Der Euro: mehr als nur eine Währung?

Foto: Colourbox.deFoto: Colourbox.de
Den Euro benutzen über 338 Millionen Menschen jeden Tag, nicht nur in Europa. Foto: Colourbox.de

Wenn man den Gegenwert aller Münzen und Banknoten, die im Umlauf sind, zusammenzählt, rangiert er nach Angaben der europäischen Zentralbank auf dem zweiten Platz der verbreitetsten Währungen der Welt. Den Euro benutzen über 338 Millionen Menschen jeden Tag, nicht nur in Europa, und weitere 210 Millionen weltweit verwenden Währungen, die direkt an den Euro gebunden sind. Achtzehn Länder in der Eurozone und weitere sechs , die nicht einmal EU-Mitglieder sind, entschlossen, die eigene Währung und Währungspolitik aufzugeben und sich dem Projekt der gemeinsamen europäischen Währung anzuschließen. Was ist ihre Geschichte, Gegenwart und Zukunft?

Die Lateinische Union

Lange vor den Anfängen des gegenwärtigen europäischen Integrationsprojektes gab es in Europa Versuche, wenigstens teilweise die Währungen einzelner Staaten zu vereinigen. Das bekannteste dieser Projekte war die sogenannte Lateinische Union, die ihre Mitgliedsstaaten – das Französische Kaiserreich, das Belgische und das Italienische Königreich und die Schweiz – verpflichtete, einheitliche Anteile von Edelmetallen in den einzelnen Münzen einzuhalten. Das Währungssystem funktionierte damals noch nach dem sogenannten Goldstandard, nach welchem sich der Wert der Münzen von der enthaltenen Menge an Gold oder Silber ableitete, was erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts aufgehoben wurde. Das bedeutete, dass die Münzen aller Unions-Staaten den gleichen Wert hatten und frei getauscht werden konnten, im Verhältnis eins zu eins. Die Lateinische Union existierte über 60 Jahre, löste sich jedoch wegen Rivalitäten zwischen einzelnen Staaten und wegen Fehlens einer gemeinsamen Währungspolitik im Jahr 1927 schließlich auf.

Foto: Kiefer., CC BY-SA 2.0
Das Euro-Zeichen vor der Europäischen Zentralbank in Frankfurt am Main, Foto: Kiefer., CC BY-SA 2.0

Eine gemeinsame Währung

Der Euro wurde im Jahr 1992 mit dem Vertrag von Maastricht ins Leben gerufen, der in diesem Zusammenhang die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union an die Erfüllung strenger Regeln band und an die Einführung einer gemeinsamen Währung. Eine ständige Ausnahme erhielten nur Großbritannien, Dänemark und Schweden. Alle anderen Mitgliedsstaaten sind demnach verpflichtet, früher oder später der Eurozone beizutreten. Den Namen „Euro“ bekam die Währung erst im Jahr 1995. Er wurde in einem Brief an den damaligen Vorsitzenden der Europäischen Kommission von dem Belgier Germain Pirlot vorgeschlagen, einem Spezialisten für Esperanto und ehemaligen Lehrer für Geschichte und Französisch.

Mit der neuen Währung begann man in virtueller Form im Jahr 1999 zu handeln, im Jahr 2002 kamen dann die Münzen und Banknoten in Umlauf, die in elf Ländern bald die nationalen Zahlungsmittel ablösten. Im Jahr 2000 erfüllte auf die Schnelle (und, wie spätere Ermittlungen aus dem Jahr 2004 zeigten, auf der Grundlage gefälschter Angaben) auch Griechenland die Bedingungen für den Beitritt zur Eurozone, wo damit der Euro in seiner physischen Form gleichzeitig mit den anderen Staaten eingeführt wurde.

