Wo kommt das Gold her?

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Guya Merkle: „Ich will die sein, die den Goldminenarbeitern ein Gesicht und eine Stimme gibt.“ Foto: © Guya Merkle

Erbe verpflichtet, vor allem wenn es ein Familienunternehmen ist. Das zeigt auch die Geschichte der Berlinerin Guya Merkle, die das Juweliergeschäft ihres Vaters übernahm und nun ihren Kunden außer Luxusschmuck auch ein gutes Gewissen verkauft.

Guya Merkle war 21, studierte Kommunikation und Management in Potsdam und baute die Spendenplattform betterplace.org in Berlin mit auf, als sie nach dem Tod ihres Vaters unverhofft Alleinerbin und Chefin der Schmuckfirma Vieri Haute Joaillerie wurde. Das Luxusjuweliergeschäft ist seit drei Generation in Familienbesitz. Gegründet wurde es 1939 in Pforzheim bei Mannheim. Ab dem Jahr 1999 lag der Hauptsitz im Schweizer Nobelort Crans-Montana. Vor acht Jahren lag es plötzlich an Guya Merkle, was mit dem Unternehmen geschehen sollte. Keine einfache Entscheidung für eine junge Studentin, die eigentlich ganz andere oder besser gesagt keine Pläne hatte.

Von Berlin-Kreuzberg in die Schweizer Schickeria

Guya Merkle entschied sich für die Firma, nicht nur der Familientradition zuliebe, sondern auch, weil es durchaus kompliziert ist, so ein Geschäft einfach aufzulösen. Sie fing an zu pendeln, war in der Schweiz unterwegs, studierte in Potsdam zu Ende und war in Berlin sozialisiert. „Da fing mein Reisen an, was ich bis heute hasse wie die Pest“, sagt Merkle, die unter panischer Flugangst leidet. Nach dem Studium ging sie nach Crans-Montana und verkaufte zwei Jahre lang Luxusschmuck an Reiche und Schöne. „Ich lebte alleine im Chalet meines Vaters, das groß war und überall knarrte und im Dorf war einfach nichts los“, erinnert sich die mittlerweile 29-jährige aparte Brünette, die schon als Kind mit ihrer Mutter nach Berlin gezogen war.

Zwar war sie mit Schmuck groß geworden, hatte aber bis zum Tod ihres Vaters nie wirklich einen emotionalen Bezug zur Firma. „Diese ganze Welt war nichts für mich, ich wurde ganz anders erzogen, erlebte den Luxus nur beiläufig. Ich habe mich in Berlin immer eher mit sozialen Projekten beschäftigt“, sagt Guya Merkle, während sie an ihrem frischgepressten Gemüsesaft schlürft. Ihre Kleidung ist sportlich, leger. Arme, Hals und Finger sind mit einer Mischung aus edlem Goldschmuck aus ihrer Kollektion und Reisesouvenirs geschmückt. Aber dass sie die Chefin einer trendigen Schmuckfirma ist, sieht man ihr erst an, wenn sie anfängt darüber zu reden. Dann wird sie ernster, bedachter, als hätte sie mittlerweile Übung darin.


Aus naiver Neugier wurde Berufung

„Ich belegte Kurse in London über Schmuckherstellung, die Beschaffenheit von Rohstoffen, Steinkunde und überlegte derweilen, wo es mit der Firma hingehen sollte.“ Eine Frage ging Guya Merkle nicht mehr aus dem Kopf: Woher kommt eigentlich das Gold? Über die umstrittene Herstellung der Diamanten hatte sie einiges gehört, doch niemand konnte oder wollte ihr Genaueres über den Abbau von Gold erzählen. Aktivisten in den Niederlanden vermittelten ihr schließlich den Kontakt zu einem Mann in Peru, der sich für die dortigen Goldminenarbeiter einsetzt. Trotz ihrer kaum vorhandenen Spanischkenntnisse flog sie kurz entschlossen nach Südamerika.

Wirklich vorbereitet war sie auf diese Reise nicht. Nach einer zehnstündigen Busfahrt vom Flughafen und vier Stunden Schlaf fuhr sie morgens mit dem Pick-up direkt in die Goldminen hoch. Es stank nach Quecksilber, wo rund 3000 illegale Minenarbeiter Tag für Tag Gold schürften. Mittendrin stand sie mit ihrem Rollköfferchen. „Sie dachten ich wollte Gold kaufen, waren überfreundlich zu mir. Als sie verstanden, dass ich mir nur die Minen angucken wollte, machte sich Überraschung und Unmut breit.“ Mit ein paar Frauen kam sie dennoch ins Gespräch und erfuhr einiges über die unhaltbaren Lebensumstände und den Alltag der Minenarbeiter.

