Rainer Pollack am 20. Oktober 2017
Grußwort von Rainer Pollack zum 60. Jubiläum des Goethe-Instituts Lille

60. Jubiläum des Goethe-Instituts Lille

Es gilt das gesprochene Wort.
 
Das Leben ist bezaubernd, man muss es nur durch die richtige Brille sehen
Dieses Zitat von Alexandre Dumas möchte ich meiner Begrüßung voranstellen.

Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrte Gäste und Freunde des Goethe-Instituts,

eigentlich müsste ich an dieser Stelle zahlreiche weitere Partner und Freunde des Goethe-Instituts aus Kultur, Wissenschaft und Gesellschaft nennen, aber dann kämen wir lange nicht zum gemütlichen Teil des Abends. Deshalb danke ich an dieser Stelle einfach – ganz pragmatisch - allen Unterstützern des Goethe-Instituts Lille und den hier anwesenden Gästen.

Ich freue mich sehr, heute bei Ihnen zum 60jährigen Jubiläum hier in Lille zu sein.

Es ist zugleich meine erste Institutsfeier seit meinem Amtsantritt am 1. September. Seit Schülertagen verbindet mich viel mit Frankreich, bin ich doch nahe der französischen Grenze in Hausach im Schwarzwald aufgewachsen, habe als Schüler an Partnerschaftsbesuchen mit dem Comité de Jumelage in Arbois im französischen Jura teilgenommen. Auch mein Studium in Kehl am Rhein absolvierte ich vis à vis in Straßburg. In Lille war ich bisher noch nie und so freut es mich außerordentlich Ihnen die Glückwünsche des Vorstands des Goethe-Instituts persönlich zu überbringen.

60 Jahre - das ist mehr als ein halbes Jahrhundert.

60 Jahre - das bedeutet gemeinsame Arbeit, konstruktive Gespräche und Ideen, das Meistern politischer und gesellschaftspolitischer Herausforderungen sowie gemeinsame Ziele. All das kann und konnte nur durch Sie realisiert werden.

60 Jahre - das macht eindeutig Lust auf die nächsten 60 Jahre!

In einem chinesischen Sprichwort heißt es daher zu Recht:
„Ein Geschäft zu eröffnen, ist leicht. Schwer ist, es geöffnet zu halten.“[1]

Als das weltweit tätige Kulturinstitut der Bundesrepublik Deutschland fördert das Goethe-Institut seit 1951 den Zugang zur deutschen Sprache, pflegt die internationale Zusammenarbeit im Bereich Kultur und trägt ein aktuelles Bild von Deutschland in die Welt.

Mit 160 Instituten in 98 Ländern ist das Goethe-Institut die größte Mittlerorganisation der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik Deutschlands.

Einem Goethe-Institut in Frankreich kommt eine besondere Bedeutung zu. Unsere Länder sind geografisch und geschichtlich aufs engste miteinander verbunden. Die deutsch-französische Freundschaft gehört zum Herzstück Europas. Dies hat auch Ihr Staatspräsident, Emmanuel Macron, bei der Eröffnung der Frankfurter Buchmesse zusammen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, eindrucksvoll bestätigt. Er erneute bekanntermaßen, sich wieder stärker mit der Identität Europas zu befassen und dabei auch die Bereiche Kultur und soziale Gerechtigkeit nicht zu vernachlässigen. „Kultur ist ein Bindemittel“.

Einige Beispiele aus der Projektarbeit wurden bereits skizziert und ich bin mir sicher, dass es noch viele weitere Beispiele gibt, die zeigen, wie das Goethe-Institut Lille in den letzten 60 Jahren dazu beigetragen hat, dass zwischen Frankreich und Deutschland eine echte Partnerschaft und Freundschaft entstanden ist. Eine tragfähige und tiefe Beziehung, die vor allem in unseren gemeinsamen Werten begründet ist. Dies wird nicht zuletzt daran deutlich, dass das Goethe-Institut Lille bei Projektumsetzungen den Akzent auf Partnerkooperationen setzt – so auch am heutigen Abend.