Den ursprünglichen Staaten schlossen sich nach und nach Slowenien, Zypern, Malta, Slowakei, Estland und im Januar diesen Jahres auch Lettland an. Die Länder, die sich verpflichteten den Euro einzuführen, es aber noch nicht getan haben, sind Polen, Bulgarien, Rumänien, Kroatien, Ungarn, Tschechien sowie Litauen, welches aber gerade noch die zweijährige Wartefrist einhält, in der der Währungskurs fest an den Euro gebunden sein muss.

Eine Besonderheit sind zudem die sechs Länder, die den Euro auf ihrem Gebiet eingeführt haben, obwohl sie keine Mitglieder der EU sind. Auf Grundlage offizieller Abkommen und Währungsunionen sind das vier Staaten – Andorra, Monaco, San Marino und der Vatikan. Diese Länder haben das Recht, eigene Euromünzen zu prägen und bis auf Andorra tun sie dies auch alle. Einseitig, ohne Abkommen mit der Union und damit ohne Recht auf Münzprägung, führten zwei Balkanländer den Euro als ihre Währung ein, Montenegro und Kosovo.

Foto:  LiliGraphie / Colourbox.de
Ab wann zahlt man wohl in Tschechien mit dem Euro? Foto: LiliGraphie / Colourbox.de

Offenheit und Gemeinschaft

Genau wie Münzen und Banknoten von Nationalstaaten, so hat auch der Euro sein fest vorgeschriebenes Aussehen. Die europäischen Banknoten zeigen immer Merkmale irgendeines gesamteuropäischen architektonischen Stils, von der Antike bei den Fünf-Euroscheinen bis zum Modernismus auf den 500-Euroscheinen. Eine Seite schmücken Tormotive, die andere Seite Motive von Brücken. Damit sind symbolisch zwei bedeutende europäische Werte ausgedrückt, Offenheit und Gemeinschaft.

Das Erscheinungsbild der Münzen ist dagegen weitaus vielfältiger. Die Vorgaben der EU räumen jedem Staat ein, seiner Authentizität Ausdruck zu verleihen durch eine eigene Prägung auf der einen Seite der Münze. Die meisten Staaten bilden dort Nationalsymbole ab, bedeutende Denkmäler, Persönlichkeiten oder Monarchen. Auf der anderen und allen gemeinsamen Seite ist der Münzwert aufgeführt, ergänzt durch eine Karte der EU. Interessant ist die Lage der Insel Zypern, die auf den Münzen einige hundert Kilometer weiter westlich liegt als in Wirklichkeit, da sie sonst nicht mit auf die Karte gepasst hätte.

Zusätzlich zu den gewöhnlichen Münzen ist es den EU-Staaten erlaubt, Gedenkmünzen zu prägen anlässlich wichtiger Ereignisse oder Jahrestage. Seit 2004 entstanden 157 Varianten, davon 111 nationale und 46 gemeinsame Serien. Die Motive der Gedenkmünzen sind sehr unterschiedlich. Luxemburg zum Beispiel veröffentlicht regelmäßig Münzen zu Ehren der Herzogsfamilie, Deutschland wiederum bringt jedes Jahr das Bundesland zur Geltung, das gerade den Vorsitz im Bundesrat hat. Keine einzige Serie von Gedenkmünzen veröffentlichten bislang Zypern, Estland, Lettland und Irland.

Alle Gedenkmünze haben einen Gegenwert von zwei Euro, ihr Marktwert ist jedoch um ein Vielfaches höher. Die teuerste dieser Münzen wurde in Monaco veröffentlicht, zum Todestag der amerikanischen Schauspielerin und späteren Prinzessin von Monaco Grace Kelly. Ihr derzeitiger Verkaufswert liegt bei 1300 Euro.