Drei Tage und drei Minen später flog Guya Merkle zurück. Noch im Flugzeug beschloss sie: „Ich will die sein, die den Arbeitern ein Gesicht und eine Stimme gibt.“ Schon eine Woche nach ihrer Rückkehr gründete sie in der Schweiz die Stiftung Earthbeat Foundation, löste das Geschäft in Crans-Montana auf und zog mit der Firma nach Zürich.


Nachhaltiger Luxus

Das war 2012. Seitdem ist sie nicht zu stoppen, guckt sich Goldminen an, macht auf die dortigen Verhältnisse aufmerksam und produziert jetzt ausschließlich kleinere Kollektionen aus fair gehandeltem Gold, die sie in Pop-up-Stores oder auf Bestellung verkauft. „Das Gewinnmaximierungsprinzip ist over. Deswegen sind wir in unserem Vertrieb relativ exklusiv. Ich möchte es auf ein Luxuslevel heben, um zu beweisen, dass nachhaltiger Luxus möglich ist, mein Ziel ist es ein Vorbild zu werden und zu zeigen: ‚Wenn ich es mit meiner kleinen Firma kann, dann ist es machbar.‘“ Guya Merkles Augen leuchten. Das ist ihr Business. Das ist ihre Vision.

Dafür braucht sie Kundschaft, die tief ins Portemonnaie greift. Ein bisschen berühmt wurde ihre Fima im vergangenen Sommer, als Rihanna mit einer Kette von Vieri Haute Joaillerie über den roten Teppich der MTV Awards in Los Angeles schritt. Die Popdiva kann es sich leisten. Für ein Schmuckstück des Labels muss die Kundin schonmal fünfstellige Eurobeträge berappen. Das wertvollste Armband kostet sogar 125.000 Euro. Viel Geld für einen Gegenstand, der wohl die meiste Zeit des Jahres sicher im Schmucksafe verstaut bleibt. Aber auch nicht mehr Geld, als für Stücke „normaler“ Luxusschmucklabels fällig ist.

Fair gehandeltes Gold ist zwar 10 Prozent teurer. Die Summe gleicht Guya Merkle aber dadurch aus, dass sie den Zwischenhändler weglässt und das Gold direkt in den Minen kauft. Das garantiert auch einen Nachweis, wo das Gold eigentlich herkommt. Das kann man nämlich bis heute oft nicht nachverfolgen. Das Interesse an der Herkunft von Gold ist nach wie vor gering, auch faire Goldminen gibt es noch viel zu wenig. „Ich habe mich viel mit Verantwortung auseinandergesetzt, mit unserem Wirtschaftssystem, mit Themen wie Ausbeutung und ich bin der Überzeugung, dass diejenigen, die können, auch in die Verantwortung genommen werden sollen. Und das sind die Unternehmen und großen Luxusgruppen, die faires Gold finanziell unterstützen können und auch sollten.“

Revolution des Goldmining

Trotz ihres Erbes und dem Umfeld, in dem ihre Kundschaft sich bewegt, hat die Jungunternehmerin die weniger privilegierten Schichten nicht vergessen. Vor allem „ihre“ Arbeiter liegen ihr am Herzen: „Es reicht nicht, den Menschen in den Minen Geld zu geben. Man muss die Verhältnisse verbessern, die Menschen bilden, sie motivieren.“ Ihr neuestes Projekt heartbeat uganda soll den Angestellten einer Goldmine in Uganda sowohl Arbeit als auch Bildung geben. Die Minenarbeiter sollen lernen, wie man Schmuck herstellt und eine Art social business aufbauen, indem sie alles selbst produzieren und direkt vertreiben können.

Guya Merkle ist eine bodenständige Weltverbesserin, die von Hause aus die finanziellen und geistigen Mittel mitbekam und dazu noch sehr hart arbeiten kann. „Natürlich war nach dem Erbe vieles anders, aber ich glaube, dass mich vor allem meine Reisen und mein Umfeld davon abgehalten haben, mich von Geld und Luxus dominieren zu lassen.“

Tatyana Synkova

Copyright: jádu / Goethe-Institut Prag
Juli 2015
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