Wenn wir in die Zukunft schauen, so wird die Aufgabe des Goethe-Instituts weltweit, aber auch aller anderen nationalen Kulturinstitute noch wichtiger werden.

Gerade weil uns schwierige Zeiten in Europa bevorstehen, ist das 60-jährige Jubiläum eine Besonderheit. Zuletzt die Finanzkrise, nun – und verzeihen Sie mir die offenen Worte – die Europakrise.

Freiräume zu schaffen – ob physisch als Ort der Zuflucht und des offenen Diskurses in einem restriktiven Umfeld, oder digital mit freiem Zugang zu Wissen, Bildungsangeboten und Kultur – ist eines der wichtigsten Anliegen des Goethe-Instituts für die kommenden Jahre.

Auch und insbesondere in Europa braucht es angesichts zunehmender rechtspopulistischer Tendenzen und der jüngsten Verschärfung des Tons in den transatlantischen Beziehungen immer mehr Freiräume:

Das Goethe-Institut stellt die Zukunft Europas in den Mittelpunkt und steht für die Werte der europäischen Gemeinschaft von Freiheit, Gleichheit und Offenheit ein. Auch die Goethe-Institute in Frankreich leisten hierzu ihren wertvollen Beitrag.

Gerade die deutsch-französischen Beziehungen zeigen, dass es möglich ist, ein Vertrauen zu schaffen, aus „Erbfeinden“, wie es mein Großvater gerne bezeichnete, Partner und Freunde zu machen.

Nicht zuletzt deshalb glauben wir ganz fest daran, dass globale Themen auch global diskutiert werden müssen.

Der grenzüberschreitende Dialog rückt Themen in den Vordergrund, die für mehr als nur ein Land oder einen Ort relevant sind.

Aber auch die Auseinandersetzung mit

  • Künstlicher Intelligenz,
  • Digitalisierung,
  • Flucht und Migration und
  • der Freiheit des Individuums
werfen zwangsläufig Fragen auf.
 
Eine Herausforderung, der sich das Goethe-Institut stellen muss und möchte.
Die Herausforderung nicht nur den europäischen Zusammenhalt zu fördern, sondern auch den weltweiten Dialog weiterhin mit unserer Arbeit.
Herausforderungen – denen wir, so zeigt es die Vergangenheit, gewachsen sind.

Nach den vergangenen 60 erfolgreichen Jahren des Kulturaustauschs zwischen Deutschland und Frankreich, brauchen wir vor allem den europäischen Zusammenhalt, nicht nur auf politischer Ebene, sondern vor allem auch auf gesellschaftlicher und kultureller Ebene.

Bildung und Kultur sind – das kann man nicht häufig genug wiederholen – Schlüsselelemente für die Aufgaben, die in Europa vor uns liegen. Häufig sind es Kunst und Kultur, die den Finger in die Wunde legen und auf gesellschaftliche Probleme aufmerksam machen sowie Wertvorstellungen hinterfragen. Sie zeigen aber auch Alternativen auf und machen Verständigung möglich, selbst dort, wo die Situation „festgefahren“ wirkt.

Gerade angesichts der Krisen in Europa wird deutlich, dass zu Europa mehr gehört als offene Grenzen und ein freier Binnenmarkt. Zentral ist ein europäisches Bewusstsein, dass über Kulturaustausch und gemeinsame Bildung entsteht. Hierfür setzt sich das Goethe-Institut ein.

Anlässlich des 60jährigen Jubiläums wünsche ich mir, dass das Goethe-Institut Lille auch die kommenden Jahrzehnte so erfolgreich meistert wie es dies in den letzten 60 Jahren getan hat – darauf stoßen wir an!

Ich wünsche allen einen interessanten und vor allem musikalischen Abend.
Zum Wohl!

[1] Chinesisches Sprichwort (unbekannt)
 

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