Athanasios Karanikolas kommt … nach Hause

„At Home“ | © J.M.Louis SHNP3
„At Home“ | © J.M.Louis SHNP3

Der in Berlin lebende griechische Regisseur Athanasios Karanikolas meint, Migration sei das Thema des 21. Jahrhunderts schlechthin. Zum ersten Mal hat er nun im Griechenland der Krise gedreht und nimmt mit einem Film über die Neuerfindung der Menschlichkeit auch 2014 am Forum der Berlinale teil.

Im Sommer 2013 hat Athanasios Karanikolas At Home gedreht. Sein dritter Film ist zugleich der erste, der in Griechenland spielt. Als dränge ihn etwas, in seine Heimat zurückzukehren und ihren Zustand in einer Krise zu beschreiben, die weit über wirtschaftliche Dimensionen hinausreicht: einer Krise der Wertorientierungen.

In At home entwickelt Karanikolas das Material von Elli Makra – 42277 Wuppertal und Echolot, seinem Forumsbeitrag von 2013, weiter. Alle drei sind Filme, die auf Details achten und Gratwanderungen von starken Emotionen nachverfolgen. Der Blick ist so scharf wie tief und hält die Balance zwischen Dokumentation und Fiktion.

Das moderne Melodram erzählt uns die Geschichte von Nadia, einer Migrantin aus Georgien, die seit zwölf Jahren als Haushaltshilfe bei einer griechischen Familie lebt, etwas außerhalb von Athen. Sie ist in Wirklichkeit viel mehr: Freundin der einsamen Ehefrau, Mutter für die einzige Tochter, alles in allem der gute Geist eines Hauses, wo es keine uneingestandenen Geheimnisse oder sonst irgendetwas Unheimliches zu entlarven gibt. Nein, hier herrscht der unendlich dauernde Alltag Athens in der Krise, wie er heute und schon immer war. Selbst in diesem Haus, ihrem Zuhause, bleibt Nadia immer „die Ausländerin“.

„Was mich interessiert hat“, erklärt Karanikolas, „war die Darstellung einer Person jenseits der Klischees vom armen und elenden Migranten. Nadia, Musterbeispiel an Anstand, Hingabe und Selbstverleugnung, legt eine neues Verhaltensmodell vor. Für mich steht sie ganz ‚oben‘, weil sie die Kraft findet, das ihr angetane Unrecht zu verzeihen. Ich meine, dass Migration das Thema des 21. Jahrhunderts schlechthin ist. Dabei geht es nicht nur darum, die Gesellschaft und ihr Regelsystem neu zu entwerfen, damit wir mit diesem Thema umgehen können, sondern hauptsächlich um die Neuerfindung dessen, was wir für menschlich halten, damit uns ein lebenswertes Leben möglich wird.“

Für At Home hat Karanikolas erstmals mit Argyris Papadimitriou, einem griechischen Produzenten (Wasted Youth), kooperiert; auch sein deutscher Assistent Lasse Scharpen ist wieder dabei. Die Hauptdarstellerin Maria Kallimani: überwältigend. Der Regisseur hat sich zwischen Deutschland und Griechenland eingerichtet, sein „Zuhause“ ist das Kino: „Mit At home bin ich mehr denn je bei mir selbst angekommen, persönlich, thematisch, aber auch stilistisch. Das hier ist mein erster bewusster Versuch, im Genre Melodram eine eigene Sprache zu finden, ohne dass diese melodramatisch – mit billigem Sentiment und Krokodilstränen – ausfallen soll. Zum Glück hatte ich hier ein supertalentiertes Team. Nichts war eingefahren oder hierarchisiert unter uns, wir zogen alle am selben Strang.“

Leda Galanou und Manolis Kranakis
bloggen für Goethe.de/Griechenland von der Berlinale.

Übersetzung aus dem Griechischen: Andrea Schellinger

Copyright: Goethe-Institut Griechenland/Internetredaktion
Februar 2014

    Leda Galanou und Manolis Kranakis sind beide in Athen geboren, wo sie auch studierten: er Jura, sie Geschichte und Anglistik. Danach befassten sie sich ausschließlich mit dem Kino. Heute schreiben beide für das Filmportal Flix.gr, das sie zusammen mit anderen eingerichtet haben. Das Portal trägt intensiv zur deutsch-griechischen Ver- netzung im Filmbereich bei.