Das geföhnte Kaninchen

Foto (Ausschnitt): Maja Dumat, CC BY 2.0 Foto (Ausschnitt): Maja Dumat, CC BY 2.0
Foto (Ausschnitt): Maja Dumat, CC BY 2.0

Ein Bekannter hat Nachbarn mit Kindern, die in einem großen Stall im Garten Hasen halten. Vor allem ein kleines, weißes Kaninchen hatte es den Kindern angetan. Sie spielten jeden Tag damit und zeigten es stolzen ihren Freunden und auch in der Nachbarschaft. Eines Tages kam der Hund des Bekannten angelaufen und hatte das kleine Kaninchen tot gebissen im Maul. Entsetzt überlegte der Hundehalter hin und her was zu tun sei. Schließlich fuhr er zu einem Zoogeschäft und fand glücklicherweise ein sehr ähnliches Kaninchen, das er kaufte und heimlich zurück in den Hasenstall der Nachbarn brachte. Ein paar Tage später traf er dann seinen Nachbarn. Der meinte, er habe eine unglaubliche Geschichte zu erzählen und berichtete, dass das weiße Kaninchen letzte Woche gestorben sei. Zusammen mit seinen Kindern habe er es dann im Garten „beerdigt“. Plötzlich habe dann vor ein paar Tagen genau dasselbe weiße Kaninchen wieder in seinem Stall gesessen.

Aufgezeichnet von Magdalena Wagner

Diese Legende wurde von einer 25-jährigen Jura-Studentin aus Regensburg (Bayern) erzählt. Sie ist international weit verbreitet; das “zum Leben erweckte” Tier ist in den meisten Fällen ein Kaninchen. Massenhaft wurde die Geschichte im Jahre 1988 erzählt, so dass amerikanische Ethnologen das Jahr scherzhaft „Das Jahr des Kaninchens“ nannten. Eine weitere Variante der Geschichte wurde uns aus Norddeutschland übermittelt.

Also, einem Bekannten, dem ist kürzlich folgendes passiert: Er ist Hundebesitzer, und eines Tages brachte sein Hund, der grundsätzlich frei herumlaufen darf, ein völlig verdrecktes, totes Kaninchen mit nach Hause. Der Hundebesitzer erschrak, denn eigentlich sah es dem Hund gar nicht ähnlich, Tiere zu jagen, oder gar zu töten. Und bei genauerem Hinsehen erkannte er zu allem Überfluss auch noch, dass es sich bei dem Beutestück um das Hauskaninchen seines Nachbarn handelte. Mein Bekannter bekam ein ganz schlechtes Gewissen, weil besagter Nachbar sein zahmes Kaninchen doch so gern hatte. Da traute er sich natürlich nicht, das tote Tier seinem Besitzer zurück zu bringen und zu beichten, was sein Hund angestellt hatte. Also griff er zu einer List: Er wusch das Kaninchen gründlich, föhnte es sogar trocken, schlich sich in der Nacht heimlich auf das Nachbargrundstück und legte das Tier wieder in seinen Stall zurück. So, hoffte er, würde der Besitzer glauben, dass sein Tier an Altersschwäche gestorben sei.

Ein paar Tage später trafen die beiden Männer sich zufällig und hielten ein Schwätzchen über den Gartenzaun hinweg. Da berichtete der Kaninchenbesitzer: „Du, mir ist da letztens etwas passiert, das wirst du mir nicht glauben: Vor ein paar Tagen ist nämlich leider mein Kaninchen gestorben. Also habe ich es im Garten beerdigt. Und jetzt stell dir vor: Zwei Tage später liegt es wieder in seinem Stall, blitzsauber gewaschen, aber leider immer noch tot…“

Diese Geschichte wurde von einer 27jährigen Lehrerin aus Hamburg berichtet. Ihr selbst wurde die Story auf einer Party von einem Kollegen erzählt, und dieser habe die Geschichte nach Angaben der jungen Pädagogin, derart glaubwürdig wiedergegeben, dass sie die Geschichte unbesehen glaubte. Umso erstaunter war sie, als sie dieselbe Erzählung einige Zeit später im Lesebuch ihrer Schulklasse wiederfand. Da schließlich ahnte sie, dass ihr Kollege anscheinend doch keinen Bekannten hatte, der die seltsame Angewohnheit hat, tote Kaninchen nachts heimlich wieder in ihren Stall zu tragen.

Aufgezeichnet von Janika Rehak

Copyright: Goethe-Institut Prag
Dezember 2012

    Urban legends

    Auch in unserer scheinbar so rationalen und technisierten Welt haben Mythen und Legenden ihren Platz. Zwar glauben die meisten nicht mehr an böse Zauberer und gute Feen, dafür aber an die giftige Spinne in der Yucca-Palme oder an Parallelzivilisationen in der Kanalisation. Unsere modernen Märchen heißen Urban legends. Und ein Freund von einem Freund von einem … hat sie wirklich erlebt.

    Die Legende vom Slenderman
    Begegnen kann man ihm praktisch überall, auf der Straße, beim Spaziergang und sogar vor der eigenen Haustür: dem Slenderman. Sein bevorzugtes Gebiet sind dichte, dunkle Wälder, doch er soll sich einem einsamen Passanten auf nächtlichen Straßen mitten in der Stadt gezeigt haben.

    Slenderman – Still Flut
    Ein Comic über den Slenderman von Dominique Zanas und Meryem Erkus.

    Hype um Hans
    Bis Sommer 2012 war Hans Sarpei Fußballer. Dann, nicht ganz über Nacht, wurde Sarpei eine Legende: erst Facebook-Star, dann Social-Media-Berater – und ist inzwischen bei wohl fast allen jüngeren deutschen Internetnutzern bekannt.

    Rasierklingen auf der Freibadrutsche
    Im Norden Italiens kursiert die kuriose Geschichte von einem Verrückten, der Rasierklingen auf den Rutschen von öffentlichen Freibädern anbringt.

    Mit Marihuana gefüllte Babys
    Eines der Babys aus Bronze, die den Prager Fernsehturm hinaufkrabbeln und die der tschechische Künstler David Černý angefertigt hat, ist angeblich mit Marihuana gefüllt.

    Düstere Seiten des modernen Mythos
    Mit dem Erzählforscher Rolf Wilhelm Brednich über Spinnen, Yucca-Palmen und verkappte Fremdenfeindlichkeit in modernen Sagen.

    Freien Eintritt mit Finger bezahlt
    Im Zusammenhang mit Veranstaltungen im Dortmunder Westfalenpark wird immer wieder erzählt, dass jemand sich den Eintritt sparen und über den Zaun klettern wollte, dabei allerdings hängen geblieben ist und sich einen Finger abgerissen hat. 

    Weitere Urban legends aus aller Welt...
    jadumagazin.eu/urbanlegends