clownin, Foto: © privat

Eine kleine bunte Clownsdame will dem Publikum unbedingt ein Lied vorspielen und greift zu Geige, Flöte und Trompete. Aber keines der Instrumente will einen Ton von sich geben. Die Dame ist kurz traurig bis ihr die rettende Idee kommt: Sie schnipst mit ihren Fingern einfach gegen ihre aufgeblasenen Wangen. Was für ein Konzert. Und vor allem was für ein tolles Bewerbungsgespräch.

So hat sich Franziska (22) aus Wehrsdorf an der Schule für Clowns, Komik und Comedy in der Nähe von Mainz beworben. Sie hat überzeugt und lässt sich seit 2009 auf dieser Schule zur staatlich anerkannten Clownin ausbilden.

Eigentlich wollte Franziska ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) in Afrika machen und danach Medizin studieren. Während eines Besuchs im Berufsinformationszentrum (BIZ) Bautzen hatte sie jedoch im Scherz den Berufswunsch „Clown“ in einen der bereitgestellten Computer eingetippt und es erschienen einige Treffer auf dem Bildschirm. „Es kam quasi vom Himmel gefallen“, sagt Franziska.

„Bis meine Eltern und Freunde sich daran gewöhnt haben, hat es eine Weile gedauert, aber sie haben mich trotzdem immer unterstützt. Manche sind jetzt bestimmt sogar ein bisschen neidisch“, sagt Franziska über die Reaktionen auf ihren Beruf.

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„Irgendwie ein Mix aus Bewegung und Musik“, Foto: © privat

Clownsjahre sind keine Herrenjahre

Auch wenn es lustig und entspannt klingen mag ein Clown zu sein, steckt hinter der zweijährigen Grundausbildung viel harte Arbeit. Zwar stehen auf dem Stundenplan weder Mathe, Physik oder Deutsch. Aber auch Fächer wie Clownstheorie, Pantomime und Jonglage haben es in sich. „In Clownstheorie lernt man zum Beispiel etwas über berühmte Clowns und theoretische Dinge über die Techniken.“, erklärt Franziska. Als es Zeit war sich zu spezialisieren, hat sie sich zuerst für Pantomime entschieden und später für Musik. „Und jetzt ist es irgendwie ein Mix aus Bewegung und Musik und einfach die Kunst, mit verschiedenen Bildern zu spielen“, beschreibt Franziska ihr Clownsrepertoire.

Nach absolvierter Grundausbildung bietet die Schule noch ein optionales drittes Ausbildungsjahr an. Das hat Franziska im Sommer 2012 erfolgreich abgeschlossen. Nun darf sie sich staatlich anerkannte Diplom Clown-Schauspielerin nennen. Tusch und Applaus!

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Hinter der zweijährigen Grundausbildung zum Clown steckt viel harte Arbeit. Foto: © privat

„Es ist zwar eine private Schule, aber mit staatlich anerkanntem Abschluss“, erklärt Franziska. Das heißt, dass man Bafög und andere Fördergelder beantragen kann, um die monatlichen Kosten von 400 Euro zahlen zu können. „Man hat auch nur wenig Zeit für einen Nebenjob, da nachmittags noch kein Feierabend in Sicht ist.“ Man muss also wie jeder andere Student sehen, wie man über die Runden kommt. „Die Schule dauert von neun Uhr bis halb zwei und danach ist offenes Training, das heißt jeder übt das, was er noch nicht kann oder denkt sich ein neues kleines Stück aus“, beschreibt Franziska einen ganz normalen Schultag.

Wenn die Clownin die Führung übernimmt

In der Schule lernt man, wie man seinen Clown findet und entwickelt. Der Clown in Franziska heißt Schnaffel. Allerdings ist der Name nicht mehr aktuell. Franziska ist gerade auf der Suche nach einem neuen Namen, denn Schnaffel ist femininer und erwachsener geworden in den letzten drei Jahren. Aber wie ist sie denn als Clown so? „Ich bin vor allem ziemlich süß, schön und bunt. Ich kann natürlich auch mal auf die Nase fallen. Ich bin schüchtern und auch wild, zurückhaltend und frech, irgendwie die Vielfalt in Person.“

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Nach ihrem Abschluss arbeitet Franziska (oben) als „Clownspflegerin“. Foto: © privat

Diplomclown – und jetzt?

Nach ihrem Abschluss arbeitet Franziska als Organisatorin bei Clownspfleger e.V., einer gemeinnützigen Einrichtung, der auch ihr Schulleiter und der Bürgermeister der Gemeinde angehören. Ehemalige Clownschüler oder die, die gerade in der Ausbildung sind, gehen in Alten- oder Behindertenheime und bringen den Bewohnern ein wenig bunten Spaß in die Bude. „Mancher Griesgram wartet nur darauf, dass man mit ihm spielt. Aber man braucht enormes Fingerspitzengfühl, ein Gespür für die Menschen und Mut“, berichtet Franziska über ihre Erfahrungen als Clownspfleger. „Ich spiele selbst mit, coache aber auch die Praktikanten dort. Nach jedem Heimbesuch wird dann reflektiert und besprochen was besser laufen könnte. So fühlen sich die neuen Clownspfleger nicht alleingelassen, sondern an die Hand genommen “, sagt sie über ihre Beschäftigung als Trainerin der Clownspfleger.

Außerdem übt sie sich im Bereich Bühnen -und Lichttechnik. Mit ein paar anderen Clowns wollen sie gerade das Theaterhaus das Komische Theater neu etablieren und helfende Hände sind immer gerne gesehen. „Ich mache die Technik, weil es mir Spaß macht und es einer ja machen muss. Aber mein Ziel ist es natürlich auch, irgendwann mit da oben auf der Bühne zu stehen“, so Franziska über ihre Pläne.

„Reich wird man als Clown auch, zwar nicht an Geld, dafür aber an Erfahrung“, sagt sie. „Nach Afrika will ich aber trotzdem nochmal, ob als Urlauberin, als Clown oder sonst was.“


Copyright: Goethe-Institut Prag
April 2013
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