1. April 2017
60 Jahre Goethe-Institut Ankara

Festrede des Präsidenten des Goethe-Instituts Prof. Dr. h.c. Klaus-Dieter Lehmann bei der Jubiläumsfeier

Anrede,
 
ich möchte Sie herzlich begrüßen zu unserem festlichen Beisammensein. Ich freue mich sehr, heute Abend hier sein zu können, um den Auftakt für ein besonderes, ein rundes Jubiläum zu geben: 60 Jahre Goethe-Institut in der türkischen Hauptstadt Ankara. Es mag bessere Zeitpunkte für eine Jubiläumsfeier geben, aber sicher keinen notwendigeren. Es ist nicht zu leugnen, wir leben in schwierigen Zeiten. Die deutsch-türkischen Beziehungen sind derzeit belastet. Programme müssen abgesagt werden, Stipendiaten aus Förderprogrammen werden in die Türkei zurück beordert, Ausreiseverbot für Lehrpersonal wird verordnet, aufgrund der Sicherheitslage und der politischen Repressionen reisen immer weniger Wissenschaftler und Künstler in die Türkei. Die traditionell guten Beziehungen im Kultur-, Bildungs- und Wissenschaftsbereich befinden sich in einer mehr als kritischen Phase und das nach Jahrzehnten steigender Beliebtheit, einem kreativen Austausch, einem messbaren Nutzen für beide Seiten und einer auch international herausragenden Qualität mit vorzeigbaren Prestigeprojekten. Das Goethe-Institut als Frei- und Dialograum hat dabei eine anerkannt positive Rolle gespielt und sieht sich auch in den schwierigen Zeiten mehr denn je als ehrlicher Vermittler, als Garant für Meinungsfreiheit und bietet ein Fenster zur ganzen Welt. Und gerade in Ankara fühlen wir uns zu Hause, sind Teil der künstlerischen und kulturellen Szene.

Ankara, so wie wir es heute kennen, ist ein Kind des 20. Jahrhunderts. Mit der Erklärung zur Hauptstadt der neuen Türkischen Republik im Jahre 1923 verkörperte die Stadt den Aufbruch in die Moderne. Der Einfluss deutschsprachiger Wissenschaftler und Künstler, die in den 1930er Jahren vor der nationalsozialistischen Herrschaft ins Ausland flüchten mussten, hatten auf die Entwicklung der neu gegründeten türkischen Republik einen großen Einfluss. Mehr als 80 namhafte Persönlichkeiten fanden Zuflucht und Beschäftigung. Ernst Reuter oder Eduard Zuckmayer gehörten zu ihnen, aber auch viele Architekten, wie Bruno Taut oder Paul Bonatz. Bruno Taut realisierte 24 Bauvorhaben, darunter den Bau des Kulturministeriums in Ankara. Das Goethe-Institut Ankara hat sich zu Recht diesem Kapitel „Spuren deutschsprachiger Architekten in Ankara“ gewidmet, denn es begründete ein starkes Band in den deutsch-türkischen Beziehungen, dem wir bis heute unseren Tribut zollen.

Unzählbar viele Programme - wie dieses - haben seit der Eröffnung im Jahre 1957 den deutsch-türkischen Dialog beflügelt, Künstler, Kulturschaffende, Wissenschaftler und Denker aus der Türkei und Deutschland zusammengebracht. So kam es zu vielen persönlichen Begegnungen. Begegnung – das ist für unsere Arbeit ein zentraler Begriff. Er erlaubt die eigene Beurteilung und hilft, Klischees aufzulösen und Vertrauen zu schaffen. Die wechselhafte Geschichte in der Türkei und in Deutschland hat immer wieder gezeigt, wie wichtig eine offene und diskursfähige Debatte für die Entwicklung einer Gesellschaft ist. Kunst, Kultur und Wissenschaft sind weder die Spielwiese für Intellektuelle und Künstler noch das Propagandainstrument des Staates, sie sind ein essentieller Bestandteil der Gesellschaft selbst. 

Im Sprachkursbereich haben innovative Formate Deutschlernern aus der Türkei Freude an der deutschen Sprache vermittelt. Viele, teils heute auch anwesende Persönlichkeiten aus Kultur, Bildung und Gesellschaft haben hier am Goethe-Institut Ankara oder in einem der Goethe-Institute in Deutschland Sprachkurse besucht. So auch der weltberühmte Komponist und Pianist Fazil Say, dessen intellektuelles und künstlerisches Wirken hier am Goethe-Institut in Ankara seinen Anfang genommen hat. Auch seine ersten Konzerte hat Say in den Räumen des Goethe-Instituts Ankara gegeben. Oder die Komponistin Beste Özcelebi, die hier Deutsch gelernt hat und Meisterkurse in Ankara bei Professor Mahnkopf besuchte und jetzt in Leipzig den westlich gebildeten Spielern ihre musikalischen Wurzeln vermittelt. Das sind nur zwei Beispiele von vielen.

