Kampf um die Rettung des Böhmerwalds
Der Böhmerwald ist dank seiner Naturschönheiten ein beliebtes Ziel bei Touristen und Wanderern, im Winter verwandelt er sich in ein Paradies für alle Wintersportfreunde. In den vergangenen Jahren ist der Böhmerwald allerdings auch Gegenstand eines Konflikts geworden, der sich vor den Augen einer breiten Öffentlichkeit abspielt und der sogar die höchsten Etagen der Politik beschäftigt.
Der Nationalpark Böhmerwald führt schon seit Jahrzehnten einen vergeblichen Kampf gegen seinen ärgsten Feind, den Ips typographus, besser bekannt unter der Bezeichnung Borkenkäfer. In jüngster Zeit ist aus dem Nationalpark ein Schlachtfeld geworden. Zwei Lager streiten erbarmungslos darum, ob der Wald sich selbst überlassen werden soll, oder ob der Menschen mit radikalen Eingriffen in das Ökosystem gegen den Borkenkäfer vorgehen soll.
Den Streit darüber, ob die vom Borkenkäfer befallenen Bäume gefällt werden sollen oder nicht, wollte Jan Stráský, der gegenwärtige Direktor des Nationalparks Böhmerwald, auf drastische Art und Weise lösen. Sein „Plan zum Schutz des Böhmerwalds“, den auch Staatspräsident Václav Klaus befürwortet, sah den Holzschlag von rund 5000 vom Borkenkäfer befallener Bäume vor, und zwar an zwei Orten, im Bereich Na Ztraceném und in der Gegend am Vogelbach (U Ptačího potoka).
Diese Nachricht empörte die Umweltorganisationen. Mitglieder der „Bewegung Regenbogen“ („Hnutí Duha“) versammelten sich Ende Juli – zum Zeitpunkt der geplanten Rodung – bei den zur Fällung vorgesehenen Bäumen und blockierten die Holzfäller in ihrer Arbeit. Mehrfach musste auch die tschechische Polizei eingreifen, vor allem dort, wo sich die Demonstranten hoch oben in den Bäumen festbanden. Das Hauptziel der Umweltaktivisten war es, eine Massenrodung zu verhindern. Sie wollen dem Wald ermöglichen, selbst mit dem heimtückischen Parasiten fertig zu werden. „Gerade dank des Borkenkäfers verändern sich im Böhmerwald die Wälder und bekommen damit ihre natürliche Struktur wieder“, erklärte der Experte der Umweltinitiative, Jaromír Bláha. Der Chef der Umweltorganisation Hnutí Duha, Petr Macháček, vermutet hinter dem Holzschlag im Böhmerwald zudem noch wirtschaftliche Interessen: „Die Ereignisse der letzten Wochen haben gezeigt, dass die wilde Natur des Böhmerwaldes den Holzunternehmen, Developern und Grundstücksspekulanten ein Dorn im Auge ist.“ Die Blockade der Umweltaktivisten ist damit zu einem Symbol für den Schutz des gesamten Nationalparks geworden. Die Schäden an den natürlichen Ökosystemen, die im Zuge der Rodung entstanden sind, hält Hnutí Duha allerdings für irreparabel.
In der zugespitzten Situation wurden sogar Premierminister Petr Nečas und weitere Politiker aufgerufen, zwischen den verfeindeten Lagern zu schlichten. Das Borkenkäferproblem hat die Politik erreicht, aber nicht nur die tschechische. Der Streit um den Holzschlag im Böhmerwald rief die EU auf den Plan, denn der Böhmerwald gehört zum Netzwerk europäischer Naturschutzgebiete NATURA 2000. Die EU forderte eine Erklärung zu den Rodungen und den in Zukunft geplanten Maßnahmen gegen den Borkenkäfer.
Allerdings scheint sich auch Mutter Natur entschlossen zu haben, in den heftigen Streit einzugreifen. Das schlechte Wetter, das in Tschechien die meiste Zeit des Sommers herrschte, machte auch dem Borkenkäfer im Böhmerwald zu schaffen. Der Schädling ist offenbar von einem unbekannten Virus befallen, das bereits die Larven unter der Baumrinde tötet. Die Rodungen an Orten mit hohem Borkenkäferbefall aber werden dennoch fortgesetzt.
Übersetzung: Ivan Dramlitsch
Copyright: Goethe-Institut Prag
September 2011