Die Faktenchecker

Foto (Ausschnitt): heipei, CC BY-SA 2.0Foto (Ausschnitt): heipei, CC BY-SA 2.0
Foto (Ausschnitt): heipei, CC BY-SA 2.0

Spätestens seit dem verbissen geführten Präsidentschaftswahlkampf 2012 florieren in den USA sogenannte Fact-Checking-Websites, die Aussagen von politischen Akteuren mit wahnwitziger Akribie auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen. Zur Bundestagswahl 2013 starten das ZDF und Wikimedia Deutschland nun ihr eigenes Fact-Checking-Projekt und nehmen die Aussagen der Politiker unter die Lupe.

Auf der Online-Plattform des ZDF-Faktenchecks kann jeder mitmachen. Und egal, ob es um Aussagen der Politiker geht, die spontan in Talkshows oder Tweets, durchdacht in Reden oder in Zeitungsinterviews gemacht wurden – alles wird gecheckt. Dazu schlagen die Nutzer auch Politikeraussagen zum Überprüfen vor. Aus diesen trifft ein Team aus Faktencheckern, Social-Media-, und Grafik-Redakteuren vom ZDF und Phoenix eine Auswahl und macht sich an die Recherche: Stimmt überhaupt, was Kandidat X da erzählt? . Die Ergebnisse dieser Recherchen kann jeder live und transparent auf der Website der ZDF-Faktenchecker einsehen und selbst mitrecherchieren. Die Nutzer können dabei nicht nur ihre Hinweise in die Checks einbringen, sondern auch mit den Recherche-Ergebnissen weiterarbeiten. Je nachdem, welchen Wahrheitsgehalt die Aussagen haben, können sie anhand von fünf Kategorien bewertet werden: „Stimmt“, „Stimmt fast“, „stimmt teilweise“, stimmt so nicht“, „stimmt nicht“.

Glatt gelogen oder doch wahr?

Wie viel Wahres steckt im Vorfeld der Wahl in den Aussagen von Politikern? Was sind leere Wahlversprechen und Floskeln, was ist erst gemeinte Wahrheit? Die Geschichte kennt zahlreiche Beispiele dafür, dass Aussagen von Politikern nicht immer der Wahrheit entsprechen.

Sei es die allseits bekannte Behauptung von Walter Ulbricht: „Niemand hat die Absicht eine Mauer zu errichten“, oder die Aussage des ehemaligen Bundesverteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg: „Eine von mir verfasste Dissertation ist kein Plagiat.“ Diese Aussage war offensichtlich falsch. Denn Guttenberg hatte in großen Teilen seiner Doktorarbeit auf das Setzen von Fußnoten verzichtet und fremde Gedankeninhalte als eigene darstellen wollen, also plagiiert. In Zeiten des Internets und der nahezu unbegrenzten Überprüfbarkeit von Aussagen kommt die Wahrheit jedoch schnell ans Licht.

Foto: INSM, CC BY-ND 2.0
Ex-Bundesminister von und zu Guttenberg; Im März 2011 trat er nach einer Plagiatsaffäre um seine Dissertation von allen politischen Ämtern zurück. Foto: INSM, CC BY-ND 2.0

Bei einem Blick auf die Website des ZDF-Faktencheck zeigt sich, dass Äußerungen und Versprechen von Politikern einzig auf Stimmenfang bei der Bundestagswahl abzielen. Weder ist die Frauenerwerbsquote in Bayern am höchsten – das wollte CSU-Politiker Horst Seehofer seinen potenziellen Wählerinnen und Wählern einreden – , noch stimmt es so nicht, dass Deutschland bei der Netzneutralität ein Entwicklungsland sei, wie es Jungpolitikerin Katharina Nocun von den Piraten konstatierte.

Neben den meisten Aussagen der Politiker steht ein “Stimmt so nicht“, sodass zumindest noch ein Teil der Aussage einen Wahrheitsgehalt aufweist. Dabei geht es um Aussagen zur Frauenerwerbsquote, zum Mindestlohn, zum Kindergeld, oder zu Steuern. Gänzlich wahre Aussagen sind eher Ausnahmen. Die ZDF-Faktenchecker überprüfen genau, ob und inwiefern Aussagen von Politikern der Wahrheit entsprechen oder nicht. Für diese wird es deshalb immer schwieriger, die Wähler mit falschen oder nicht ernst gemeinten Wahlversprechen zu ködern – erst recht in Zeiten des Faktenchecks, wie ein Blick auf die Entwicklung in den USA deutlich macht.

Fact-Checking in den USA

Was hierzulande erst langsam anläuft, ist in den USA längst zu einem unverzichtbaren Instrument im Wahlkampf geworden. Und das wissen auch die Politiker. Ihren Höhepunkt hatten die Faktenchecks während der Duelle der Spitzenkandidaten im US-Präsidentschaftswahlkampf. Die Followerzahlen der Faktenchecker-Twitterkanäle nahmen immense Dimensionen an. Selten zuvor achteten die amerikanischen Bürger so sehr auf Politikeraussagen wie bei denen der beiden Präsidentschaftskandidaten Barack Obama und Mitt Romney. Sämtliche unwahre Behauptungen Obamas oder Romneys wurden von den Faktencheckern sogleich widerlegt. Und das mit Erfolg: Sowohl Obama als auch Romney wurden im Verlauf des Duells deutlich zurückhaltender in ihren Wahlversprechen. Nur wenige verdrehte Wahrheiten und Halbwahrheiten mogelten sich dazwischen, sorgten aber für Unterhaltung im Publikum, als sie von den Faktencheckern unter die Lupe genommen wurden.

Sophie Victoria Knebel

Copyright: To4ka-Treff
September 2013
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