Ausflug ins Europahaus

Quelle: Evropský dům | Zastoupení Evropské komise v ČRQuelle: Evropský dům | Zastoupení Evropské komise v ČR
Quelle: Europahaus | Vertretung der Europäischen Komission in der Tschechischen Republik

Der direkte Weg zur Europäischen Union führt über das Europahaus in der Jungmannstraße in Prag. Was verbirgt sich hinter seinen Türen?

Es ist Nachmittag und ich trete durch die Türen des Europahauses . Ich habe mich kaum zwischen den farbenfrohen Plakaten und Informationstafeln aller Arten zurechtgefunden, da spricht mich die Dame vom Infostand an. Freundlich erkundigt sie sich, ob sie mir irgendwie behilflich sein kann. Ich gestehe, dass ich zum ersten Mal da bin, mich gerne umschauen und etwas mehr darüber erfahren würde, wie „das ganze“ eigentlich funktioniert. Die Dame erklärt mir ausführlich, wie ich in die einzelnen Bereiche des Hauses komme und gibt mir eine Menge Informationsmaterial. Ich entscheide mich dafür, meinen Erkundungsgang im Lesesaal zu beginnen.

Die Tür nach Europa

Ich gelange in einen kleineren Raum. Dort stehen Regalen voller Bücher über die Europäische Union von konkreten Themen wie Steuer oder Lebensumstände bis hin zu allgemeinen Abhandlungen über den europäischen Gedanken. Man kann sich sogar alles umsonst ausleihen und mit nachhause nehmen. An den Wänden hängen bunte Arbeiten von Studenten der Kunsthochschulen, die an internationalen Wettbewerben gewonnen haben. Alle haben ein europäisches Thema. Auf Tafeln überall im Raum verteilt wird gerade die Wanderausstellung Stopy totality (Spuren des Totalitarismus) gezeigt, die das Leben in der Tschechoslowakei während des Kommunismus dokumentiert. Zu sehen sind Erzählungen und Fotografien von Zeitzeugen, die gegen das damalige Regime kämpften.

Quelle: Evropský dům | Zastoupení Evropské komise v ČR
Quelle: Europahaus | Vertretung der Europäischen Komission in der Tschechischen Republik

In der Mitte des Raums stehen Tische mit Computern, die jeder nutzen darf. Eine Internetverbindung und der Verleih von Zeitungen ist eine Selbstverständlichkeit. Ich setze mich, um mir ein paar Notizen zu machen und schaue mir die Leute um mich herum an. Mir gegenüber sitzt eine Dame mittleren Alters, die ganz in ihr Buch vertieft ist und laut lacht. Und neben mir schwätzt ein Paar, und die Sprache ist nicht gerade gewählt. Trotzdem ist die Dame an der Rezeption freundlich und lächelt, als sie gehen. Die Türen zu Europa stehen hier offensichtlich für jeden offen.

Ich lese mir also einen der Flyer durch und erfahre, dass die Vertretung der Europäischen Komission, das Informationsbüro des Europäischen Parlaments und das Informationsbüro des Regierungsamts der Tschechischen Republik dort ihren Sitz haben. Und angeblich beantwortet man dort bei vorheriger Anmeldung jede Frage, die Rechte und Möglichkeiten eines EU-Bürgers betrifft, wie zum Beispiel zur Ausschöpfung von Fördergeldern.

Bis bald und auf Wiedersehen!

Ein junger Bibliothekar unterbricht meine Lektüre, die Dame vom Infostand hat ihn zu mir geschickt. Sie hat ihm verraten, dass ich Informationen über das Europahaus suche, und nun hat er mir weitere Flyer, Broschüren und Jahresschriften gebracht. Außerdem bot er mir an, alle meine Fragen zu beantworten. Mich interessiert, wie sehr die Leute das Angebot des Europahauses nutzen. Sehr bekannt ist anscheinend vor allem das Kino Europahaus, das auf weniger kommerzielle europäische Filme spezialisiert ist. „Ich empfehle, wenigstens eine halbe Stunde vor Beginn zu kommen, denn bei uns wird es oft voll. Die Vorstellung ist umsonst, also kann man keine Karten im Vorverkauf bekommen,“ rät mir der Bibliothekar. Übrigens sind alle kulturellen Veranstaltungen des Europahauses und die dazugehörigen Materialien gratis.

Quelle: Evropský dům | Zastoupení Evropské komise v ČR
Quelle: Europahaus | Vertretung der Europäischen Komission in der Tschechischen Republik

Und welche Möglichkeiten der Weiterbildung gibt es hier? Der Bibliothekar antwortet, dass zur Zeit sehr großes Interesse an Exkursionen und Seminaren für Mittelschulen besteht, in denen auf unterhaltsame Weise erklärt wird, wie die Europäische Union überhaupt funktioniert. Außerdem finden immer mehr Lehrer den Weg ins Europahaus. Sie besuchen spezielle Schulungen darüber, wie sie die Europäische Union im Unterricht eigentlich vermitteln sollen. Die Öffentlichkeit kommt wiederum eher zu Debatten.

Ich setze meinen Erkundungsgang durch das Gebäude fort und gehe den Flur zurück zu den Informationsständen. Den Fußboden schmückt das Europablau und der berühmte Sternenkreis. Und an der Wand des Ganges ist ein Teil der Ausstellung Zmizelí sousedé (Verschwundene Nachbarn) zu sehen, die sich mit dem Holocaust und dem Schicksal einzelner Menschen beschäftigt. Ich überfliege einen der Texte, worauf ich ihm vollständig verfalle. Ich bin nicht fähig, weiterzugehen, bevor ich mir nicht alle Tafeln durchgelesen habe, die Geschichten sind einfach stärker als ich.

Neben der Ausstellung stehen Regale voller ausgefallener Materialien, die fast jedes Thema behandeln enthalten – von der Ökologie bis zum Arbeiten im Ausland. In dem Raum gibt es zwei Multimediastationen, an denen man ein Spiel mit europäischer Thematik spielen kann. Leider habe ich keine Zeit mehr, es auszuprobieren.

Ganz zum Schluss gehe ich mich von der Dame am Informationsstand verabschieden. Ich verlasse das Gebäude mit einem guten Gefühl. In kaum einem Bildungsinstitut habe ich ein solch hilfsbereites und energisches Personal vorgefunden, dem es wichtig ist, dass man sich wohl fühlt und man alles erfährt, was man wissen will. Ich glaube, ich komme bald wieder.

Alžběta Šemrová
Übersetzung: Hanna Sedláček

Copyright: jádu / Goethe-Institut Prag
Mai 2014

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