Tschechien und der Euro

Jeder Staat, der der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion (EWWU) beitreten und den Euro einführen will, muss vier Grundbedingungen erfüllen, die durch den Vertrag von Maastricht festgelegt sind:

  • Preisstabilität – die jährliche Inflationsrate (Wertverfall der Währung) darf nicht die durchschnittliche Inflationsrate der drei preisstabilsten EWWU-Staaten übersteigen – de facto heißt das, dass sich die Inflation knapp unter zwei Prozent halten sollte
  • Mindestens zwei Jahre sollte das Land am Europäischen Wechselkursmechanismus teilgenommen haben, was bedeutet, dass die Währung von einem bestimmten festen Kurs zum Euro um nicht mehr als 15 Prozentpunkte abweichen sollte. Diese Beitrittsbedingung erfüllt Litauen derzeit.
  • stabile Zinssätze
  • Gesunder öffentlicher Haushalt – die Verschuldung eines Landes, das dem Euro beitritt, darf 60 Prozent des BIP nicht übersteigen (die Staatsverschuldung der Tschechischen Republik Ende des letzten Jahres macht 46,5 Prozent des BIP aus) und das Haushaltsdefizit darf 3 Prozent des BIP nicht übersteigen. Im Jahr 2012 machte dieser Anteil in Tschechien 4,2 Prozent des BIP aus, im Jahr 2013 sank er allerdings auf bloße 1,4 Prozent.

Die Tschechische Republik hätte laut des Finanzministeriums langfristig betrachtet kein großes Problem, diese Kriterien zu erfüllen, jedenfalls im Vergleich zu anderen Staaten Europas. Zur Erfüllung der Auflagen, zu welchen sich das Land mit dem Beitritt zur Europäischen Union verpflichtete, fehlte es aber bei den vergangenen Regierungen am politischen Willen. Der frühere Premier Petr Nečas verkündete im Jahr 2010, dass es „in Krisenzeiten eine wirtschaftliche und politische Dummheit wäre, dem Euro beizutreten“. Der aktuelle Finanzminister Andrej Babiš sagte im Tschechischen Fernsehen, dass die Einführung des Euro die gegenwärtige Regierung nicht tangiere, obwohl sich eben diese Regierung als pro-europäisch bezeichnet.

Es ist also nicht verwunderlich, dass die Einstellung der Politiker zur Erfüllung der internationalen Auflagen so halbherzig ist. Die Unterstützung in der Bevölkerung für die Einführung des Euro ist anhaltend niedrig, laut der Meinungsforschungsagentur CVVM wird die Einführung des Euro lediglich von 22 Prozent der Tschechen unterstützt, von denen nur sechs Prozent in der Umfrage mit „Ja, unbedingt“ antworteten. Die Hauptgründe dieser Skepsis sind aber Fachleuten zufolge nicht nur die nationalen Gefühle der Tschechen, sondern auch die andauernde Krise in Ländern der Eurozone und das Ausmaß der europäischen Bürokratie und Regulierung.

Alžběta Šemrová
Übersetzung: Lena Dorn

Copyright: jádu / Goethe-Institut Prag
Mai 2014

    Themen auf jádu

    Gemischtes Doppel | V4

    Vier Kolumnisten aus der Slowakei, Tschechien, Polen und Ungarn schreiben über die Bedeutung Europas, Rechtspopulismus, nationale Souveränität, gesellschaftlichen Wandel, die Arroganz des westlichen Blicks – und brechen damit staatliche und gedankliche Grenzen auf. Mehr...

    Heute ist Morgen
    Oder ist es umgekehrt?! Und war nicht auch gestern schon mal Morgen? In was für einer Welt wollen wir gerne leben? Und wie lange wollen wir warten, bis sie Wirklichkeit wird? Mehr...

    Im Auge des Betrachters
    … liegt die Schönheit. Da liegt aber auch die Hässlichkeit – und alles dazwischen. Als Betrachter sind wir jedoch nur selten allein. Und als Betrachtete sowieso nicht. Mehr...

    Dazugehören
    Seit gesellschaftliche Akteure jeder Couleur ihre Forderung nach Integration einem Mantra gleich herunterbeten, gerät viel zu oft in Vergessenheit, dass Integration ein individueller Prozess ist, der auch von uns selbst etwas verlangt. Mehr...

    Themenarchiv
    Ältere jádu-Schwerpunkte findest du im Themenarchiv. Mehr...