Job

Honigwein aus der Waschküche

Foto: © Magdalena SchluckhuberFoto: © Magdalena Schluckhuber
Klaus Kremsmayr, Foto: © Magdalena Schluckhuber

Klaus Kremsmayr ist Winzer. Mit 21 Jahren. Mitten in der Stadt. Anstatt großer Weinstauden und Trauben braucht er Bananen, Erdbeeren, Honig, Zwetschgen – und den Keller seines Elternhauses. Dort produziert er monatlich rund 300 Liter Wein und nimmt dafür schon mal in Kauf, neben leeren Weinflaschen oder Holzpaletten zu schlafen.

Es riecht ein bisschen wie Weihnachten, nach Honig und Zucker. Der leicht fruchtige und süßliche Duft weht aus dem Keller hinauf. Dort, in einer ehemaligen Waschküche, ist das 20 Quadratmeter große Reich von Klaus Kremsmayr. In dem Raum stehen hauptsächlich leere Flaschen, Paletten und riesengroße silberne Tanks. In kleinen Röhrchen, den sogenannten Gärrohren, blubbert es. Ein Zeichen dafür, dass die Gärung im Gange ist und in den Tanks Wein entsteht. Jetzt wird auch klar, woher der süßliche Duft kommt. Der 20-jährige Student produziert Wein, aber keinen herkömmlichen. Zu seinem Repertoire zählen Bananenwein, Honigwein, Maracujawein, Erdbeerwein, aber auch Kaffeelikör oder Eukalyptus-Met.

Learning by doing

Kurse hat Klaus dafür keine besucht. Sein Wissen hat er aus Büchern und auch Fehlversuche haben ihn weitergebracht. „Mit 16 Jahren wollte ich mit einem Freund zum ersten Mal Honigwein machen, weil wir mit dem damaligen Angebot im Supermarkt nicht zufrieden waren“, sagt Klaus. „Geworden ist es Essig“, erinnert er sich lachend Aber Klaus hat nicht locker gelassen und weitere Versuche gestartet, bis er endlich seinen ersten „richtigen“ Honigwein produzierte. Das Rezept dafür ist einfach: Honig, Wasser und Hefe und viel Geduld beim Warten.

Foto: © Magdalena Schluckhuber
Das Rezept ist einfach: Honig, Wasser und Hefe und viel Geduld beim Warten. Foto: © Magdalena Schluckhuber

Weil seine Weine in seinem Freundeskreis immer größere Beliebtheit erlangten, hat sich der Student der Sozialwirtschaft 2011 selbstständig gemacht und seine eigene kleine Firma gegründet. Mittlerweile produziert er mehrere hundert Liter Honig- und Fruchtwein pro Monat, immer wieder kreiert er auch neue Sorten. In der Zwischenzeit sind sie nicht nur in den Lokalen seiner Heimatstadt Steyr ein Hit. Auf verschiedenen Märkten oder Mittelalter-Festen verkauft er sie in ganz Österreich.

Platzproblem

Fünf Tanks zu je 330 Liter hat er derzeit, drei Monate dauert es durchschnittlich bis der Wein fertig ist. Zwischendurch kümmert er sich um seinen Onlineshop, um das Reinigen der Flaschen oder leerer Tanks, aber auch um neue Verkaufsmöglichkeiten.

Die Nachfrage steigt stetig, manchmal herrscht Lieferengpass und Platzmangel. „Ich mache alles zu Hause und habe auch alles hier gelagert. Manchmal kommt es schon vor, dass neben meinem Bett alles vollgeräumt ist mit Flaschen oder Kartons“, erzählt Klaus. Er freut sich, dass sein Geschäft so erfolgreich ist und hofft, in ein paar Jahren auch davon leben zu können. Seine Schwester, aber auch seine Freunde helfen dem Jungwinzer in den stressigsten Zeiten beim Abfüllen der Flaschen, beim Verkauf oder beim Vertrieb.

Wenn die nächste Lieferung Bio-Früchte eintrifft, alle Tanks gereinigt, die neuen Logos gestaltet und wieder genug leere Flaschen vorhanden sind, wird neuer Wein gebraut. Schließlich wollen bereits wieder einige Lokale beliefert werden.


Copyright: Goethe-Institut Prag
Juli 2013
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