Viele Menschen haben Deutschland zu ihrer zweiten Heimat gemacht oder sind als Partner Deutschlands in die Türkei zurückgekehrt. 2016 lernten am Goethe-Institut Ankara pro Jahr rund 2.700 Menschen Deutsch – mit steigender Tendenz. So sind im aktuellen Turnus 800 Kursteilnehmerinnen und Kursteilnehmer eingeschrieben. Darüber hinaus engagiert sich das Goethe-Institut in der Aus- und Fortbildung von Deutschlehrern. Von 2014 bis 2017 nahmen 1.700 neu eingestellte Deutschlehrerinnen und –Lehrer an Basis- und Aufbauseminaren des Goethe-Instituts teil. Das Goethe-Institut betreut aktuell 18 Partnerschulen in der Türkei – sogenannte PASCH-Schulen - mit rund 13.000 Deutschlernern. Das Angebot reicht von nationalen und internationalen Lehrerfortbildungen bis hin zu Schülervernetzungsprojekten digitaler Art aber auch in Form von Jugendcamps. Das Goethe-Institut Ankara hat auch mit großem Engagement einen Integrations-Intensivkurs für Imame eingerichtet, die nach Deutschland als Gemeindevorsteher entsandt werden und die wir in Deutschland weiter fortbilden. Wir sind der Auffassung, dass gerade Imame viel für die Gemeinden in Deutschland tun können, wenn sie die deutsche Sprache beherrschen und über das Land Bescheid wissen. Das hat sich auch als positiv erwiesen. Jetzt erfahren wir, dass eine Reihe von Imamen in DITIB-Moscheen im Auftrag des türkischen Staates Informationen über Gemeindemitglieder weitergegeben haben. Wenn sich das als wahr herausstellen sollte, wäre das für ein angesehenes Integrationsprojekt das Aus und für uns eine bittere Enttäuschung.

Der Betreuungsbereich des Goethe-Instituts Ankara umfasst die gesamte Nord- und Osttürkei, und im Besonderen Mardin, Hatay, Adana und Sinop. Im Jahr 1988 hat das Goethe-Institut zudem die Betreuung des „Deutsch-türkischen Vereins für kulturelle Zusammenarbeit“ in Adana übernommen.

In den sechs zurückliegenden Jahrzehnten hat sich das Goethe-Institut als integraler Bestandteil der Kulturszene in Ankara etabliert, nicht zuletzt aufgrund seiner engen Partnerschaften, für deren Bereitschaft, Zuneigung und Engagement wir zutiefst dankbar sind. Ich möchte exemplarisch einige Aktivitäten nennen: Das Goethe-Institut Ankara hat mit dem Programm „SinemaDans Ankara“ ab 2014 die größte Tanzfilmplattform der Türkei geschaffen, mit einem Konzert der Band „Revolverheld“ 2010 über 20.000 Besucher begeistert, jahrelang deutsch-türkische Theaterproduktionen zwischen dem Staatstheater Ankara und dem Theater an der Ruhr in Mülheim unterstützt sowie in seinem eigenen Veranstaltungssaal samt Foyer – in dem wir auch heute zu Gast sein dürfen – zahlreiche Diskussionen und Vorträge, Konzerte, Lesungen und Ausstellungen realisiert. Um die deutsche Sprache und Literatur zu vermitteln, wurden in und um Ankara zahlreiche Wanderausstellungen mit kulturellem Begleitprogramm realisiert, wie die erfolgreiche Buchausstellungsreihe „Bücher überwinden Grenzen“, die sich gesondert an Kinder und Jugendliche richtete.

Die Aufzählung lässt sich noch weiter fortsetzen. Deutlich werden aber aus diesen Beispielen die Bandbreite und die Nähe zu zentralen gesellschaftlichen Fragen. Das Goethe-Institut in Ankara ist nahe am Puls der Zeit. Es hat deshalb auch mit der jetzt erfolgreich abgeschlossenen baulichen Sanierung des Instituts deutlich gemacht, wir wollen noch weitere Jubiläen in Ankara begehen und auch weiterhin die Dinge beim Namen nennen.

Überschattet wurde dieser Zeitabschnitt vom Tod des Institutsleiters Raimund Wördemann. Nach der Sanierung eröffnete er dieses Gebäude vor einem Jahr mit einem eindrucksvollen Programm. Mit viel Tatkraft und großem Einfühlungsvermögen in die schwierigen Umstände, auch hinsichtlich der Flüchtlingsthematik, war er der richtige Impulsgeber. Mit 52 Jahren ist er verstorben. Ich hatte mich mit ihm für den 1. April 2017 in Ankara verabredet, bis zuletzt war seine Hoffnung, es zu erleben. Wir haben ihn im November 2016 in Berlin beerdigt.

Begrüßen kann ich heute Abend seine Nachfolgerin, Frau Dr. Eva Marquardt. Wir kennen uns aus Tallinn in Estland. Sie wird am 1. Juni offiziell ihre Tätigkeit in Ankara aufnehmen. Ich wünsche ihr viel Erfolg und eine glückliche Hand.

Ich möchte nun noch einmal nachdrücklich gratulieren zu der wundervollen und wirkungsvollen Arbeit, die über Jahrzehnte geleistet wurde und jeden Tag mit neuem Elan geleistet wird. Mein Dank gilt insbesondere Ihnen, liebe Frau Frankenberg als Kommissarische Institutsleiterin, Ihnen, liebe aktuelle wie ehemalige Kolleginnen und Kollegen, für Ihren unermüdlichen Einsatz, für kreative Programme und Ideen, für die Anregungen zum deutsch-türkischen Dialog, das Knüpfen von Netzwerken und Pflegen von Partnerschaften. Die heute so zahlreich anwesenden Partner und Freundinnen und Freunde des Goethe-Instituts bezeugen, wie gut Sie diese Arbeit geleistet haben. Wir können gespannt sein auf die nächsten Jahrzehnte! Für die gute Zusammenarbeit auch herzlichen Dank allen lokalen Partnern.

Ich wünsche uns allen noch einen schönen Abend mit anregenden Gesprächen und Begegnungen.
Herzlichen Dank!

Es gilt das gesprochene Wort.

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