Leistungsbewertung und Sprachenportfolio

Beim Fremdsprachenunterricht für Grundschulkinder liegt der Schwerpunkt der Leistungsfeststellung und -bewertung im mündlichen Bereich (KMK 2013). Dies entspricht auch dem Vorrang des mündlichen Sprachhandelns im fremdsprachlichen Grundschulunterricht. In einigen Bundesländern werden auch schriftliche Arbeiten einbezogen, wobei es hier in der Regel keine Festlegungen in Bezug auf Anzahl, Form und Inhalt gibt. Die Aufgaben zur Bewertung haben kommunikativen Charakter. Sie sind kompetenz-, themen- und situationsorientiert.
Fremdsprachen in der Grundschule – Sachstand und Konzeptionen 2013 

Leistungsbewertung
Lernstandsmeldungen durch die Lehrkräfte sind mündlich und schriftlich möglich. Da der Fremdsprachenerwerb ein Prozess ist, der sich sehr unterschiedlich herausbildet, ist Heterogenität im fremdsprachlichen Klassenzimmer die Regel. Aus wissenschaftlicher Sicht sind die in der Grundschule dominierenden mündlichen Fähigkeiten mit herkömmlichen Testverfahren nur unzureichend zu erfassen.

Viele Fachleute halten es deshalb nach wie vor für sinnvoll, in der Vorschule und in den ersten Grundschuljahren auf Benotungen ganz zu verzichten, sich stattdessen auf die verbale Beurteilung und Beschreibung des Lernverhaltens zu beschränken und darüber die Kompetenzentwicklung festzustellen. Das Hauptargument ist die große Bedeutung der Motivation für das frühe Fremdsprachenlernen: Kinder im frühen Fremdsprachenunterricht brauchen in erster Linie Anerkennung und Würdigung ihrer Lernerfolge. Auch die Nürnberger Empfehlungen zum frühen Fremdsprachenlernen weisen darauf hin, dass bereits eine zurückhaltende Leistungsmessung die kindliche Freude am Lernen und die Motivation zum Weitermachen stören kann.
Empfehlungen des BIG-Kreises in der Stiftung Lernen (2008)

Entgegen dieser Grundausrichtung führten die meisten Bundesländer inzwischen die Vergabe von Noten ab Klasse 3 ein. Den Lehrkräften stehen für die Leistungsermittlung und -bewertung neben den in den Lehr- und Rahmenplänen festgehaltenen Vorgaben auch Leistungsüberprüfungsmaterialien zur Verfügung, die im Zusammenhang mit den Lehrwerken für den Frühbeginn entwickelt wurden. Sie gehen aber nicht im Detail auf die fremdsprachliche Entwicklung ein.
Die Bewertung sollte grundsätzlich nach einer für die Klassenstufen 3 und 4 geltenden Bewertungsskala erfolgen, die sich auf diese Bereiche beziehen sollte:
  1. Ermittlung des Lernstandes innerhalb der einzelnen Niveaustufen (GER) und der zugehörigen Entwicklung der Fertigkeiten (Hörverstehen, Sprechen, Leseverstehen und Schreiben)
  2. Ermittlung des Lernstandes im Bereich des Ausdrucksvermögens und der sprachlichen Kreativität
  3. Aussagen zu personalen Faktoren (Interessen, Mitarbeit, Arbeitstechniken, Sprachbewusstsein, Sprachlernbewusstsein, Fähigkeit zur Selbsteinschätzung)
Dokumentation des Lernprozesses: Sprachenportfolio
Die Anerkennung individueller Lernfortschritte ist ein wichtiger Bestandteil des Lernprozesses. Zur Dokumentation des individuellen Sprachlernprozesses empfehlen Bundesländer daher den Einsatz einer grundschulspezifischen Version des Europäischen Sprachenportfolios. In einigen Ländern ist das Portfolio inzwischen ein verpflichtendes Instrument der Rückmeldung über den Lern- und Entwicklungsstand des Kindes.

Das Portfolio besteht aus drei Teilen:
  • Das „Dossier“ ist eine Sammlung von selbst ausgewählten Lernergebnissen (Bilder, Aufsätze, Gedichte, CDs, Poster unter anderem).
  • Die „Sprachenbiografie“ enthält persönliche Angaben zum eigenen Fremdsprachenlernen, zu Lernerfahrungen und interkulturellen Begegnungen, vorgegebene Raster zur Selbstbeurteilung als Hilfe zur Einschätzung des eigenen Lernstandes, Lernziele als Hilfe zur Planung des eigenen Lernens und zur Entwicklung der eigenen geeigneten Lernwege unter anderem
  • Der „Sprachenpass“ gibt eine Übersicht über die Sprachkenntnisse des Portfolio-Inhabers nach Kompetenzstufen und wird von der Lehrkraft ausgefüllt.
Die Leistungsfeststellung erfolgt demnach über Methoden der Fremdeinschätzung und der Selbsteinschätzung. Zur Förderung der Selbsteinschätzung kommt insbesondere dem „Dossier“ eine wichtige Rolle zu. Die Sammlung von Schülerarbeiten dokumentiert individuelle Leistungen und Entwicklungen und kann auch in die Fremdbewertung mit eingehen.
Studien haben gezeigt, dass auch schon Grundschulkinder zu einer differenzierten Reflexion ihrer Leistungen fähig sind. Die Portfolioarbeit sollte demnach möglichst früh geübt und kontinuierlich fortgeführt werden. Dabei sollen die Leistungen jedes einzelnen Kindes positiv verstärkt werden. Deshalb stehen anstelle einer Defizitorientierung die vorhandenen Kompetenzen bei der Beschreibung und Sammlung von Lernergebnissen im Dossier im Vordergrund. Damit unterstützen Portfolios den Paradigmenwechsel hin zum kompetenzorientierten Lehren und Lernen. Eine Vorlage für ein Portfolio, das im vorschulischen Alter ohne Schriftkenntnisse eingesetzt werden und später im Grundschulalter fortgesetzt werden kann, finden Sie auf den Seiten des Goethe-Instituts.
goethe.de/kinder
 

Quellen

Kolb, Annika (2007): Portfolioarbeit. Wie Grundschüler Sprachenlernen reflektieren. Tübingen, Narr.

Grau, Maike; Legutke, Michael (2008): Fremdsprachen in der Grundschule. Bestandsaufnahme, Prinzipien, Perspektiven. In: Grau, Maike; Legutke, Michael (Hrsg.): Fremdsprachen in der Grundschule. Auf dem Weg zu einer neuen Lern- und Leistungskultur. Frankfurt a. M., Arbeitskreis Grundschule, S. 14–38.

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