Das geföhnte Kaninchen
Ein Bekannter hat Nachbarn mit Kindern, die in einem großen Stall im Garten Hasen halten. Vor allem ein kleines, weißes Kaninchen hatte es den Kindern angetan. Sie spielten jeden Tag damit und zeigten es stolzen ihren Freunden und auch in der Nachbarschaft. Eines Tages kam der Hund des Bekannten angelaufen und hatte das kleine Kaninchen tot gebissen im Maul. Entsetzt überlegte der Hundehalter hin und her was zu tun sei. Schließlich fuhr er zu einem Zoogeschäft und fand glücklicherweise ein sehr ähnliches Kaninchen, das er kaufte und heimlich zurück in den Hasenstall der Nachbarn brachte. Ein paar Tage später traf er dann seinen Nachbarn. Der meinte, er habe eine unglaubliche Geschichte zu erzählen und berichtete, dass das weiße Kaninchen letzte Woche gestorben sei. Zusammen mit seinen Kindern habe er es dann im Garten „beerdigt“. Plötzlich habe dann vor ein paar Tagen genau dasselbe weiße Kaninchen wieder in seinem Stall gesessen.
Diese Legende wurde von einer 25-jährigen Jura-Studentin aus Regensburg (Bayern) erzählt. Sie ist international weit verbreitet; das “zum Leben erweckte” Tier ist in den meisten Fällen ein Kaninchen. Massenhaft wurde die Geschichte im Jahre 1988 erzählt, so dass amerikanische Ethnologen das Jahr scherzhaft „Das Jahr des Kaninchens“ nannten. Eine weitere Variante der Geschichte wurde uns aus Norddeutschland übermittelt.
Also, einem Bekannten, dem ist kürzlich folgendes passiert: Er ist Hundebesitzer, und eines Tages brachte sein Hund, der grundsätzlich frei herumlaufen darf, ein völlig verdrecktes, totes Kaninchen mit nach Hause. Der Hundebesitzer erschrak, denn eigentlich sah es dem Hund gar nicht ähnlich, Tiere zu jagen, oder gar zu töten. Und bei genauerem Hinsehen erkannte er zu allem Überfluss auch noch, dass es sich bei dem Beutestück um das Hauskaninchen seines Nachbarn handelte. Mein Bekannter bekam ein ganz schlechtes Gewissen, weil besagter Nachbar sein zahmes Kaninchen doch so gern hatte. Da traute er sich natürlich nicht, das tote Tier seinem Besitzer zurück zu bringen und zu beichten, was sein Hund angestellt hatte. Also griff er zu einer List: Er wusch das Kaninchen gründlich, föhnte es sogar trocken, schlich sich in der Nacht heimlich auf das Nachbargrundstück und legte das Tier wieder in seinen Stall zurück. So, hoffte er, würde der Besitzer glauben, dass sein Tier an Altersschwäche gestorben sei.
Ein paar Tage später trafen die beiden Männer sich zufällig und hielten ein Schwätzchen über den Gartenzaun hinweg. Da berichtete der Kaninchenbesitzer: „Du, mir ist da letztens etwas passiert, das wirst du mir nicht glauben: Vor ein paar Tagen ist nämlich leider mein Kaninchen gestorben. Also habe ich es im Garten beerdigt. Und jetzt stell dir vor: Zwei Tage später liegt es wieder in seinem Stall, blitzsauber gewaschen, aber leider immer noch tot…“Diese Geschichte wurde von einer 27jährigen Lehrerin aus Hamburg berichtet. Ihr selbst wurde die Story auf einer Party von einem Kollegen erzählt, und dieser habe die Geschichte nach Angaben der jungen Pädagogin, derart glaubwürdig wiedergegeben, dass sie die Geschichte unbesehen glaubte. Umso erstaunter war sie, als sie dieselbe Erzählung einige Zeit später im Lesebuch ihrer Schulklasse wiederfand. Da schließlich ahnte sie, dass ihr Kollege anscheinend doch keinen Bekannten hatte, der die seltsame Angewohnheit hat, tote Kaninchen nachts heimlich wieder in ihren Stall zu tragen.